Der Beitrag geht der Frage nach, ob Menschen mit Behinderungen ihr Recht auf Autonomie und Selbstbestimmung im Bereich Wohnen aufgrund von vorherrschenden ableistischen Vorstellungen von Fähigkeiten im Gesetz ausreichend wahrnehmen können. Die Modelle von Behinderungen aus den Dis/Ability Studies als auch die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) dienen als Schablone für die Untersuchung, welche Definitionen von Behinderung und welche Haltungen in den Sozialhilfe- und Behindertenhilfegesetzen dominieren. Bis auf das Tiroler Teilhabegesetz (TTHG) verwenden alle Landesgesetze eine medizinisch defizitorientierte Definition von Behinderung. Dieses Gesetz kennt auch als einziges den Begriff Autonomie. Obgleich es eine große Vielfalt an Unterstützungsangeboten für den Lebensbereich Wohnen in den Gesetzen gibt und die Länder ohne zentrale Vorgaben des Bundes agieren können, dominieren nach wie vor die Angebote institutioneller Versorgung für Menschen mit Behinderungen.
Grenzen und Möglichkeiten von Selbstbestimmt Leben und Autonomie für Menschen mit Behinderungen
Mit Leichter Sprache (Un)Recht verstehen
Zugang zu Informationen ist ein Menschenrecht und Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe, Selbstbestimmung und die Ausübung von Rechten. Für behinderte Menschen ist der Zugang zu Informationen oft erschwert, sei es wegen mangelnder Barrierefreiheit oder weil sie kaum Zugang zu Medien und Bildung haben. Besonders davon betroffen sind Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Sie sind auf Informationen in Leichter Sprache angewiesen und leben oft in exkludierenden Settings wie stationäre Einrichtungen. Anhand von zwei Beispielen aus der Arbeit des Bochumer Zentrums für Disability Studies wird gezeigt, welche Rolle Leichte Sprache für die Zugänglichkeit und den Transfer von Menschenrechtswissen spielen und Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen bei der Ausübung ihrer Rechte unterstützen kann.
Die Welt nach meinen Wünschen und Vorstellungen
Mit Inkrafttreten des 2.Erwachsenenschutz-Gesetzes am 1.Juli 2018 wurde das Recht der gesetzlichen Vertretung Volljähriger mit einer psychischen Erkrankung oder intellektuellen Beeinträchtigung grundlegend reformiert. Neben einer Neuregelung der bisherigen Sachwalterschaft wurden neue Rechtsinstitute eingeführt, welche die Selbstbestimmung der Betroffenen in den Mittelpunkt stellen. Der Gesetzgeber hat mit dieser Reform das Ziel verfolgt, die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention innerstaatlich umzusetzen. Eine Beschränkung der Autonomie darf nur solange und insoweit erfolgen, als dies unvermeidlich ist. Der gesetzliche Vertreter wird in jedem Fall verpflichtet, die Wünsche der vertretenen Person nach Möglichkeit umzusetzen, selbst dann, wenn diese wider die Vernunft gerichtet sind. Maßgeblich für die Vertretungstätigkeit sind nicht (mehr) rein objektive Maßstäbe, sondern der Wille und die Vorstellungen der Betroffenen.
Corona, die Schule und das Recht auf Bildung
Der Beitrag beleuchtet die zum Teil fehlenden rechtlichen Grundlagen für die Anordnung des Fernunterrichts während der Corona-Pandemie 2020, die Probleme bei dessen Durchführung und die Auswirkungen der Verweigerung von Betreuung an den Schulen. Die Betrachtung der sozialen Institution Schule nimmt dabei einen großen Teil ein: Für viele Schüler*innen ist sie nicht nur jene Einrichtung, die ihr Recht auf Bildung verwirklichen soll, sondern die einen emotionalen und strukturgebenden Ankerpunkt darstellt, der ihrer persönlichen Entwicklung dienen sollte. Während der Zeit des Fernunterrichts litten besonders jene sozioökonomisch benachteiligten Schüler*innen, die diese Struktur am meisten gebraucht hätten. Diese Struktur in Form der Betreuung wurde ihnen, entgegen der Vorgaben der Bildungsbehörden durch die Schulen, zum Teil verweigert. Ein eindeutiges Fazit, ob der Umgang des Schulsystems mit dem Coronavirus das Recht auf Bildung verletzte, lässt sich ohne Kenntnis der mittel- und langfristigen Auswirkungen nicht ziehen.