Dieser einleitende Beitrag des Zeitschriftenschwerpunkts „Krise“ soll den Begriff der Krise beleuchten und für die spätere rechtswissenschaftliche Thematisierung in weiteren Beiträgen aufbereiten. Zunächst wird eine allgemeine Definition sowie eine interdisziplinäre Kategorisierung vorgestellt, anhand derer bestimmte Grundmerkmale öffentlicher Krisen erklärt werden. Auf dieser Basis wird die Verwendung des Begriffs in Politik, Medien und Recht thematisiert.
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„Krise“
Verfassungsrechtliche Dimensionen der Vielfachkrise
Verfassungskrisen unterscheiden sich von gesellschaftlichen Krisen dadurch, dass es insb zur Ineffektivität zentraler verfassungsrechtlicher Institutionen oder zu Verstößen gegen die Verfassung durch verfassungsrechtliche Institutionen kommt. Fallbeispiele, wie der Ortstafelkonflikt, finden sich in Österreich nicht zahlreich; Entwicklungen rund um den Ibiza-Untersuchungsausschuss zeigen aber wie rasch Demokratie und Rechtsstaat unter Druck geraten können. Die Aufrechterhaltung von Rechts- und Verfassungsstaatlichkeit hängt dabei zentral von der bestehenden Verfassungskultur der verfassungsrechtlichen Institutionen ab.
Geld in der Krise
Der Beitrag skizziert zwei Ansätze, Geld in Europa in den Dienst sozialökologischer Transformation zu stellen. Der eine fordert, Geldpolitik stärker an den Werten und Zielen der Europäischen Union auszurichten und demokratisch zu legitimieren. Der andere setzt am Design des Geldes an. Sowohl die Einführung digitalen Zentralbankgelds als auch Experimente mit Komplementärwährungen eröffnen Optionen für ein Re-Design, das Geld und Zugang zu Kredit demokratisiert und Wertschöpfung solidarischer sowie ökologischer gestaltet.
The COVID-19 Pandemic as “Public Emergency”
States have deviated from human rights obligations by taking legal measures to combat the pandemic spread of the SARS-CoV-2 virus (COVID-19), raising a wide range of challenges with respect to necessity and proportionality considerations. Within this broad spectrum, the present paper focuses on derogation clauses in international human rights treaties. It notably seeks to answer the questions of whether, taken in abstract terms, a pandemic qualifies as a (health) emergency for the purposes of triggering the derogation clauses in such treaties and whether this holds true for the COVID-19 pandemic more specifically.
Die „Pflegekrise“ als Krise der Arbeit sichtbar machen
Im Kontext der Pflege und Personenbetreuung sind durch die Coronakrise Problemlagen und Strukturen zu Tage getreten, die ansonsten weitgehend unsichtbar bleiben. Die Herausforderungen, die sich den Betreuer:innen stellen, sind zwar im Zuge der Krise besonders deutlich geworden, aber keinesfalls nur durch sie bedingt. 24-Stunden-Betreuer:innen kämpfen seit Jahren für eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen und höhere Werklöhne, wobei angesichts der massiven Abhängigkeit von Vermittlungsagenturen oder von ihren Klient:innen und deren Angehörigen insb die Anerkennung ihrer Tätigkeit als Arbeitsverhältnis im Zentrum steht. Dieser Beitrag nimmt einerseits Zuspitzungen in der Praxis angesichts der Coronakrise in den Blick und beleuchtet andererseits die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die – auch unabhängig von der Pandemie – im Argen liegen.
Politische Ökonomie der Vielfachkrise
Der Beitrag ordnet einige der multiplen Krisenphänomene der Gegenwart politökonomisch ein und fokussiert dabei besonders auf das Kapitalverhältnis und die Kanäle über die dieses Recht und Ungleichheit (re-)produziert. Unter analytischem Bezug auf Verschiebungen im Verhältnis der privaten zur öffentlichen Sphäre in den Regulierungs-, Modulierungs- und Steuerungstechniken von Wirtschaft und Gesellschaft wird ein Streifzug in die diversen Krisen der Gegenwart und ihre Bewältigungsstrategien unternommen. Der Beitrag schließt mit einer Annäherung an eine weiter gefasste, integrierte Wirtschaftsverfassung, die neben den Marktfreiheiten die anderen wirtschaftlichen, kollektiven, sozialen und politischen Grundrechte und Garantien und damit eine für ein gutes Leben fundamentale Grundversorgung realisiert.
Austritt der Türkei aus der Istanbul Konvention
Im März 2021 trat die Türkei mittels Präsidialdekret aus der Istanbul Konvention aus. Dies löste eine große Protestwelle aus. Der Austritt wurde mit der Wahrung der familiären Einheit und dem ausreichenden nationalen Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt begründet. Dieser Text beschäftigt sich mit der Rechtmäßigkeit des Austritts. Der türkische Staatspräsident hat mit Austritt per Präsidialdekret womöglich gegen seine verfassungsrechtlich verankerten Befugnisse verstoßen. Weiter umstritten bleibt die Frage, ob eine innerstaatlich rechtwidrige Kündigung Auswirkungen auf die völkerrechtliche Gültigkeit eines Vertrages hat.
Das Mindesthaltbarkeitsdatum
Der Umstand, dass bis zu einem Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel weggeworfen und damit nicht ihrem bestimmungsgemäßen Zweck zugeführt werden ist aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Sicht nicht wünschenswert. Aus diesem Grund wird ein näherer Blick auf das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) geworfen. Dazu sind die europarechtlichen Rahmenbedingungen, in denen die Verpflichtung zur Angabe der Mindesthaltbarkeit eingebettet ist, beachtlich. Zudem stellt sich insbesondere auch im Hinblick auf den Verkauf bereits abgelaufener Produkte die Frage, inwieweit ein MHD auch gewährleistungsrechtliche Folgen hat. Zentral ist dabei die Beurteilung folgender Frage, nämlich ob ein Lebensmittel alleine aufgrund eines überschrittenen MHDs mangelhaft ist. Insgesamt zeigt sich, dass die verfolgten Ziele der europäischen und nationalen Gesetzgeber, nämlich jenes des Verbraucherschutzes und gleichzeitig auch der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit und der bestmöglichen Vermeidung von Lebensmittelverschwendung oft nicht Hand in Hand zu gehen scheinen. So zerrt eine vernünftige Grenzziehung zwischen vorzeitiger Aussonderung um die bestmögliche Qualität von Lebensmitteln zu gewährleisten - was aus Verbraucherperspektive wünschenswert ist – und dem gewissermaßen entgegengesetzten Konzept Lebensmittel so lange als möglich im Wirtschaftskreislauf zu halten.
Der Kampf um das Strafrecht
Der Sammelband umfasst 27 Beiträge von Richard Soyer, Alexia Stuefer und teilweise weitere Autor*innen, deren inhaltliche Bandbreite sich von tagesaktuellen strafrechtlichen Fragestellungen bis zu grundlegenden Thematiken der Kriminalpolitik erstreckt. Die Autor*innen treten hierbei für einen liberalen, rationalen sowie evidenzbasierten Zugang und gegen aktuell erkennbare „Aufrüstungstendenzen“ in der Strafrechtspolitik ein.
Rezension zu: Richard Soyer/Alexia Stuefer, Der Kampf ums Strafrecht, 2020, Verlag Österreich, 135 Seiten, ISBN 978-3-7046-8620-6
Autokratisierungstendenzen
Angriffe auf den Rechtsstaat, Missachtung des Parlaments und seiner Kontrollfunktion, steigender parteipolitischer Zugriff auf die Medien: Österreich zeigt in jüngster Zeit Entdemokratisierungstendenzen, die sich in die globale dritte Welle der Autokratisierung einreihen. Internationale Demokratieindices weisen Österreich ua im Bereich der politischen Kultur nunmehr als „beschädigte Demokratie“ aus. Die Coronakrise und der zeitgleich abgehaltene Ibiza-Untersuchungsausschuss verdeutlichten allerdings nicht nur die Schwächen der demokratischen Praxis, sondern belegten auch die in der Literatur genannten Stützen der Demokratie, die neben einer wachsamen Zivilgesellschaft va in der unabhängigen Justiz und im öffentlichen Dienst zu finden sind.