Neue höchstgerichtliche Entscheidungen setzen sich mit dem Rechtsschutz in Klima- und Umweltfragen auseinander: Der Verfassungsgerichtshof wies einen Antrag auf Aufhebung von Teilen des Klimaschutzgesetzes zurück, der sich auf die Kinderrechte der Antragsteller_innen stützte. Frühere Klimaklagen scheiterten vor dem VfGH wiederholt wegen fehlender Antragslegitimation. Bei der neuesten Entscheidung thematisierte er dies zwar, ließ aber letztlich offen, ob die eng interpretierten Voraussetzungen der Antragslegitimation erfüllt waren ...
Bleibt die Antragslegitimation Türhüter für Klimaklagen?
Vom Recht auf saubere Luft
Das Immissionsschutzgesetz-Luft sieht bei Überschreitungen von Grenzwerten für Luftschadstoffe vor, dass ein Luftreinhalteprogramm zu erstellen ist. In diesem sind Maßnahmen zu beschreiben, durch die die Einhaltung der Grenzwerte „schnellstmöglich“ sichergestellt werden kann. Gerade der Verkehr und dabei va Dieselfahrzeuge sorgen hier regelmäßig für Grenzwertüberschreitungen in ganz Österreich. Gleichzeitig sieht das Luftschutzregime Rechtsschutzmöglichkeiten für die Öffentlichkeit vor, die 2019 vom LVwG Salzburg erneut inhaltlich bestätigt wurden. Da Luftschutz und Klimaschutz faktisch Hand in Hand gehen, kann der Rechtsschutz als „Klimaklage“ iwS verstanden werden.
Alle Menschen haben ein Recht auf Schutz vor den negativen Folgen des Klimawandels
Vor kurzem vielleicht noch schwer vorstellbar, sind Grundrechte mittlerweile ein wirksamer Hebel im Kampf gegen den Klimawandel. Ist nach der Pandemie auch die Zeit für ein eigenständiges Grundrecht auf Klimaschutz gekommen? Damit wären die Schutzpflichten des Staates auf der höchsten Ebene der Rechtsordnung klar festgeschrieben und der:m Einzelnen einklagbare Rechte einräumt. Der Beitrag gibt einen groben Überblick zu aktuellen Ereignissen zum Klimaschutz und bereits erfolgreichen Klimaklagen vor Verfassungsgerichten bzw anhängigen Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
„Klimaklagen liefern strukturell perfekte Fragen für Verfassungsgerichte“
Petra Sußner, Ida Westphal und Eva Pentz, Gastherausgeberinnen des juridikum-Schwer-punkts zu Klimagerechtigkeit (juridikum)*: Der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) und das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG) haben beide in jüngerer Vergangenheit vielbeachtete klimarelevante Entscheidungen erlassen – unter unterschied-lichen Vorzeichen, mit sehr verschiedenen Fragestellungen und auch mit unterschiedli-chen Ergebnissen. Karlsruhe hat Teile des deutschen Klimaschutzgesetzes für mit den Grundrechten unvereinbar erklärt,1 Wien hat die Individualanträge gegen Steuerbefreiun-gen für die Luftfahrt zurückgewiesen.2 Wo sehen Sie Unterschiede und Gemeinsamkei-ten? Gibt es so etwas wie eine österreichische und eine deutsche „Klimaschutzrechtskultur“?Verena Madner (VM): Die beiden Entscheidungen zeigen große Unterschiede, die ich aber nicht in einer unterschiedlichen Klimarechtskultur festmachen würde, sondern daran, dass die Rechtsgrundlagen im Klimabereich sehr unterschiedlich sind und es stark auf die Verfahren ankommt, die an ein Gericht herangetragen werden – diese Faktoren bestimmen wesentlich darüber, was ein Gericht mit seiner Rechtsprechung leisten kann. In Österreich hat der VfGH bisher noch keine materielle Entscheidung in einer Klimarechtsklage getroffen. Die von Ihnen erwähnte Entscheidung zur Kero-sinsteuer ist bereits an der Frage der Zulässigkeit gescheitert. Das ist rechtlich interes-sant und zeigt, dass der Zugang zum individuellen Rechtsschutz in Österreich in sol-chen Fragen traditionell eher eng ist. Allerdings wurde diese spezifi sche Klage in ihren Erfolgsaussichten auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur von vornherein durch-gehend skeptisch beurteilt, weil die Darlegung der unmittelbaren Betroffenheit für die Kläger*innen schwierig war. Diese braucht es aber, um – bildlich gesprochen – die Pforten des Gerichtes zu durchschreiten und eine Entscheidung in der Sache zu errei-