Homo homini lupus est

"Unbegrenzter Zugang zu staatlich regulierter Abtreibung in Verbindung mit den gegenwärtig perfektionierten Techniken zur Entdeckung von Chromosomenanomalien wird uns von einer hohen Prozentzahl aller Geburten befreien, die heute unkontrollierbare Defekte darstellen. Kein Elternpaar wird in dieser Zukunft das Recht haben, die Gesellschaft mit einem missgestalteten oder geistig unfähigen Kind zu belasten."*

Die rechtliche Regelung der Fortpflanzungshilfe (der Reproduktionstechnologien auf Deutsch) harrt hierzulande noch ihrer Lösung, während unsere Nachbarn am 24. 10. 90 ein diesbezügliches Gesetz erlassen haben. Die SPD begrüßte Teile des Gesetzes, ortete jedoch überwiegend gravierende Mängel, insbesondere dort, wo zum Ausschluss erblicher Krankheiten GEN-Manipulation erlaubt bleiben soll. Damit sei laut SPD eine Grauzone der Forschung geblieben und somit auch die Gefahr der GEN-Manipulation. Daher lehnten SPD und Grüne das Gesetz ab. Durch die Stimmenmehrheit der Koalitionspartner kam es aber dennoch zustande.

Zur Problematik der Normierung im Bereich der GEN-Forschung meint Harald Wosihnoj vom Genetischen Netzwerk anlässlich der laufenden GEN-Diskussion der Zeitschrift FORVM **: 'Es ist eine völlige Illusion zu glauben, dass es irgendwelche durchsetzbaren Gesetzeswerke zur GEN-Technik geben wird, die z.B. der Öffentlichkeit auch das Recht einräumen, ein Projekt gegebenenfalls zu stoppen. Wenn die Gesellschaft entscheidet, dass sie ein bestimmtes Verfahren oder Produkt nicht will, muss sie zum Wissenschaftler werden und begründen, warum nicht. Wenn sie sich darauf einlässt wie im Falle Zwentendorf, dann wird es bei der Gen-Technik nicht akzeptiert werden. Zu groß ist die Versuchung (Beispiel Dänemark), dass die Unternehmer einfach sagen: 'Wenn ihr das Gesetz nicht kräftig entschärft, wenn ihr von eurem Level der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht unbedingt heruntergeht, ja dann machen wir unsere Produktionen in Irland oder Japan und nicht in Dänemark.' Dass es in diesem Bereich nicht nur um die Freiheit der Wissenschaft und Forschung geht, erwähnt auch Sonja Puntscher-Riekmann (Grüne Alternative) in derselben Diskussion: Das Interesse zu wissen, wie eine Zelle funktioniert, ist ja der Urtrieb der Wissenschaft. Ein uralter Traum, und jetzt glaubt man plötzlich, kurz vor der Wahrheit zu stehen. Ich kann diesen Antrieb sehr gut verstehen, auch dass man jede Angst abblockt mit dem Satz: 'Es ist nicht mehr als Aufklärung.' Und erst in einem zweiten Moment kommt im Anwendungsbereich dazu, dass es natürlich auch andere Interessen gibt und nicht nur 'wie funktioniert ein Teil des menschlichen Körpers und wie funktioniert er im Ganzen', sondern auch 'was mache ich damit und wem nützt es'. Wie schon im JURIDIKUM 4/90 angedeutet, ist die GEN-Manipulation im Bereich der menschlichen Reproduktion nur ein Anwendungsbereich der BIO-Technologie, dennoch lässt sich gerade hier am deutlichsten die Vielzahl kollidierender Interessen nachzeichnen, sowie deren Bewertung. Durchaus allgemeinverständliche Argumente müssen immer wieder herhalten, um Kuriositäten zu legitimieren. Auch das deutsche Reproduktionsgesetz hat ein CDU-Sprecher schlüssig begründet: Die Chancen, Frauen bei ungewollter Kinderlosigkeit zu helfen, müssen genutzt werden, und bei aller Angst vor Missbrauch dürfe man die Forschung nicht allzu sehr einschränken.

Am Anfang war der Kinderwunsch. Frau und Mann werden sich wohl in den folgenden Jahren mit der zunehmenden Unfruchtbarkeit infolge zunehmender Umweltzerstörung abfinden müssen. So hat sich der Anteil der ungewollt kinderlosen Ehen in der Bundesrepublik in den letzten 20 Jahren von 7 auf 15 Prozent mehr als verdoppelt, wobei der Anteil von Berufsgruppen, die mit Chemikalien und Pestiziden arbeiten, überproportional hoch ist. Eine andere Ursache ungewollter Kinderlosigkeit könnte auch der enorme Stress sein, dem Frau ausgesetzt ist, wenn man und die Umwelt einen Thronfolger erwarten. An diesem Punkt setzt die altruistische Forschungsmaschinerie an, um der Frau ihre Existenzberechtigung zu verschaffen. Die Anzahl von lebend geborenen Kindern durch künstliche Befruchtung ist äußerst gering (bei 5-10%). Diese Zahlen werden häufig verfälscht, da in den Statistiken alle erfolgten Schwangerschaften nach einem Embryotransfer erfasst werden. Die Kosten einer 'Behandlung' (im Patriachat gilt unfruchtbar gleich krank) liegen bei 35.000 bis 50.000 Schilling. Viel Geld für ein so zweifelhaftes Unterfangen; dafür wird aber auch etwas geboten: Zum Ablauf der Befruchtung sei auf den 1. Teil der Serie verwiesen. Im folgenden zur 'Follikelentnahme'. Diese werden mittels 1. Laparoskopie (Bauchspiegelung) 2. Transvesikal (durch die Harnblase hindurch) 3. Vaginal-Scanner (Stab mit einer Sonde, die Ultraschallwellen aussendet und mittels Monitor die Follikel sichtbar macht) punktiert und abgesaugt. Bei der Laparoskopie wird Gas in den Bauchraum gepumpt (das Gas entweicht nicht sofort nach dem Eingriff, sondern wird langsam durch die Poren der Haut ausgeatmet, das dauert einige Tage und ist infolge des dabei entstehenden Druckes äußerst unangenehm) und durch den Bauchnabel ein Sehrohr eingeführt. Beim Ansatz der Schamhaare werden noch zwei Nadeln eingestochen, eine, um die Eierstöcke mit einer Faßzange zu ergreifen, die andere zum Anstechen und Absaugen der Follikel. Die ganze Prozedur wird unter Vollnarkose durchgeführt. Bei der 2. Methode wird anstatt des Sehrohrs Ultraschall verwendet und die Nadel wird durch die Blase eingestochen. Dieser Eingriff kann mit Lokalanästhesie gemacht werden. Der Vaginal-Scanner ist ein Stab mit einer Sonde und links und rechts der Sonde sind die Vorrichtungen für die Nadel-führungen angebracht. Mittels Monitor sieht man die Eizellen, die entweder mit der Schusspistole oder freihändig punktiert werden. Anschließend an die Punktion können Schmerzen im Unterbauch und ein ziehender Harndrang entstehen. Gleichzeitig kann der Harn blutig verfärbt sein, bzw. können Blutgerinnsel abgehen. Solange diese Beschwerden auf den Unterbauch beschränkt bleiben, sind es normale Beschwerden. Also alles halb so schlimm! Dieser Vorgang, und das ist 'der neueste Schrei', kann mitgefühlt werden (auf Verlangen werden schmerzstillende Medikamente verabreicht). Das Anstechen und Herausziehen der Nadel aus dem Eibläschen ist allerdings sehr schmerzhaft.

Die Samengewinnung beim Mann erfolgt durch Masturbation, seine Stimulationsförderer sind Hartpornos. Ab dem Moment der in-Vitro Befruchtung (im Teil 1 beschrieben), ergibt sich die Möglichkeit zur Gen-Manipulation an den befruchteten Eizellen. Die Forschung geht hier in mehrere Richtungen. So wird laut Gena Corea fieberhaft am künstlichen Uterus gebastelt, um vordergründig die Entwicklung eines Embryos zum Beispiel durch ein Glasfenster beobachten zu können, hintergründig steht uns die Befreiung des Patriarchats von der dunklen, gefährlichen Gebärmutter bevor?! Bedenkt frau, dass die Vorausbestimmung des Geschlechts über kurz oder lang möglich sein wird, ist uns ein prontosaurisches Schicksal sicher. Wer ihnen dann wohl die Socken wäscht? Dennoch phantasiert hier nicht die Autorin, befindet sie sich doch in bester Gesellschaft mit namhaften Gen-Technikern. Assoziationen mit den eugenischen Visionen der Nazis drängen sich dann auf, wenn der amerikanische Eugeniker Hermann J. Muller, der Organisator des 7. Genetiker Kongresses von Edinburgh bei einem CmASymposium in London meinte, dass der genetische Fortschritt durch planmäßige Samenwahl möglich sei; weiter: dass die Gesellschaft denen wirkungsvoll zu Hilfe kommt, die aus irgendwelchen Gründen (umweltbedingten oder genetischen) physisch, geistig oder moralisch (?) schwächer als der Durchschnitt sind. Wenn man aber genetische Verschlechterungen vermeiden will, dann dürfen in jeder Generation jene etwa 20 % der Bevölkerung, die schwerer als der Durchschnitt mit genetischen Fehlern belastet sind, entweder nicht bis zur Geschlechtsreife gelangen; wenn sie aber leben, so dürfen sie sich nicht fortpflanzen. Er spricht ganz offen davon, dass künstliche Wesen geschaffen werden müssten und wir unter den vorhandenen Genotypen diejenigen auswählen, um geplante Umwandlungen in ihnen vorzunehmen. Frankensteins Ekstase."

  • *. B. Glass in seiner Abschiedsrede als scheidender Vorsitzender der Amerikanischen Gesellschaft für Fortschritt der Wissenschaft
  • **. Forvm Gen-Diskussion Jan 89 bis Feb91; Gena Corea: Muttermaschine; Sabine Rosenbladt: Biotopia; Johanna Riegler
Fotos & Illustrationen des Artikels: 
Klone?