Seit dem späten 19. Jahrhunderts haben sich Gerichte in den USA wiederholt mit der Frage beschäftigt, ob bzw auf welche verfassungsgesetzlich gewährleisten Rechte inhaftierte Menschen sich während ihrer Inhaftierung berufen können. Dieser Beitrag skizziert den Aufstieg und Fall von sogenannten Prisoners Rights in der Rechtsprechung des US Supreme Court und zeigt unter Heranziehung einiger richtungsweisender Entscheidungen die Lückenhaftigkeit dieses Rechtsgebiets auf. Vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen, die US-Gerichten wieder eine größere Rolle bei der Kontrolle von Verwaltungsbehörden und -organen einräumen könnten, wirft der Beitrag letztlich die Frage auf: Sind Gerichte beim Kampf für die Verbesserung von Haftbedingungen bzw Lebensverhältnissen von Gefangenen generell ein taugliches Forum?
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„He is for the time being the slave of the state“
Einkommensabhängige Entschädigung von Erwachsenenvertreter*innen nach § 276 ABGB
Die Entschädigung der gerichtlichen Erwachsenenvertreter*innen richtet sich nach dem § 276 ABGB. Die darin festgehaltene dynamische Entschädigung ist vielfach kritisiert worden, da diese insbesondere für Personen mit geringem Einkommen eine erhebliche Belastung darstellen könne. Dieser Artikel widmet sich der Entwicklung und der aktuellen Rechtslage zur Entschädigung der gerichtlichen Erwachsenenvertreter*innen, fasst die Kritik an der derzeitigen Regelung zusammen und befasst sich abschließend mit der Frage, welche Alternativen sich bei der Entschädigung der Erwachsenenvertretung anbieten.
Bleibt die Antragslegitimation Türhüter für Klimaklagen?
Neue höchstgerichtliche Entscheidungen setzen sich mit dem Rechtsschutz in Klima- und Umweltfragen auseinander: Der Verfassungsgerichtshof wies einen Antrag auf Aufhebung von Teilen des Klimaschutzgesetzes zurück, der sich auf die Kinderrechte der Antragsteller_innen stützte. Frühere Klimaklagen scheiterten vor dem VfGH wiederholt wegen fehlender Antragslegitimation. Bei der neuesten Entscheidung thematisierte er dies zwar, ließ aber letztlich offen, ob die eng interpretierten Voraussetzungen der Antragslegitimation erfüllt waren ...
Erntearbeit: der Osten zur Hand
Die Ernte von Gemüse und Obst in Österreich wird vorwiegend von osteuropäischen Saisoniers verrichtet. Ob EU-Bürger_innen mit freiem Zugang zum Arbeitsmarkt (Rumänien) oder Drittstaatsangehörige mit temporärem und eingeschränktem Aufenthaltstatus (Ukraine): sie arbeiten in der Regel unter schlechten und ungesetzlichen Bedingungen. Die sezonieri-Kampagne, eine gewerkschaftliche Unterstützungskampagne für Erntearbeiter_innen in Österreich, setzt hier an.
Die Arbeit in der Landwirtschaft gehört zum Niedriglohnsektor in der EU, so auch in Österreich. Die Ausbeutung von migrantischen Arbeitskräften in der Landwirtschaft beruht auf der wirtschaftlichen Ungleichheit von Ländern und auf rassistischen Normen, Gesetzen und Haltungen. Eine auf Rassismus basierende Hierarchie, in der die „Anderen“ untergeordnet sind, die nicht hier geboren sind – Grenzen werden auf und zu gemacht, je nach wirtschaftlichen Interessen.
“Ally” or “enemy”?
Der Beitrag untersucht die Entscheidungen V.C. v. Slowakei (EGMR) und A.S. v. Ungarn (CEDAW-Kommittee) betreffend Zwangssterilisierungen an Romnja. Bemerkenswert ist, dass die Praxis klar als Menschenrechtsverletzung erkannt, jedoch die strukturelle und intersektionale Dimension der Fälle weitgehend ignoriert wurde. Es zeigt sich die paradoxe Natur des Rechts: Einerseits kann es als „Verbündeter“ für NGOs und Menschenrechtsorganisationen betrachtet werden, weil es Sichtbarkeit für Problemlagen erzeugt. Andererseits behält es insofern seine historische Rolle als „Gegner“, als die vergeschlechtlicht rassistische Unterordnung von Romnja nicht adäquat adressiert wird. Der Beitrag stellt die Frage, inwiefern dadurch struktureller Rassismus gestärkt und stillschweigend einer eugenischen sozialen Norm entsprochen wird, welche die Reproduktion jener zu verhindern sucht, die als „unwert“ oder „untauglich“ für die Gesellschaft gelten.
Gender Data: (Un-)Sichtbarkeit in der Krise
Das individuelle Gesundheitsrisiko hängt von einer Vielzahl einzelner Faktoren ab. Erst das Abbilden der spezifischen Wechselwirkungen unterschiedlicher Risikofaktoren ermöglicht eine intersektionale Folgenabschätzung der ergriffenen Maßnahmen und somit deren Auswirkung auf bereits bestehende (soziale) Ungleichheiten. Die Verfügbarkeit und Qualität der wissenschaftlichen Aufbereitung von Daten sind Voraussetzung für eine zielorientierte, gleichheitskonforme und zeitgemäße evidenzbasierte Politik. In dem folgenden Beitrag soll ebendiese Leerstelle in Bezug auf Gender Data aufgezeigt werden.
Rassismen im Recht erkennen
Rassismus in rechtlichen Regulierungen, Verfahren und Entscheidungen zu erkennen, zu benennen und einzuordnen, fordert heraus – rechtsdogmatisch, rassismustheoretisch und nicht zuletzt ganz persönlich, denn Rassismus betrifft uns alle, aber sehr unterschiedlich. Der Beitrag möchte Jurist:innen bei einem rassismuskritischen Blick auf das Recht unterstützen. Liebscher skizziert dazu zunächst Referenzen, Prämissen und Kontroversen rassismuskritischer Rechtswissenschaft im deutschsprachigen Rechtskontext, wobei sie auf die Erkenntnisse von Critical Race Theory zurückgreift. Sie nimmt dann rassismustheoretische Begriffsklärungen vor und systematisiert schließlich die Vielfalt der Rassismen - individuell, institutionell, strukturell, die sich im Recht zeigen können.
Wie kolonial ist Österreichs Rechtsgeschichte?
Was hat die Pragmatische Sanktion mit Österreichs Kolonialgeschichte zu tun? Österreichs (Rechts)Geschichte setzte sich bisher nur selten mit der Rolle der Habsburgermonarchie und der Republik während des Kolonialismus auseinander. Dieser Beitrag möchte sich dem Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln annähern. Nach einer kurzen Einführung in die unterschiedlichen Episoden österreichisch(-ungarisch)er Kolonialgeschichte wird der Fokus auf die Rechtsgeschichte gelegt. Hierfür werden verschiedene Zugangsweisen zur weiteren Erforschung der kolonialen Geschichte Österreichs und ihres Einflusses auf das Recht skizziert. Dabei wird zwischen einem wissenschaftsgeschichtlichen, wirtschaftsrechtsgeschichtlichen und personenrechtsgeschichtlichen Ansatz unterschieden. Der Text endet mit einem Appell, den bisher blassen Konturen von Österreichs Kolonialgeschichte mit einer verstärkten Aufmerksamkeit für dieses Forschungsfeld einen stärkeren Anstrich zu verleihen.
Rassismus aus der Perspektive materialistischer Staatstheorie
Der Artikel unternimmt eine Theoretisierung von Rassismus und Staatlichkeit ausgehend von einer materialistischen Theorie des bürgerlichen Staates. Zunächst werden poststrukturalistische und weberianische Zugänge, die versuchen moderne Staatlichkeit und Rassismus zusammenzudenken, einer Kritik unterzogen und anschließend wird eine alternative Konzeption entwickelt. Diese versteht Rassismus auf der ideologischen Ebene als Legitimationsidee für die von bürgerlichen Nationalstaaten systemisch produzierten Ungleichheiten, die vor dem Hintergrund moderner Vorstellungen naturrechtlicher Gleichheit gerechtfertigt werden müssen. Auf der strukturellen Ebene zeigt der Artikel, am Beispiel des modernen Wohlfahrtsstaates, wie das in ihm verdichtete Kräfteverhältnis auf dem rassistischen Ausschluss von nicht zugehörigen Anderen basiert.
Bekämpfung des Rassismus und der Diskriminierung in Deutschland
Dieser Artikel bietet einen Überblick über den aktuellen rechtlichen Kontext im Hinblick auf die Bekämpfung des Rassismus und der rassischen Diskriminierung in Deutschland. Das grundgesetzliche Diskriminierungsverbot wegen der Rasse hat bisher ein Schattendasein geführt. Es wurde vom BVerfG kaum behandelt. In den letzten Jahren haben vor allem Racial-Profiling-Fälle zu einer Entwicklung der Rsp mit Bezug auf Art 3 Abs 3 S 1 GG beigetragen. Die rassistischen Anschläge in Hanau im Jahr 2020 und der Mord an dem Afroamerikaner George Floyd haben eine Rassismusdebatte angestoßen, die zu einer größeren Aufmerksamkeit für den Rassismus und die strukturelle Diskriminierung geführt hat. Der Diskurs um den Rassebegriff, der seit Jahren geführt wird, wurde mit der Forderung wieder aufgegriffen, Rasse aus dem Grundgesetz zu streichen.