Mit dem Begriff ziviler Ungehorsam wird beansprucht, dass eine illegale Protestaktion trotz ihrer Illegalität legitim ist. Philosophische Theorien zivilen Ungehorsams geben Antworten auf die Frage, worauf sich diese Legitimität stützt. Dieser Text versucht zu zeigen, dass dabei das Grundprinzip der Gleichheit eine entscheidende Rolle spielt. Entgegen dem verbreiteten Argument, die Übertretung von Gesetzen, um politische Änderungen herbeizuführen, sei arrogant, nehmen Aktivist*innen in zivilem Ungehorsam ihr Gegenüber als Gleiche ernst. Ich werde zunächst zeigen, wie das, in Anlehnung an liberale und deliberativ-demokratische Theorien, durch die Ausrichtung dieser Protestform auf einen öffentlichen Dialog und ihre prinzipielle Rechtstreue begründet werden kann. Daraufhin sollen Zweifel radikalerer Theorien an dieser Ausrichtung vor dem Hintergrund des Prinzips der Gleichheit besprochen werden. Diese stellen sich dabei zum Teil als berechtigt heraus, greifen aber nur soweit als dadurch die Anbindung zivilen Ungehorsams an das Prinzip der Gleichheit nicht verloren geht.
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Gleichheit und ziviler Ungehorsam
Vom Wert der Versammlungsfreiheit im demokratischen Rechtsstaat
Teile der Politik fordern ein härteres Vorgehen gegen die verkehrsbehindernden Protestaktionen von Klimaaktivist:innen, zuletzt etwa vermehrt in Zusammenhang mit den „Klimakleber:innen“ der Letzten Generation. Derzeit wird das Festkleben auf der Straße in erster Linie verwaltungsstrafrechtlich geahndet; es drohen Geldstrafen. Aus Niederösterreich wurde aber bereits ein Vorschlag für eine Novelle des Versammlungsgesetzes vorgelegt, die auch Freiheitsstrafen vorsieht. Tatsächlich ist die Versammlungsfreiheit ein verfassungsrechtlich garantiertes Grundrecht, das sowohl in der Europäischen Menschenrechtskonvention als auch in der Grundrechtecharta verankert ist und einen Eckpfeiler des demokratischen Rechtsstaats darstellt. Höhere Strafen stellen demokratiepolitisch bedenkliche Einschüchterungsversuche dar. Der vorliegende Beitrag soll untersuchen, inwieweit derartige Vorstöße zur Straferhöhung im Spannungsverhältnis zum Recht auf Versammlungsfreiheit stehen.
Die „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ des Bezugs von Sozialhilfeleistungen als Hürde am Weg zur Staatsbürgerschaft
Der VwGH behandelte in VwGH 12.12.2019, Ro 2019/01/0010 die Rechtsfrage, ob für die Beurteilung der in § 10 Abs 1 Z 7 iVm Abs 5 StbG normierten „Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen“ eine „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ geboten ist. Das Höchstgericht befasste sich im Kern damit, ob Sozialhilfeleistungen, die von einer dritten, im selben Haushalt lebenden Person bezogen werden, ebenso der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft entgegenstehen, wie direkt von der antragsstellenden Person bezogene Sozialhilfeleistungen und bejahte dies, sofern nicht der Beweis des Gegenteils erbracht wird. Der Beitrag befasst sich mit diesem Erkenntnis des VwGH und bearbeitet die Frage, ob oder inwieweit dieses als eine ökonomische und soziale Hürde am Weg zur Einbürgerung anzusehen ist.
Why the Israeli Constitutional Putsch is Unconstitutional
This article defends the claim that the constitutional proposals made in the 25th Knesset are unconstitutional and should be invalidated by the Israeli Supreme Court (the Court). I defend this claim on the basis of three grounds. First, I show that normatively speaking, every liberal democracy has principles, which bind the legislature and to do so effectively, these principles must be defended by courts. Second, I show that in other legal systems, courts have participated in the very construction of the Constitution, and that contrary to a common view, courts are partners in the very creation of the Constitution. This is true both in countries with a written constitution, such as the US, and countries, which have no such constitution, such as Britain and other common law jurisdictions. Last, I show that established Israeli precedents support the claim that the proposed constitutional amendments are unconstitutional. Hence, I conclude by arguing that the Court should declare that these proposals are invalid.
Alternativer Geschlechtseintrag für transidente Personen
Dieser Artikel befasst sich mit dem Zugang zu Geschlechtseinträgen abseits von „männlich“ und „weiblich“ im österreichischen zentralen Personenstandsregister. Als Ausgangspunkt dient die E G 77/2018 des VfGH, mit der dieser aussprach, dass die Beschränkung der Eintragungsmöglichkeiten auf „männlich“ und „weiblich“ nicht verfassungskonform ist. Anhand der Judikatur des VwGH und dem Erlass des BMI führt der Artikel aus, unter welchen Voraussetzungen alternative Geschlechtseinträge bisher vorgenommen wurden. Anschließend werden zwei Erkenntnisse des VwG Wien behandelt, aufgrund derer für Personen, bei denen keine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ vorliegt, ein alternativer Geschlechtseintrag vorzunehmen ist, wobei eines dieser Erkenntnisse einen selbstbestimmten Geschlechtseintrag vorsieht.
Der irreführende oder falsche Informationsrealakt
Das OLG Wien ging in seinen ersten Entscheidungen zum „Corona-Ischgl-Komplex“ davon aus, dass die vom Land Tirol herausgegebene Medieninformation vom 5.3.2020 als eine „in Vollziehung der Gesetze“, demnach hoheitlich, ausgeführte Handlung zu qualifizieren sei, die inhaltlich falsch bzw irreführend, und – weil sie wider besseren Wissens erfolgte – rechtswidrig und schuldhaft (weil unvertretbar) gewesen ist. Dies löse eine grundsätzliche Haftung der Republik Österreich als beklagte Partei aus.
Die Angst vor den Höchstgerichten
Während in früheren Massencausen sowohl Schädiger_innen als auch geschädigte Personen nach Einleitung der Gerichtsverfahren an einer möglichst raschen Klärung der Rechtsfragen durch Höchstgerichte interessiert waren, hat sich dies bei der neuesten Massencausa Volkswagen drastisch verändert: Die Volkswagen AG versucht in Österreich, die Klärung von Rechtsfragen durch Höchstgerichte zu verhindern. Dies hat gravierende Auswirkungen auf die Gerichtslandschaft, den Rechtsfrieden und das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz. Der folgende Beitrag versucht, diese Probleme, aber auch die Gegenstrategien der Gerichte, zu beleuchten.
Machtlosigkeit in Machtstrukturen
Seit September 2022 gibt es die vera* Vertrauensstelle gegen Belästigung und Gewalt in Kunst, Kultur und Sport, die im Jahr 2021 durch einen Entschließungsantrag des Nationalrats initiiert wurde. Erfahrungsberichte und Beschwerden haben gezeigt, dass das Problem von sexuellen Belästigungen und toxischen Machtstrukturen in Kunst und Kultur auch hierzulande besteht. In diesem Text werden die wichtigsten Aspekte der Arbeit von vera* beleuchtet.
Fedotova
Zu Jahresbeginn verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Russland für die Unterlassung der Schaffung jeglicher rechtlicher Möglichkeiten iSe zivilrechtlichen Partnerschaft und verfestigt damit die positive Verpflichtung von Staaten, diese einzuführen.