Der Beitrag untersucht die Entscheidungen V.C. v. Slowakei (EGMR) und A.S. v. Ungarn (CEDAW-Kommittee) betreffend Zwangssterilisierungen an Romnja. Bemerkenswert ist, dass die Praxis klar als Menschenrechtsverletzung erkannt, jedoch die strukturelle und intersektionale Dimension der Fälle weitgehend ignoriert wurde. Es zeigt sich die paradoxe Natur des Rechts: Einerseits kann es als „Verbündeter“ für NGOs und Menschenrechtsorganisationen betrachtet werden, weil es Sichtbarkeit für Problemlagen erzeugt. Andererseits behält es insofern seine historische Rolle als „Gegner“, als die vergeschlechtlicht rassistische Unterordnung von Romnja nicht adäquat adressiert wird. Der Beitrag stellt die Frage, inwiefern dadurch struktureller Rassismus gestärkt und stillschweigend einer eugenischen sozialen Norm entsprochen wird, welche die Reproduktion jener zu verhindern sucht, die als „unwert“ oder „untauglich“ für die Gesellschaft gelten.
“Ally” or “enemy”?
SLAPPs und SLAPP-Back
SLAPPs – Strategic Lawsuits Against Public Participation, oder auf Deutsch: Einschüchterungsklagen – verfolgen das Ziel, die Berichterstattung zu einem konkreten Thema oder einer Person zu unterbinden und öffentliche Stimmen verstummen zu lassen. Die Kläger:innen sind meist mächtige Private, staatliche Stellen oder der staatlichen Sphäre nahestehende Akteur:innen. Auf Beklagtenseite stehen in der Regel Journalist:innen, unabhängige Medien oder NGOs. Durch die angestrengte Prozessführung sind kritische Stimmen in ihren Ressourcen gebunden oder befürchten hohe Verfahrenskosten. Die rechtspolitische Debatte zum Umgang mit SLAPPs bewegt sich in einem grundrechtlichen Spannungsfeld. Dieses will der Beitrag beispielhaft anhand der Rsp des EGMR zur Meinungsfreiheit und Medienvielfalt, dem Persönlichkeitsschutz und dem Zugang zum Recht nachzeichnen. Mithilfe des dadurch abgesteckten Rahmens gilt es für Österreich auszuloten, ob es ergänzender Regelungen gegenüber Einschüchterungsklagen bedarf.
Staatsziele – Grundrechte – Umwelt- und Klimaschutz
Der Text geht der Frage nach, ob es dem österreichischen Gesetzgeber erlaubt ist, Umwelt- und Klimaschutzziele zu verfolgen. Dazu werden die verfassungs- und grundrechtlichen Vorgaben in diesem Bereich überblicksmäßig dargestellt.
Autonomie, Reproduktion und die Leihmutterschaft
Reproduktive Autonomie meint die Fähigkeit und Möglichkeit, die auf die Fortpflanzung bezogenen Belange selbst zu gestalten, im Licht eigener Wünsche und Werte. Was wir mit Blick auf unsere Kinderwünsche wollen dürfen, ist allerdings umstritten. Leihmutterschaft ist ein Verfahren, das für gewöhnlich Unbehagen auslöst und in vielen Ländern verboten ist. Die gängigen Argumente für ein absolutes Verbot sind aber wenig überzeugend. Dass Leihmutterschaft als Schauplatz besonderer Zumutungen gilt, schreibe ich denn auch weniger unüberwindbaren rechtlichen Hindernissen zu, als vielmehr der Tatsache, dass sie kulturell tief verankerte biologistische Konzepte von Mutterschaft herausfordert, und wie kein anderes Verfahren ihre soziale Konstruktion enthüllt.
Freundschaft in Zeiten von COVID-19
Seit Beginn der Covid-19-Pandemie ist die Reduktion von privaten Sozialkontakten wesentlicher Bestandteil der Strategien, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Allerdings muss bedacht werden, dass auch jene Sozialbeziehungen grundrechtlich geschützt sind, die sich außerhalb der Kernfamilie und der stabilen und monogamen Lebensgemeinschaft abspielen. Der vorliegende Beitrag skizziert, inwiefern Freundschaftsbeziehungen durch die Covid-19-Verordnungen eingeschränkt werden und welches Bild von Freundschaft hinter den einschlägigen Bestimmungen steht.
„Eine Frist, keine Lösung“
Die Rolle der Verfassungsgerichtsbarkeit in der politischen Auseinandersetzung mit dem Schwangerschaftsabbruch
Vor dem Hintergrund der Dobbs-Entscheidung des US-Supreme Courts, die das verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Schwangerschaftsabbruch in den USA gekippt hat, analysiert dieser Beitrag, welche Rolle Verfassungsgerichte in der politischen Auseinandersetzung mit dem Schwangerschaftsabbruch in Österreich, Frankreich, Deutschland und den USA historisch gespielt haben.
Die „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ des Bezugs von Sozialhilfeleistungen als Hürde am Weg zur Staatsbürgerschaft
Der VwGH behandelte in VwGH 12.12.2019, Ro 2019/01/0010 die Rechtsfrage, ob für die Beurteilung der in § 10 Abs 1 Z 7 iVm Abs 5 StbG normierten „Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen“ eine „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ geboten ist. Das Höchstgericht befasste sich im Kern damit, ob Sozialhilfeleistungen, die von einer dritten, im selben Haushalt lebenden Person bezogen werden, ebenso der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft entgegenstehen, wie direkt von der antragsstellenden Person bezogene Sozialhilfeleistungen und bejahte dies, sofern nicht der Beweis des Gegenteils erbracht wird. Der Beitrag befasst sich mit diesem Erkenntnis des VwGH und bearbeitet die Frage, ob oder inwieweit dieses als eine ökonomische und soziale Hürde am Weg zur Einbürgerung anzusehen ist.
Alternativer Geschlechtseintrag für transidente Personen
Dieser Artikel befasst sich mit dem Zugang zu Geschlechtseinträgen abseits von „männlich“ und „weiblich“ im österreichischen zentralen Personenstandsregister. Als Ausgangspunkt dient die E G 77/2018 des VfGH, mit der dieser aussprach, dass die Beschränkung der Eintragungsmöglichkeiten auf „männlich“ und „weiblich“ nicht verfassungskonform ist. Anhand der Judikatur des VwGH und dem Erlass des BMI führt der Artikel aus, unter welchen Voraussetzungen alternative Geschlechtseinträge bisher vorgenommen wurden. Anschließend werden zwei Erkenntnisse des VwG Wien behandelt, aufgrund derer für Personen, bei denen keine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ vorliegt, ein alternativer Geschlechtseintrag vorzunehmen ist, wobei eines dieser Erkenntnisse einen selbstbestimmten Geschlechtseintrag vorsieht.
The Road Not Taken
Der Beitrag untersucht die zwei jüngsten verfassungsgerichtlichen Entscheidungen zum Klimaschutz in Österreich und Deutschland. Die Gegenüberstellung hebt die materiellrechtlichen und prozessualen Unterschiede der Verfahren zum deutschen Klimaschutzgesetz sowie zur österreichischen Steuergesetzgebung im Bereich der Luftfahrt hervor. Beide Beschlüsse verfolgen entgegengesetzte Ansätze in der Frage, wie der Klimaschutz in der Verfassung zu verorten ist: Während das Bundesverfassungsgericht alle Beschwerdeführenden mit ihrem Vorbringen anhört, lehnt der Verfassungsgerichtshof bereits die Eröffnung der gerichtlichen Kontrolle ab. Angesichts der Ähnlichkeit des österreichischen und deutschen Rechtssystems fragt der Beitrag, ob das eine Gericht die jeweils andere Entscheidung hätte treffen können. Dabei wird ersichtlich, wie wichtig es ist, in die Erzählung über die Klimarechtsprechung vergleichend ermittelte Hintergründe einzubeziehen. Nur so können Gerichte weltweit in Bezug auf ähnliche Rechtsfragen angesichts der globalen Herausforderung des Klimawandels in Dialog treten.