Verfassungsnovelle

Im Jahr 1985 haben die Länder einen Forderungskatalog an den Bund gerichtet, der eine Stärkung der bundesstaatlichen Strukturen bewirken sollte. Dieser Forderungskatalog wurde in wichtigen Teilbereichen verwirklicht. Wieder eingeführt wurde die Landesbürgerchaft, da diese ein typisches Merkmal des Bundesstaates darstelle. Gemäß Art 6 Abs 2 gelten nun alle jene Staatsbürger, die in einem Bundesland ihren ordentlichen Wohnsitz haben, als dessen Landesbürger. Abs 1 dieser Bestimmung stellt jedoch klar, dass für die Republik eine einheitliche Staatsbürgerschaft besteht. Für die Ausübung politischer Rechte stellt die Landesbürgerschaft ein zulässiges Differenzierungskriterium dar, darüber hinausgehende Differenzierungen zwischen Staats- und Landesbürgern scheitern am Gleichheitsgrundsatz.   Kompetenzverteilung Durch Art 16 Abs 1 wird den Ländern eine Kompetenz zum Abschluss von Staatsverträgen mit Nachbarstaaten in den Angelegenheiten ihres selbständigen Wirkungsbereiches mit Zustimmung der Bundesregierung eingeräumt. Die Länder können also - soweit ihre Gesetzgebungskompetenz reicht – Angelegenheiten durch einen gesetzesergänzenden oder gesetztesändernden Staatsvertrag regeln. Durch die Neufassung des Art 50 Abs 1 bedarf der Abschluss eines Staatsvertrages durch den Bund, soweit Durchführungsmaßnahmen der Länder erforderlich sind oder der Wirkungsbereich der Länder in anderer Weise berührt wird, der Zustimmung des Bundesrates. Im Gegenzug wurde dem Bund durch eine Ergänzung des Art 10 Abs 1 Ziffer 12 die Kompetenz für Luftreinhaltung (ausgenommen Heizungsanlagen) und für Abfallwirtschaft hinsichtlich gefährlicher Abfälle eingeräumt. Weiters eine Bedarfskompetenz bezüglich anderer Abfälle.   Volksbegehren, Volksbefragung Zukünftig ist für die Einbringung eines Volksbegehrens neben der notwendigen Anzahl von Unterschriften, lediglich Voraussetzung, dass das Volksbegehren eine durch Bundesgesetz zu regelnde Angelegenheit betrifft. Das Volksbegehren muss nicht mehr als Gesetzesentwurf vorgelegt werden. Keine Berücksichtigung fand ein Antrag der Grünen, wonach ein Volksbegehren, das im Nationalrat keine Mehrheit fand, im Wege einer Volksabstimmung als Gesetz beschlossen werden kann. Neu eingeführt wurde der Art 49b, der die Durchführung einer Volksbefragung in Angelegenheiten von grundsätzlicher, gesamtösterreichischer Bedeutung, zu deren Regelung der Bundesgesetzgeber zuständig ist, normiert, sofern sie der Nationalrat beschließt.   Unabhängige Verwaltungssenate Durch die neugeschaffenen Verwaltungssenate wollte der Bundesverfassungsgesetzgeber ''Tribunale'', die dem Standard des Art 6 EMRK entsprechen, installieren. Ob dies gelingt, hängt von den Verfahrensvorschriften, die durch Bundesgesetz erfolgen, beziehungsweise der Organisation dieser Behörden, die durch Landesgesetz erfolgt, ab. Der Standard der Menschenrechte entwickelt sich weiter. Dies wird deutlich durch das zu erwartende Inkrafttreten des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK: "Wer von einem Gericht wegen einer strafbarer Handlung verurteilt worden ist, hat das Recht, das Urteil von einem übergeordneten Gericht überprüfen zu lassen." Dies würde eine zweite, unabhängige Instanz erfordern. Zweifelhaft ist, ob diesem Erfordernis die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts entsprechen. Eine kassatorische Entscheidung würde hier ausreichen, jedoch ist die Überprüfung beschränkt und kann in manchen Fällen abgelehnt werden. Durch eine verfassungsgesetzliche Ermächtigung wurde eine Kompetenzausweitung für die unabhängigen Verwaltungssenate geschaffen. Nämlich dadurch, dass der jeweils für die Regelung einer Verwaltungsmaterie zuständige Bundes- oder Landesgesetzgeber Entscheidungskompetenz an diese Senate übertragen kann. Damit ist es möglich, die Zuständigkeit der Senate in jenen Fällen zu begründen, in denen es um die Entscheidung über "civil rights and obligations" im Verwaltungswege geht. Auch für Säumnisbeschwerden sind die unabhängigen Verwaltungssenate zuständig. Wird diese Behörde säumig, kann Säumnisbeschwerde an den VwGH erhoben werden. Die Bestimmung über die Maßnahmenbeschwerde wurde aufgehoben. Für Beschwerden über Akte unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt sind ebenfalls die unabhängigen Verwaltungssenate zuständig. Die von dieser Behörde ergangenen Bescheide können beim VfGH (VwGH) angefochten werden. Grundsätzlich unterliegen Entscheidungen der Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate der Überprüfung durch den VwGH (VfGH). Der VwGH kam durch Beschluss die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates ablehnen. Dies dann, wenn eine "geringe" Geldstrafe verhängt wurde und die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Diese Bestimmung ist an Art 144 Abs 2. angelehnt. Der Verfassungsausschuss war der Auffassung, dass eine solche Regelung gerechtfertigt sei, weil sich die Beschwerde gegen die Entscheidung eines unabhängigen Verwaltungssenates richtet, der infolge seiner Organisation gerichtsähnlichen Charakter hat, und von·dieser Behörde alle wesentlichen Rechtsfragen geklärt werden können. Diese Begründung ist dürftig. Es kommt doch bei einer Überprüfung durch den VwGH nicht darauf an, ob die Unterinstanz in der Lage war, alle wesentlichen Rechtsfragen zu klären, sondern vielmehr darauf, ob die Rechtsfrage innerhalb der Verfahrensvorschriften und durch korrekte Subsumtion des Sachverhaltes unter die anzuwendenden Bestimmungen der Rechtsordnung gelöst wurden. Im Verwaltungsgerichtshofgesetz wird eine Regelung zu treffen sein, wann von einer "geringen Geldstrafe" gesprochen werden kann. Gemäß §16 Abs 1 VstG ist neben einer Geldstrafe auch eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen. Bei Uneinbringlichkeit einer Geldstrafe, sei sie noch so gering, ist eine Freiheitstrafe unvermeidbare Folge. Kam der VwGH auch in diesem Fall die Beschwerde ablehnen? Die Bestimmung ist auch insofern problematisch, als die Behörde durch eine Strafbemessung knapp unter der Geringfügigkeitsgrenze eine Überprüfung durch den VwGH vereiteln kann.   Volksanwaltschaft Der Volksanwaltschaft wird ein Mitwirkungsbefugnis bei der Erledigung von an den Nationalrat gerichteten Petitionen eingeräumt Die Volksanwaltschaft ist auch berechtigt, in Angelegenheiten der Selbstverwaltung und der Verwaltung durch weisungsfreie Behörden Empfehlungen zu erteilen. Zum selben Zeitpunkt, am 1.1.1991., wenn der Großteil der B-VG Novelle in Kraft tritt, kommt auch ein neues Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit zur Anwendung. Es enthält den Grundsatz, dass bei Verhängung von (Ersatz)Freiheitsstrafen durch Verwaltungsbehörden jedenfalls die Möglichkeit eines Rechtmittels an eine unabhängige Behörde gegeben sein muss. Es garantiert, wenn jemandem rechtswidrig die Freiheit entzogen wurde, auch den Ersatz immaterieller Schäden.