Der Beitrag ordnet einige der multiplen Krisenphänomene der Gegenwart politökonomisch ein und fokussiert dabei besonders auf das Kapitalverhältnis und die Kanäle über die dieses Recht und Ungleichheit (re-)produziert. Unter analytischem Bezug auf Verschiebungen im Verhältnis der privaten zur öffentlichen Sphäre in den Regulierungs-, Modulierungs- und Steuerungstechniken von Wirtschaft und Gesellschaft wird ein Streifzug in die diversen Krisen der Gegenwart und ihre Bewältigungsstrategien unternommen. Der Beitrag schließt mit einer Annäherung an eine weiter gefasste, integrierte Wirtschaftsverfassung, die neben den Marktfreiheiten die anderen wirtschaftlichen, kollektiven, sozialen und politischen Grundrechte und Garantien und damit eine für ein gutes Leben fundamentale Grundversorgung realisiert.
Politische Ökonomie der Vielfachkrise
Grenzenloses Europa in Zeiten von Corona
Die Personenfreizügigkeit gilt als eine der wichtigsten Errungenschaften der EU. Nach der sogenannten „Migrationskrise“ 2015 ist Schengen nun wieder in Gefahr. Unter dem Schengen-Regime dürfen MS nur unter bestimmten Umständen und für streng begrenzte Zeiträume Grenzkontrollen einführen. Angesichts der Verbreitung des Coronavirus haben viele der MS Binnengrenzkontrollen und -schließungen sowie Reiseverbote mit der Begründung einer unmittelbaren Bedrohung der öffentlichen Ordnung eingeführt. Diese Handlungen stellen einen tiefgreifenden Eingriff in die Grund- und Freizügigkeitsrechte des Einzelnen dar. Die Corona-bedingten Maßnahmen und ihre Recht- bzw Verhältnismäßigkeit werden in diesem Artikel kritisch analysiert und bewertet. Der Artikel zeigt, dass die Wiedereinführung von Grenzkontrollen, gerechtfertigt durch den Gesundheitsnotstand und kompensiert durch innovative Lösungen (zB „green lanes“), normalisiert wurde und Fragen über die Zukunft der europäischen Solidarität aufwirft.