Der Artikel diskutiert das Konzept eines Grundrechts auf zivilen Ungehorsam in Österreich. Es wird argumentiert, dass die Rechtsordnung nur Individualrechte einräumt, solange sie sich selbst nicht gefährdet sieht. Ein Grundrecht auf zivilen Ungehorsam könnte eine Schranke für staatliches Verhalten und eine Rechtfertigung für Verstöße gegen einfache gesetzliche Normen sein, insbesondere wenn es um den Schutz von Umwelt, Lebensraum und Freiheit geht. Dieses Grundrecht würde einen wichtigen Beitrag zur Erneuerung und Ausfüllung des Grundrechtskatalogs leisten und die demokratische Partizipation fördern. Es wird betont, dass ein solches Grundrecht die staatliche Autorität nicht untergräbt, sondern den demokratischen Staat bereichert. Die Einführung dieses Grundrechts würde sicherstellen, dass der Vorrang gegenüber einfachgesetzlichem staatlichen Verhalten gewahrt bleibt.
Ein Grundrecht auf politischen Widerstand?
Gleichheit und ziviler Ungehorsam
Mit dem Begriff ziviler Ungehorsam wird beansprucht, dass eine illegale Protestaktion trotz ihrer Illegalität legitim ist. Philosophische Theorien zivilen Ungehorsams geben Antworten auf die Frage, worauf sich diese Legitimität stützt. Dieser Text versucht zu zeigen, dass dabei das Grundprinzip der Gleichheit eine entscheidende Rolle spielt. Entgegen dem verbreiteten Argument, die Übertretung von Gesetzen, um politische Änderungen herbeizuführen, sei arrogant, nehmen Aktivist*innen in zivilem Ungehorsam ihr Gegenüber als Gleiche ernst. Ich werde zunächst zeigen, wie das, in Anlehnung an liberale und deliberativ-demokratische Theorien, durch die Ausrichtung dieser Protestform auf einen öffentlichen Dialog und ihre prinzipielle Rechtstreue begründet werden kann. Daraufhin sollen Zweifel radikalerer Theorien an dieser Ausrichtung vor dem Hintergrund des Prinzips der Gleichheit besprochen werden. Diese stellen sich dabei zum Teil als berechtigt heraus, greifen aber nur soweit als dadurch die Anbindung zivilen Ungehorsams an das Prinzip der Gleichheit nicht verloren geht.
Vom Wert der Versammlungsfreiheit im demokratischen Rechtsstaat
Teile der Politik fordern ein härteres Vorgehen gegen die verkehrsbehindernden Protestaktionen von Klimaaktivist:innen, zuletzt etwa vermehrt in Zusammenhang mit den „Klimakleber:innen“ der Letzten Generation. Derzeit wird das Festkleben auf der Straße in erster Linie verwaltungsstrafrechtlich geahndet; es drohen Geldstrafen. Aus Niederösterreich wurde aber bereits ein Vorschlag für eine Novelle des Versammlungsgesetzes vorgelegt, die auch Freiheitsstrafen vorsieht. Tatsächlich ist die Versammlungsfreiheit ein verfassungsrechtlich garantiertes Grundrecht, das sowohl in der Europäischen Menschenrechtskonvention als auch in der Grundrechtecharta verankert ist und einen Eckpfeiler des demokratischen Rechtsstaats darstellt. Höhere Strafen stellen demokratiepolitisch bedenkliche Einschüchterungsversuche dar. Der vorliegende Beitrag soll untersuchen, inwieweit derartige Vorstöße zur Straferhöhung im Spannungsverhältnis zum Recht auf Versammlungsfreiheit stehen.