„Ihr seid nicht erwachsen genug, um die Dinge so darzustellen, wie sie wirklich sind. Sogar diese Bürde überlasst ihr uns Kindern.“1 Dies waren Sätze, mit denen die damals 15-jährige Klimaaktivistin Greta Thunberg die im Dezember 2018 stattfindende UN-Klimakonferenz in Kattowitz auf den Kopf stellte. Ihre Auftritte waren der Ausgangspunkt für die weltweit immer größer werdende „Fridays for Future“-Bewegung, bei der Kinder und Jugendliche auf die drohende Gefahr des Klimawandels hinweisen. Mit ihren entrüstend ehrlichen Formulierungen zeigt Thunberg, dass es nicht darauf ankommt, wie alt man ist, sondern was man zu sagen hat. Dennoch gibt es von einigen Seiten die Kritik, dass sie noch nicht alt genug sei, um die Komplexität der Problematik erfassen zu können und deswegen nicht ernst zu nehmen ist.2 Vergessen wird dabei darauf, dass Kinder das Recht haben, an aktuellen gesellschaftlichen Debatten teilzunehmen. Denn mit dem diesjährig stattfindenden 30-jährigen Jubiläum der UN-Kinderrechtekonvention (KRK) wird ein ganz besonderer Paradigmenwechsel in der Wahrnehmung von Kindern gefeiert: Kinder haben Rechte!3 Sie sind selbstständige Rechtssubjekte und können die ihnen zustehenden Rechte eigenständig ausüben. Kinder sind dabei auch nicht auf die Position von Schutzberechtigten zu reduzieren, sondern haben vielmehr ein Recht darauf, die Gesellschaft aktiv mitzugestalten. Art 12 KRK, der eine Schlüsselnorm dieser Konvention darstellt, regelt dabei das Mitspracherecht von Kindern und Jugendlichen. Demgemäß haben alle Kinder und Jugendlichen das Recht, sich bei allen sie berührenden Angelegenheiten frei zu äußern sowie darauf, dass ihre Meinungen angemessen und entsprechend ihres Alters und ihrer Reife berücksichtigt werden.4 Dieses positive Recht auf Mitsprache bedeutet einerseits, dass ein Kind bei allen es berührenden Gerichts- und Verwaltungsverfahren die Chance haben muss, gehört zu werden, aber andererseits auch das Recht auf Mitgestaltung besitzt. Art 12 stellt somit Garantien im Bereich der Mit- 1 Anton, „Ihr seid nicht erwachsen genug, die Wahrheit zu sagen“, faz.net 16.12.2018, www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/un-klimakonferenz-schuelerin-k... (7.6.2019). 2 Sommer/Rucht/Haunss/Zajak, Fridays For Future: Profil, Entstehung und Perspektiven der Protestbewegung in Deutschland, ipb working paper 2/2019, 35 ff. 3 Übereinkommen über die Rechte des Kindes, BGBl 1993/7 idF BGBl 1993/437. 4 Schmahl, Kinderrechtekonvention2, Art 12 Rz 9 f.merk.würdig 453 © Verlag Österreich 2019 juridikum 4/2019 sprache auf, die kein anderer, früherer internationaler Menschenrechtsvertrag inne hatte.5 Die Gewichtung dieser Bestimmung liegt dabei nicht auf dem schon in Art 13 KRK gewährten Recht auf Meinungsfreiheit, sondern vielmehr in dem Recht der Kinder bezüglich der tatsächlichen Einflussnahme auf die Entscheidungen die ihren Lebensbereich betreffen.6 Ein weiterer Grund dafür gerade jetzt einen genauen Blick darauf zu werfen, wie es um die Einhaltung des Rechts auf Partizipation steht, ist, dass im Jahr 2019 eine Überprü- fung der Umsetzung der KRK in Ö durchgeführt wird. Dafür hat die KRK mit dem UN-Kinderrechtsausschuss ein zentrales Überwachungsorgan eingerichtet. Die Vertragsstaaten sind dazu verpflichtet, dem Ausschuss alle fünf Jahre Berichte über ihre Maß- nahmen und Fortschritte in der Umsetzung der KRK vorzulegen. Zusätzlich werden, um ein möglichst vollständiges Bild zu erhalten, auch ergänzende Berichte von nichtstaatlichen Organisationen und unabhängigen Einrichtungen herangezogen (sog Schattenberichte). Nach einem Treffen mit den NGOs und einem öffentlich zugänglichen Hearing in Genf gibt der Ausschuss in weiterer Folge eine krit Stellungnahme zum Stand der Umsetzung der KRK im jeweiligen Land inklusive Empfehlungen für Verbesserungen ab. In Ö wurde das Mitspracherecht von Kindern in Art 4 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern7 umgesetzt. Bei der Formulierung dieser Norm hat sich der österr Gesetzgeber an Art 24 Abs 1 Satz 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) orientiert,8 welcher ebenfalls davon ausgeht, dass die Meinung von Kindern in den Angelegenheiten die sie betreffen, in einer ihrem Alter und ihrem Reifegrad entsprechenden Weise zu berücksichtigen ist. Bei der praktischen Umsetzung des Rechts auf Mitsprache hat sich wiederum der in dem Text der Konvention nicht vorkommende Begriff „Partizipation“ etabliert. Er beschreibt den Prozess des auf gegenseitigen Respekt beruhenden Dialogs zwischen Kindern und Erwachsenen, in dem die Kinder ebenfalls erfahren, inwiefern ihre Ansichten Berücksichtigung finden. Partizipation als Querschnittsmaterie soll dabei Kindern die Mitsprache und Mitentscheidung in allen für sie relevanten Lebensbereichen ermöglichen. Dazu bedarf es neben dem Engagement junger Bürger_innen auch des Teilens von Macht und Verantwortung durch die Erwachsenen. Sätze wie „Wir müssen unseren Kindern eine aussichtsreiche Zukunft ermöglichen“ sind daher keine ausreichenden Maximen für eine emanzipatorische Kinder(rechts)politik. Die im Rahmen der Partizipation geäußerten Meinungen der Kinder haben hierbei das Potential, wichtige neue Aspekte und Erfahrungen im Bereich der Entscheidungsprozesse, der Politik und der Vorbereitung von Gesetzen und 5 Zwar ist bspw in Art 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) und auch in Art 10 EMRK ebenfalls ein Recht auf Meinungsfreiheit festgeschrieben. Diese Abkommen enthalten jedoch keine Vorschrift die Art 12 KRK entsprechen würde. 6 Committee on the Rights of the Child, General Comment No 12 Rz 81, www.refworld.org/docid/4ae562c52.html (17.9.2019). 7 BGBl I 2011/4. 8 AB 1051 BlgNR 24 GP 2.454 Öhner, Kinder an die Macht © Verlag Österreich 2019