"Es gibt viele Wege, die häufen das Geld auf, welches andere für sie gemacht haben, bringen es an einen Ort, der gut behütet ist, bringen immer mehr dahin, bis sie eines Tages auch keine Arbeiter mehr für sich brauchen, denn nun arbeitet das Geld für sie. Wie das möglich ist, ohne wilde Zauberei, habe ich nie ganz erfahren ..." *
In Folge des größten imperialistischen Krieges unseres Jahrhunderts, die Weltwirtschaftskrise 1929 noch vor Augen, bemühte man sich um ein stabiles Weltwährungssystem, das solche Krisen fortan verhindern sollte. Zu diesem Zwecke wurde im Juli 1944 die Konferenz von Bretton Woods einberufen.
**Die Konferenz von Bretton Woods**
Die Delegationen der beiden Kontrahenten USA und Großbritannien wurden von Harry Dexter White (USA) und John Maynard Keynes (GB) geleitet. Beide präsentierten der Konferenz Pläne, die auf ein freies multilaterales Finanz- und Währungssystem gerichtet waren, jedoch jeweils den unterschiedlichen wirtschaftlichen Ausgangspositionen ihres Staates Rechnung trugen.
Großbritannien benötigte zum Neuaufbau seiner Wirtschaft Kredite. Dementsprechend war Keynes' Modell auch auf ein großzügiges, den kredit suchenden Ländern entgegenkommendes Kreditvergabesystem gerichtet. Erst wenn eine bestimmte Verschuldensquote erreicht würde, sollte die Währung abgewertet werden. Auch die Überschussländer sollten angehalten werden, ihre Zahlungsbilanz ausgeglichen zu halten. Die Einflussnahme auf innenpolitische Angelegenheiten durch ein noch zu schaffendes Kreditvergabeinstrument sollte so gering wie möglich gehalten werden. Weiters schlug Keynes eine Kunstwährung vor, den Bancor, der überall als Zahlungsmittel anzuerkennen wäre.
Im Zentrum des White-Planes stand ein internationaler Fond, der Kredite an Mitglieder vergeben sollte, mit Ausleihungen in Gesamthöhe von 5 Milliarden Dollar – ein Fünftel des Verschuldungspotentials bei Keynes. Ebenso wie Keynes dachte White auch an feste Wechselkurse, die nur mit Zustimmung des Fonds abgeändert werden könnten, und an eine internationale Währung namens "Unitas". Die ursprünglich entwickelten Ideen Whites wurden jedoch schon im Vorfeld der Konferenz von Bretton Woods verwässert. Wintrop Aldrich, damaliger Präsident der Großbank Chase Manhattan, brachte ein Sechs-Punkte-Programm der privaten Banken ins Spiel, das besonderes Gewicht auf den Abbau von Handelsschranken legte. „Die American Bankers Association wollte die Vollmacht des Fonds beschneiden. Schließlich wurde der IWF darauf festgelegt, lediglich Kredite zur Stützung der Wechselkurse zu vergeben. Der Gedanke einer neuen internationalen Währung fiel unter den Tisch.“ 1
**Der Internationale Währungsfond**
Mit dem System von Bretton Woods war die ökonomische Vormachtstellung der USA festgeschrieben. Der Dollar wurde zur Leitwährung erhoben. Während die Zahlungsfähigkeit aller anderen Länder von ihren Gold- und Devisenbeständen abhängt, kann das Leitwährungsland internationale Liquidität erzeugen, indem es einfach mehr Banknoten druckt. So finanzierten die USA auch den Vietnamkrieg: Sie setzten einfach ihre Notenpresse in Gang. So kommt sie auch nie in Verlegenheit, Kredite vom IWF aufzunehmen und sich dessen Anpassungsmaßnahmen zu beugen. Dies wäre auch unbedeutend, da der IWF ohnehin ein Instrument der USA und der meist ähnlichen Interessen vertretenden anderen Industrieländer ist. Dies ist systemimmanent: Jedes Mitglied zahlt eine bestimmte Summe, die der IWF nach Volkseinkommen, Währungsreserven, Importen und Exporteinnahmen errechnet. Rechnungseinheit im Fond sind die sogenannten Sonderziehungsrechte, die 1969 als zusätzliches Reservemedium zum Dollar eingeführt wurden und ein reines Buchgeld, das nur auf dem Papier existiert, darstellen. Ihr Wert errechnet sich täglich neu nach dem Stand der Währungen der größten fünf Industrieländer. Dabei zählt der Dollar 42 %, die D-Mark 19 %, der Yen 15 %, das englische Pfund und der französische Franc je 12 %. Nach der Höhe der Einzahlungen richten sich dann Kreditmöglichkeiten und Stimmanteil. Die USA halten mit 20 % die meisten Stimmen, während 117 Entwicklungsländer zusammen nur 24 % halten. Da alle wichtigen Entscheidungen mit 15 % der Stimmen verhindert werden können, haben die USA als einziges Land ein Vetorecht. Nie wird im IWF eine Entscheidung fallen, die den USA nicht genehm ist.
Kreditvergaben sind meist mit Auflagen verbunden, die zwischen IWF-Experten und der kreditnehmenden Regierung ausgehandelt werden. Dabei erhalten diese Experten natürlich tiefen Einblick in die inneren ökonomischen Angelegenheiten, die dann bei Bedarf auch an Weltbank und Geschäftsbanken weitergegeben werden. Weigert sich ein Land, die Auflagen des IWF zu erfüllen, wird es praktisch unmöglich, anderswo Kredite zu erhalten. So erhielt Chile direkt nach der blutigen Machtübernahme von Diktator Pinochet großzügige IWF-Kredite, während die sozialistische Regierung Allende vorher nicht als Verhandlungspartner akzeptiert wurde.
In der Regel beziehen sich solche Auflagen weder auf Rüstungsausgaben noch auf Einschränkungen der Kapitalflucht. Vielmehr sind sie auf Exportdiversifizierung und -steigerung, Abwertung der Währung, freien Kapitalfluss, Abschaffung der Handelsbeschränkungen und der Devisenkontrollen etc. gerichtet. Innenpolitische Maßnahmen zur Verringerung der Staatsausgaben haben sich meist im Einfrieren der Löhne, in der Privatisierung von Staatsbetrieben, Steuererhöhungen, Abbau von Subventionen und Sozialleistungen u. ä. zu erschöpfen. „Mit seinen Auflagen will der IWF die Geldmenge einschränken und damit die Inflation senken, die Exporte erhöhen und die Wirtschaft nach den Vorstellungen der kapitalistischen Staaten umstrukturieren. Ein eigenständiger, womöglich gar sozialistischer Entwicklungsweg ist im Programm des IWF nicht vorgesehen.“ 2
**Die Weltbank-Gruppe**
Zur Beseitigung langfristiger struktureller Probleme der ärmsten Länder sowie zum Wiederaufbau Europas wurde 1945 die Mutterorganisation der Weltbank-Gruppe, die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD), gegründet. Mit relativ günstigen Krediten wollte man in diesen Staaten die Gefahr sozialer Explosionen (und sozialistischer Revolutionen) verhindern. 1956 wurde als Tochterorganisation der IBRD die Internationale Finanzcorporation (IFC) aus der Taufe gehoben, die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA) entstand 1960.
Der Stimmanteil der Mitglieder richtet sich bei der IBRD nach dem gezeichneten Stammkapital, welches analog der wirtschaftlichen Kraft des entsprechenden Landes errechnet wird. Jedes Mitglied verfügt grundsätzlich über 250 Stimmen. Dazu kommt noch je eine weitere Stimme für je 100.000 Dollar gezeichnetes Stammkapital. Die USA - wie könnte es anders sein - halten bei 20 % der Stimmen. Die 22 Industrieländer vereinigen zusammen rund 70 % der Stimmen auf sich.
Wichtigstes Organ der IBRD ist der Exekutivrat, der einen Großteil der Aufgaben des Gouverneursrates ausfüllt (da dieser nur einmal im Jahr zusammentritt). Die 20 Direktoren der Exekutivdirektion und deren Stellvertreter werden von den Gouverneuren, meistens die Finanzminister der Mitgliedstaaten, gewählt. Aufgaben dieses Organs sind unter anderem die Aufnahme und der Ausschluss von Staaten, die Erhöhung des Stammkapitals der IBRD, die Bestimmung des Verwendungszweckes der Nettogewinne, die Vergabe neuer Darlehen etc. Die Stimmverteilung richtet sich auch hier nach dem Kapitalanteil. Also wählten z. B. 1986 Indien, Bangladesch, Sri Lanka und Bhutan zusammen einen Direktor, einen solchen erreichten auch 25 (!) afrikanische Staaten gemeinsam. Der Präsident der IBRD war bis dato noch jedes Mal ein US-Amerikaner.
Finanziert wird die IBRD aus Mitgliedsbeiträgen, von denen 90 % auf Abruf bleiben, und Gewinnen aus Kreditvergaben. Im zweiten Halbjahr 1985 erwirtschaftete die Weltbank z. B. einen Gewinn von ca. 1,5 Milliarden DM (Die führende private Bank der BRD, die Deutsche Bank, versteuerte im Vergleich dazu im Jahr 1986 „nur“ einen Gewinn von 1,1 Milliarden DM). 3
Die Strukturen von IDA und IFC entsprechen jenen der IBRD. Die IDA soll Kredite vor allem an Länder vergeben, deren Pro-Kopf-Einkommen unter 300 Dollar im Jahr liegt. Die IFC vergibt Kredite an private Unternehmen, um private Einrichtungen zu fördern und zu unterstützen.
Wie der IWF enthält sich natürlich auch die Weltbank nicht der politischen Einflussnahme in den kreditnehmenden Ländern. Die Bank selbst setzt für die von ihr finanzierten Projekte
Projektleiter und Manager ein. Da die Weltbank ja Gewinne erwirtschaften will, müssen diese Projekte auch entsprechend rentabel sein. Und der Bau einer Asphaltstraße quer durch den Regenwald ist sicher rentabler als der Bau von Trinkwasser- und Kanalisationsanlagen in den Slums lateinamerikanischer Großstädte! Auch wenn dadurch zahlreiche Kinder vor der Erkrankung an Meningitis und somit vor dem Tod bewahrt werden könnten.
In den letzten Jahren entwickelt sich - angesichts der immer bedrohlicher werdenden Verschuldung der armen Länder 4 - selbst innerhalb der Weltbank und des IWF eine reformatorische Stimmung. So gibt die Weltbank in ihrem World Development Report 1990 zumindest zu, dass ihre „Strukturanpassungsprogramme“ die Armut lediglich verschärft haben. Laut diesem Bericht gibt es weltweit über eine Milliarde Menschen, die mit weniger 370 Dollar pro Jahr auskommen müssen; 620 Millionen davon stehen lediglich 275 Dollar zur Verfügung 5.
Währenddessen feiert man hierzulande und anderswo den Sieg des Systems der „Freien Marktwirtschaft“ über jenes des vorgeblichen Sozialismus. Bleibt nebenbei noch die Frage offen, ob jenes siegreiche System fähig und willens ist, zur Einsicht zu gelangen, dass man eine tote Kuh nicht mehr melken kann - schon gar nicht der tote Bauer.
* Aus den Reden des Südsee-Häuptlings Tuiavii aus Tiavea.
- 1. Paul Sandner/Michael Sommer: IWF - Weltbank. Entwicklungshilfe oder finanzpolitischer Knüppel für die "Dritte Welt", Schmetterlingverlag Stuttgart, 1988; S. 14.
- 2. Uwe Hartwig/Uwe Jungfer: Zum Beispiel Verschuldung, Lamuv-Verlag Göttingen, 1990; S.43.
- 3. IWF-Weltbank, S. 82.
- 4. Der Schuldenstand der Dritten Welt betrug 1960 knapp 18 Milliarden US-Dollar, 1988 nach Angaben der OECD bei 1240 Milliarden, wobei die nominale Schuldenlast in diesem Jahr erstmals leicht gesunken war (1987: 1276 Milliarden). Der Schuldendienst allerdings, also die Zins- und Tilgungszahlungen, ist weiter gestiegen: von 156,5 Milliarden auf 177,9 Milliarden Dollar.
- 5. siehe Margit Scherb in: EPN (Entwicklungspolitische Nachrichten) Nr. 10/10. Oktober 1990, S.3.