„In der Unzufriedenheit liegt der Fortschritt der Menschheit!“ Kämpferisch zierte dieses Motto die Unzufriedene, eine von September 1923 bis Februar 1934 erscheinende „unabhängige Wochenschrift für alle Frauen“.1 Sie hatte das erklärte Ziel, die politische und (zivil-)gesellschaftliche Teilhabe von (arbeitenden) Frauen zu fördern, ihre rechtliche Stellung zu problematisieren und gemeinschaftliches Denken und Handeln gegen die herrschenden Verhältnisse zu organisieren. Die Publikation über Februar 1934 hinaus und schließlich als das kleine Frauenblatt bis 1944 ist bemerkenswert, weil die Unzufriedene eine klar sozialdemokratische Blattlinie2 verfolgte und am 14.2.1934 die Sozialdemokratische Arbeiterpartei vom austrofaschistischen Regime verboten und ihre Organisationen aufgelöst wurden. Es stellt sich die Frage, wie dieser Prozess insbesondere hinsichtlich der Inhalte von statten ging und inwiefern der feministische und demokratiepolitische Auftrag der Unzufriedenen dabei Veränderungen erfuhr. Ein ständig wiederkehrendes Thema war jenes der weiblichen Berufs- und Hausarbeit. Stark politisch besetzt diente es von Anfang bis zum Ende der Zeitschrift als wichtiges Vehikel für die Propagierung des jeweiligen Frauenbilds und eignet sich daher im Rahmen dieses Beitrags für eine kurze inhaltliche Analyse der Zeitschrift. Das erste Jahrzehnt war vom Kampf um die Anerkennung der weiblichen Berufsarbeit als finanziell gleichwertige Arbeitsleistung und der Hausarbeit überhaupt als Arbeitsleistung geprägt. Auch der Beitrag des Mannes zur Hausarbeit wurde wiederholt eingefordert.3 Dabei ging es um das gemeinschaftliche Streben nach Veränderung, die Kollektivierung und Organisation der Interessen der Frauen, die Einbeziehung verschiedener Stimmen, um eine gemeinsame zu bilden: die Stimme der Frau als Unzufriedene, die nicht in Unzufriedenheit verharrt, sondern zur Tat schreitet. Die nach dem Parteiverbot im Februar pausierte Zeitschrift wurde am 22.4.1934 vermutlich ob ihrer Auflagenstärke – knapp 160 000 Leser_innen waren es laut eigenen 1 NN, Was will die Unzufriedene?, Die Unzufriedene (DU) 1923/1, 1. 2 Siehe Winter, Zehn Jahre „Unzufriedene“, DU 1933/46, 2 f. 3 Vgl ua NN, Männer, die ihre Frauen unterdrücken, DU 1924/35, 4; NN, Solidarität in der Ehe, DU 1926/43, 5; NN, Wir wollen auch die guten Seiten der Männer aufzeigen! DU 1926/47, 6; NN, Männerhilfe bei der Hausarbeit, DU 1927/20, 5.merk.würdig 449 © Verlag Österreich 2019 juridikum 4/2019 Angaben im November 19334 – und ihrer Attraktivität als Propagandainstrument für die austrofaschistische Regierung wieder neu aufgelegt. Es gelte nun, sich zu fügen und „sich in der neuen Welt der Tatsachen zurechtzufinden“, ließen die ersten Zeilen im Leitartikel der neu aufgelegten Zeitschrift wissen. Die Aufgabe der Frauen sei es dabei eine „positive Einstellung zu den Dingen“ zu bewahren.5 Von nun an sollten „Dinge, die unsere Gedanken beschwingter machen und unsere Seelen leichter“ besprochen werden.6 Diese Heiterkeit bedurfte eines neuen Namens: Aus der Unzufriedenen wurde das kleine Frauenblatt.7 Hinsichtlich der weiblichen Erwerbsarbeit hieß es ab April 1934, dass Frauen lieber zuhause blieben, um „als Frauen und Mütter“ tätig zu sein.8 Die Berufsergreifung wäre jedoch nicht für alle vermeidbar, da „nicht jedes Mädchen [...] ein[en] Mann mit Einkommen findet und sie somit ihrem natürlichsten Beruf zugeführt“ werde. Es bräuchte daher „Erwerbszweige, die [Frauen] zugestanden werden“ können.9 Die äußerlich unveränderte Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeitsleistung hatte nun zum Ziel, die weibliche Arbeitskraft teurer zu machen und so „die Männer wieder in den Betrieb und die Frauen wieder in den Haushalt“ zu bringen.10 Die Frau des kleinen Frauenblatts befasste sich folgerichtig – anders als die Unzufriedene – „nicht gerade gerne mit Politik“.11 Zumutbare politische Ziele wurden beschränkt auf so vage Posten wie „die Bewahrung des Friedens in unserem Lande“.12 Frauen sollten sich ganz ihrem „Frausein“ widmen; von nun an würden die Männer der Frau „den ihr zukommenden Platz sichern“.13 Von einem Kampf um die eigenen Rechte war nicht mehr die Rede. Wenn der Sprung der Zeitschrift in den Austrofaschismus inhaltlich noch ein harter war und acht Wochen zwischen den Ausgaben lagen, so war der Übergang in den Nationalsozialismus fließend. Die von politischem Aktivismus und Gesellschaftskritik befreite Zeitschrift konnte ohne Aufheben dem nationalsozialistischen Regime als Gefäß für seine Propaganda dienen. Eine Woche nach dem „Anschluss“ klärte der Leitartikel des kleinen Frauenblatts über die neuen politischen Umstände auf14 und sicherte Frauen zu, dass ihnen (auch) im neuen Staatsgefüge keine politischen Bürden zur Last gelegt wür- 4 Winter, Zehn Jahre „Unzufriedene“, 2 (3). Die Illustrierte Kronen-Zeitung hatte im selben Jahr 223 700 Leser_innen. Melischek/Seethaler, Auflagenzahlen der Wiener Tageszeitungen 1895–1933 in quellenkritischer Bearbeitung (2001) 14. 5 NN, Die Unzufriedene erscheint wieder, DU 1934/7, 1 f. 6 NN, Das Wochentratscherl, DU 1934/8, 4. 7 NN, Zustimmung! DU 1934/8, 2. 8 NN, Maientage, DU 1934/8, 1. 9 Siehe Lederer, Die Stunde der Frau. Bessere Lebensbedingungen für frauliche Arbeit. Mit besonderer Berücksichtigung der Hausgehilfin, DU 1937/39, 2; NN, Die Stunde der Frau. Frauenberufe von morgen, DU 1937/36, 2. Als neuer Frauenberuf wird ua die „Modetechnikerin“ vorgeschlagen: Diese solle Frauen „in allen möglichen Dingen unterrichten. Wollarbeiten, leichte Schneiderei, schöne Handarbeit werden dabei zu den beliebtesten Unterrichtsgegenständen gehören“. 10 NN, Frauenarbeit, DU 1934/9, 1 f. 11 NN, Der Kanzler vertraut uns, DU 1937/51, 2. 12 NN, Die Stunde der Frau. Die Frau und die Politik, DU 1937/7, 2. 13 NN, Frauenarbeit, DU 1934/9, 1 f. 14 NN, Die Stunde der Frau. Unser Wunsch: Arbeit und Frieden, DU 1938/12, 2: „Eine legale Regierung hat den Anschluß Deutschösterreichs an das Deutsche Reich beschlossen [und] [d]ie deutsche Reichsregierung hat diesen Beschluß gutgeheißen.“ Siehe dazu auch NN, Das Herz hat gewählt, DU 1938/16, 2.450 © Verlag Österreich 2019 Palmanshofer, Die unzufriedene Demokratie den.15 Bis auf das Einbringen völkischer Elemente und der Positionierung der nationalsozialistischen Frauenpolitik entlang eines „natürlichen Empfindens“ des deutschen Volks16 musste das kleine Frauenblatt ihr seit 1934 ausgeformtes Frauenbild nicht mehr sonderlich bearbeiten. Die Frauen waren schon klein, entpolitisiert und vor allem nicht unzufrieden. Organisierte Unzufriedenheit war schon immer ein Stachel im Fleisch derjenigen, die von den herrschenden Verhältnissen profitieren. Die Unzufriedene hatte es während der ersten zehn Jahres ihres Bestehens geschafft, sich das Bild von der unzufriedenen, nörgelnden Frau zu eigen zu machen und positives, aktivistisches Verhalten daran zu koppeln. Es wurde eine emanzipative Bewegung in Gang gesetzt, welche die austrofaschistische Regierung genügend beunruhigte, dass sie Bedarf sah redigierend einzugreifen. Die folgenden Redaktionen stilisierten die „Unzufriedenen“ zu überreizten „Emanzipierten“17 mit zu viel Zeit, deren Egoismus die „Einheit des Volkes“ und den „Frieden“ gefährdete,18 während sie das Bild der braven, hart arbeitenden (Haus-)Frau als Ideal forcierten. Das Kleinhalten marginalisierter Gruppen und die Homogenisierung einer Gesellschaft zum „Volk“ sowie das sorgsame Negieren von Streit und unterschiedlichen Formen der Ausgestaltung gesellschaftlicher Ordnung sind regelmäßig Charakteristika totalitärer Systeme.19 Das Totale kennt keine Alternativen, weshalb es auch keinen Sinn hat, unzufrieden zu sein oder – wie es das kleine Frauenblatt Ende 1938 formuliert – „undankbar“ zu sein.20 Auch demokratische Systeme machen sich angreifbar für das Einnisten totalitärer Strukturen, wenn Streit im Sinne des Aushandelns von Interessen, Meinungen und konfligierender Wahrnehmungswelten21 nur noch in Konsensfindungsprozessen derjenigen, die „sprechen können“22 stattfindet und Aufbegehren auf das Setzen von Kreuzchen am Wahlzettel reduziert ist. Das Demokratische23 konstituiert sich in Spannungsverhältnissen. Es lässt sich nicht endgültig fixieren, sondern hält sich vielmehr seine eigene Vergänglich- und Veränderbarkeit 15 NN, Unser Wunsch: Arbeit und Frieden, DU 1938/12, 2: „Männer [tragen] nunmehr die Verantwortung für das Geschick unseres Landes und unseres Volkes.“ 16 Weitzner, Die Frau im Zeitgeschehen, DU 1938/17, 2; Papp, Welche Berufe sind für Frauen geeignet? DU 1938/21, 2; Muhr-Jordan, Die arbeitende Frau im Dritten Reich, DU 1938/18, 3. NN, Beruf oder Haushalt? Die Berufsaussichten der Frau im nationalsozialistischen Staat, DU 1938/28, 2; NN, Weggemeinschaft, DU 1938/15, 2; NN, Gehört sich das? DU 1938/15, 6; NN, Die Frau ohne Ehe, DU 1938/19, 5. 17 Papp, Welche Berufe sind für Frauen geeignet? DU 1938/21, 2. 18 NN, Die Stunde der Frau. Die Frau und die Politik, DU 1937/7, 2. 19 Lefort, Die Frage der Demokratie, in Rödel (Hrsg), Autonome Gesellschaft und libertäre Demokratie (1990) 287. 20 NN, Nicht undankbar sein! DU 1938/50, 2. 21 Rancière, Konsens, Dissens, Gewalt, in Dabag/Kapust/Waldenfels (Hrsg), Gewalt. Strukturen, Formen, Repräsentationen (2000) 101 f. 22 Rancière in Dabag/Kapust/Waldenfels, 100. 23 Rancière geht davon aus, dass das „Konzept der Demokratie […] in einem gewissen Sinne […] nichts anderes als das Konzept der Politik selbst“ ist; Rancière in Dabag/Kapust/Waldenfels 102. Dementsprechend wird der Begriff des Demokratischen Mouffes Begriff des Politischen als ontologischer Moment ontisch-ontologischer Differenz nachgebildet; Mouffe, Über das Politische (2007).merk.würdig 451 © Verlag Österreich 2019 juridikum 4/2019 stets vor Augen.24 Spannungsverhältnisse entstehen dort, wo jene, die nicht die „Gabe der Sprache“ haben „doch sprechen“25 und ihrer Unzufriedenheit und dem daran gekoppelten Willen zur partizipatorischen Gleichstellung Ausdruck geben. Ihr Sprechen hat das Potential den diskursiven Raum demokratischer Willensbildungsprozesse zu erweitern, indem sie nicht nur „oppositionelle Interpretationen ihrer Identitäten, Interessen und Bedürfnisse“26 entwickeln, sondern diese auch einspeisen in den breiteren Diskurs einer „allgemeinen Öffentlichkeit“, zu deren Toren sie drängen, um die Eintrittsmöglichkeiten neu zu verhandeln.27 Prozesse des Kollektivierens von Widerständigkeiten, die immer wieder von Neuem eindringen in das demokratische System und es aufbrechen, verwehren sich jeder Teleologie; die Idee des „Fortschritts“, wie sie die Unzufriedene im einführend erwähnten Motto hochhält, ist hier fehl am Platz. Es ist eine Demokratie, deren Gestalt angreifbar bleibt, die „stets im Kommen bleibt“28, die wehrhaft gegenüber autoritären Tendenzen und totalitären Strukturen bleibt und nicht eine, die sich ständig weiter konsolidiert. „Wir wollen gehen; dann brauchen wir die Reibung. Zurück auf den rauhen Boden!“29 Mag.a Hanna Palmanshofer hat Theater-, Film- und Medienwissenschaften studiert und studiert derzeit Rechtswissenschaften und Politikwissenschaft an der Universität Wien. Sie ist Mitglied des „Forums kritischer Jurist*innen“; hanna.palmanshofer@univie.ac.at