Der Klimawandel fordert im Rahmen gesellschaftlicher Transformationsprozesse auch zur Transformation der Rechtsordnung aus öko-sozialer Sicht auf. Die Potenziale zur Anpassung des Rechts erweisen sich aus österreichischer Perspektive als groß. Ausgehend von der Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen auf verfassungsrechtlicher Ebene besteht in zahlreichen Verwaltungsmaterien Anpassungsbedarf. Der nachstehende Beitrag untersucht Möglichkeiten der sozial-ökologischen Transformation exemplarisch im Zusammenhang mit dem Steuerrecht, dem Mobilitäts- und dem Raumordnungsrecht.
Sozio-ökologisches Transformationsrecht
Alle Menschen haben ein Recht auf Schutz vor den negativen Folgen des Klimawandels
Vor kurzem vielleicht noch schwer vorstellbar, sind Grundrechte mittlerweile ein wirksamer Hebel im Kampf gegen den Klimawandel. Ist nach der Pandemie auch die Zeit für ein eigenständiges Grundrecht auf Klimaschutz gekommen? Damit wären die Schutzpflichten des Staates auf der höchsten Ebene der Rechtsordnung klar festgeschrieben und der:m Einzelnen einklagbare Rechte einräumt. Der Beitrag gibt einen groben Überblick zu aktuellen Ereignissen zum Klimaschutz und bereits erfolgreichen Klimaklagen vor Verfassungsgerichten bzw anhängigen Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Klimagerechtigkeit in Österreich
Die Auswirkungen des Klimawandels sind für alle Menschen weltweit spürbar, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß und zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Da sich globale Ungleichheiten direkt in der Betroffenheit durch die Klimakrise widerspiegeln, ist die Klimakrise auch eine soziale Krise und die Frage nach Klimagerechtigkeit daher wesentlich. Dieser Beitrag soll einleitend die völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs zur Umsetzung von sozial gerechter Klimaschutzpolitik und zur Erreichung von nachhaltiger und zukunftsorientierter Politik aufzeigen und im Anschluss die Umsetzung in Österreich anhand des Regierungsprogramms 2020-2024 analysieren.
„Klimaklagen liefern strukturell perfekte Fragen für Verfassungsgerichte“
Petra Sußner, Ida Westphal und Eva Pentz, Gastherausgeberinnen des juridikum-Schwer-punkts zu Klimagerechtigkeit (juridikum)*: Der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) und das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG) haben beide in jüngerer Vergangenheit vielbeachtete klimarelevante Entscheidungen erlassen – unter unterschied-lichen Vorzeichen, mit sehr verschiedenen Fragestellungen und auch mit unterschiedli-chen Ergebnissen. Karlsruhe hat Teile des deutschen Klimaschutzgesetzes für mit den Grundrechten unvereinbar erklärt,1 Wien hat die Individualanträge gegen Steuerbefreiun-gen für die Luftfahrt zurückgewiesen.2 Wo sehen Sie Unterschiede und Gemeinsamkei-ten? Gibt es so etwas wie eine österreichische und eine deutsche „Klimaschutzrechtskultur“?Verena Madner (VM): Die beiden Entscheidungen zeigen große Unterschiede, die ich aber nicht in einer unterschiedlichen Klimarechtskultur festmachen würde, sondern daran, dass die Rechtsgrundlagen im Klimabereich sehr unterschiedlich sind und es stark auf die Verfahren ankommt, die an ein Gericht herangetragen werden – diese Faktoren bestimmen wesentlich darüber, was ein Gericht mit seiner Rechtsprechung leisten kann. In Österreich hat der VfGH bisher noch keine materielle Entscheidung in einer Klimarechtsklage getroffen. Die von Ihnen erwähnte Entscheidung zur Kero-sinsteuer ist bereits an der Frage der Zulässigkeit gescheitert. Das ist rechtlich interes-sant und zeigt, dass der Zugang zum individuellen Rechtsschutz in Österreich in sol-chen Fragen traditionell eher eng ist. Allerdings wurde diese spezifi sche Klage in ihren Erfolgsaussichten auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur von vornherein durch-gehend skeptisch beurteilt, weil die Darlegung der unmittelbaren Betroffenheit für die Kläger*innen schwierig war. Diese braucht es aber, um – bildlich gesprochen – die Pforten des Gerichtes zu durchschreiten und eine Entscheidung in der Sache zu errei-