Während die Blätter der Bäume ihre grüne Farbe bereits verloren haben, stellen wir fest: Grün ist nicht nur das letzte Heft im Jahres-Zyklus des juridikum, sondern eine ganze Reihe an Wahl-Ereignissen der letzten Zeit. Zu aller erst fällt das – bisher stärkste – Wahlergebnis der österr Grünen bei der Nationalratswahl vom 29.9.2019 in den Blick. Mit 13,9 % sind die Grünen wieder im Nationalrat (NR) vertreten und dies sogar mit 26 Mandatar_innen.1 Da der grüne Parlamentsklub einen Frauenanteil von über 40 % aufweisen wird (ca 58 %, der höchste in der Geschichte des Parlaments)2, erhält dieser auch eine Klubförderung von + 3 %.3 Nur die SPÖ wird diesen Mindestanteil an Parlamentarierinnen ebenso aufweisen.4 Kritisch zu sehen ist an diesem Wahlergebnis insb, dass es jenes mit der zweitniedrigsten Wahlbeteiligung der Zweiten Republik ist. Die Nichtwähler_innen sind mit 24,4 % die (rechnerisch) zweitstärkste (!) Wähler_innengruppe und haben im Vergleich zur letzten NR-Wahl um 4,4 % zugelegt.5 Ebenso bedenklich: 2019 waren 15 % der österr Wohnbevölkerung im Wahlalter – das sind mehr als eine Mio Menschen – vom nationalen Wahlrecht ausgeschlossen, da sie keine Staatsbürger_innen (nicht Unionsbürger_innen) sind.6 Die grüne Welle setzt sich auf europäischer Ebene fort: Das Ergebnis der Wahl zum EU-Parlament (EP) aus 2019 bringt der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz ein noch nie dagewesenes politisches Gewicht. Mit nunmehr 74 Mandaten können sie ein Plus von 22 Sitzen verzeichnen und werden somit viertstärkste Kraft.7 Ursprünglich Anfang November 2019 sollte die neue EU-Kommission (EK) ihr Amt antreten. Während diese erstmals von einer Frau angeführt wird und geschlechterparitätisch besetzt sein soll,8 droht die Ablehnung von drei der 26 Kandidat_innen – aus Frankreich, Ungarn und Rumänien – den Arbeitsstart zu verzögern.9 Der 28-jährige Litaue Sinkevičius könnte dann als Kommissar für Umwelt und Ozeane nicht nur als der bislang jüngste, sondern auch als erster grüner Politiker in die EK einziehen. Sein Arbeitsgebiet ist der designierten EK-Präsidentin ein bes Anliegen: „A European by heart and by conviction, Ursula von der Leyen announced that she will focus on an ambitious climate agenda to make Europe the first climate-neutral continent by 2050.”10 Mit dem sog European Green Deal sollen grüne Agenden in den Fokus rücken. Wie dies bspw mit dem Aufbau einer Sicherheitsunion, dem verstärkten Fokus auf Verteidigung und Militär und Vorhaben gegen das „Gold Plating“ vereinbar ist, wird sich zeigen, wenn konkrete Legislativvorschläge vorliegen und Rat und EP darüber entschieden haben.11 Dass es sich um eine breite Welle und keine singulären Ereignisse handelt, zeigt das starke Wahlergebnis der grünen Parteien vom 20.10.2019 in der Schweiz,12 doch stellt sich die Frage: Hat diese ausreichend Energie um für eine echte Kursänderung in Sachen Klimapolitik zu sorgen? Hierzulande haben nun „vertiefte Sondierungen“ zwischen Grünen und Volkspartei begonnen. Ob diese in Koalitionsverhandlungen und sogar der ersten grünen Regierungsbeteiligung auf Bundesebene münden (wie in einer Umfrage zuletzt von 63 % gewünscht),13 ist noch offen.Zu hoffen bleibt, dass die zukünftig Regierenden (egal welcher Couleur oder auf nationaler oder europäischer Ebene) die Zeichen der Zeit (Stichwort Fridays for Future14) ernst nehmen und nicht weiter auf den perfekten Tag warten. Nicht zuletzt den Sondierenden bzw Regierenden ist das thema dieses Heftes „Verkehr(t) – Klima, Luft und Mobilität“ nahegelegt: Der von Judith Fitz, Eva Pentz und Gregor Schamschula gestaltete Schwerpunkt gibt tiefe Einblicke in die Defizite der Verkehrspolitik und zeigt damit zugleich Potentiale auf. Wo ein Wille, da ein Weg. Mag.a Isabell Doll und Mag. Nikolaus Wieser sind Mitherausgeber_innen des juridikum; isabell.doll.id@gmail.com, nikolaus.wieser@univie.ac.at