SLAPPs – Strategic Lawsuits Against Public Participation, oder auf Deutsch: Einschüchterungsklagen – verfolgen das Ziel, die Berichterstattung zu einem konkreten Thema oder einer Person zu unterbinden und öffentliche Stimmen verstummen zu lassen. Die Kläger:innen sind meist mächtige Private, staatliche Stellen oder der staatlichen Sphäre nahestehende Akteur:innen. Auf Beklagtenseite stehen in der Regel Journalist:innen, unabhängige Medien oder NGOs. Durch die angestrengte Prozessführung sind kritische Stimmen in ihren Ressourcen gebunden oder befürchten hohe Verfahrenskosten. Die rechtspolitische Debatte zum Umgang mit SLAPPs bewegt sich in einem grundrechtlichen Spannungsfeld. Dieses will der Beitrag beispielhaft anhand der Rsp des EGMR zur Meinungsfreiheit und Medienvielfalt, dem Persönlichkeitsschutz und dem Zugang zum Recht nachzeichnen. Mithilfe des dadurch abgesteckten Rahmens gilt es für Österreich auszuloten, ob es ergänzender Regelungen gegenüber Einschüchterungsklagen bedarf.
SLAPPs und SLAPP-Back
Parlamentarische Demokratien im Rückbau
Nach Hans Kelsens Ideal soll das parlamentarische Verfahren dazu dienen, den verschiedenen gesellschaftlichen Interessen zur Öffentlichkeit zu verhelfen. Aus der Gegenüberstellung von These und Antithese soll eine Synthese entstehen. Die Gesetzgebungspraxis wird dem nicht gerecht. In den vergangenen Monaten wurden wiederholt verkürzte Begutachtungsfristen kritisiert. Die Mitsprache der politischen Opposition und zivilgesellschaftlicher Player wird darüber hinaus durch die Anwendung verschiedener geschäftsordnungsmäßiger Instrumente erschwert. Diese Praktiken schwächen das Parlament in seiner Funktion und führen zu einer Machtverschiebung in Richtung Exekutive, die sich nicht nur in Österreich sondern auch auf europäischer Ebene feststellen lässt. Es zeigen sich – im Sinne von Friedrich von Hayek – technokratisch-autoritäre Ideen eines Liberalismus, der von demokratischen Strukturen nicht begrenzt werden soll.
Einschüchterungsklagen, Verfahrensgrundrechte und die Zuständigkeit der EU
Der Richtlinien-Entwurf der Europäischen Kommission zur Bekämpfung von Einschüchterungsklagen soll einer Gefährdung der Kommunikationsgrundrechte entgegenwirken. Er beschränkt sich auf Zivilverfahren mit grenzüberschreitendem Bezug, wobei dieser extensiv ausgelegt wird. Die Richtlinie soll verschiedene Rechtsinstrumente iZm Prozesskosten und Sanktionen vorsehen. Dadurch entsteht ein Konflikt mit den Verfahrensgrundrechten der Kläger:innen, insb mit deren Recht auf Zugang zu einem Gericht. Eine Analyse der Rsp des EGMR zu Art 6 EMRK legt jedoch nahe, dass Zugangsbeschränkungen zum Schutz vor missbräuchlicher Klagsführung gerechtfertigt werden können. Bei offenkundig unbegründeten Klagen soll es darüber hinaus möglich sein, eine vorzeitige Verfahrenseinstellung zu beantragen. Hier lässt der Entwurf allerdings offen, inwieweit diese weitreichende Maßnahme mit dem Recht auf ein faires Verfahren in Einklang gebracht werden kann. Die Kommission reduziert den Anwendungsbereich der vorzeitigen Verfahrenseinstellung auf ein Minimum. So verfehlt der Entwurf am Ende das Ziel eines umfassenden Schutzes vor Einschüchterungsklagen.