Das Machtgefühl als Lustquelle drängt in seiner Befriedigungssucht dazu, andere zu unterdrücken und zu schädigen. Die Menschen haben die Tendenz, sich durch Gesetz den Weg zur Lust zu verbauen. (Erotik-Ausstellung, Wien 1990). Das Ventil für die verbaute Lust der Herrschenden ist die weibliche Prostitution. Der Gesetzgeber steht vor einer äußerst schwierigen Aufgabe, ist er doch nach Gail Pheterson selbst betroffen: "In der BRD arbeiten schätzungsweise 400.000 Prostituierte. Man geht davon aus, dass täglich 1,2 Millionen Männer Prostituierte aufsuchen. Diese Zahl kann man natürlich nicht mit 365 Tagen hochrechnen - Feiertage und Urlaub sind zu berücksichtigen, manche Frauen arbeiten nur wenige Tage im Jahr, und Doppelzählungen der Männer sollten auch vermieden werden - aber sie mit 10 Tagen zu multiplizieren scheint als Minimalansatz realistisch. Demnach gab es in der Bundesrepublik 12 Millionen Freier. Knapp 60 Millionen Einwohner hat die BRD, und die Hälfte davon sind schätzungsweise Männer, also ungefähr 30 Millionen, wovon sich ca. 16 Millionen Männer derzeit im geschlechtsaktiven Alter befinden - Kinder und alte Menschen ausgeschlossen. Stellen wir diese beiden Zahlen 12 Millionen Freier und 16 Millionen Männer im geschlechtsaktiven Alter einander gegenüber, so müssen wir sagen, dass es sich bei drei von vier Männern um Freier handelt (Homosexuelle bleiben bei diesem Zahlenbeispiel unberücksichtigt). Wir haben es also mit einer weitaus größeren Zahl von Männern als Prostituierten zu tun, mit Männern, die Gesetze erlassen und ausführen, die Politik und Wirtschaft und die gesellschaftlichen Werte bestimmen, Macht und Einfluss haben, aber aufgrund ihrer Doppelmoral nicht zu ihrer Sexualität stehen können und nicht zugeben wollen, dass sie zu Prostituierten gehen." Dementsprechend sieht auch die Gesetzgebung aus: Für Wien galt bislang das Landesgesetz vom 7. Dezember 1983 über die Regelung der Prostitution. Seit dem Februar 1990 gibt es dazu eine Novelle, der unter anderem ein Initiativantrag der ÖVP voranging. Wie immer ging es nicht nur um die Schaffung einer "Bannmeile" von 150 Metern zum Schutze von Kindern, Jugendlichen und BürgerInnen, sondern auch um die Stigmatisierung der Gestrauchelten. Der § 2 Abs. 3 des alten Gesetzes lautet: "Gewerbsmäßigkeit liegt vor, wenn die Anbahnung, Duldung oder Handlung wiederholt zu dem Zweck erfolgt, sich eine, wenn auch nicht regelmäßige, Einnahme zu verschaffen." Die ÖVP argumentierte folgendermaßen: Der Begriff "Gewerbsmäßigkeit" soll nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches ausgelegt werden. "Gewerbsmäßigkeit" ist im § 70 StGB wie folgt umschrieben: "Gewerbsmäßig begeht eine Handlung, wer sie in der Absicht vornimmt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen." Diese Definition wird im Verwaltungsstrafverfahren durchgehend angewendet, so insbesondere bei der Handhabung des Geschlechtskrankheitengesetzes. Durch die abweichende bisherige Definition der Gewerbsmäßigkeit im Wiener Landesprostitutionsgesetz mussten zwei verschiedene Begriffsbestimmungen für einen Sachverhalt angewendet werden. Das Wort "wiederholt" macht den Nachweis der Prostitution schlechthin unmöglich. Was wiederum der Exekutive ermöglicht, der Prostituierten schon beim ersten Mal ihrer Habhaftwerdung Gewerbsmäßigkeit vorzuwerfen. Die technische Vereinfachung für die Exekutive bedeutet noch leichtere Kriminalisierung der Frauen. Selten sind die Fronten zwischen Mann und Frau so klar. Für die soziologischen und psychologischen Betrachtungen sei auf PFEFFERPUSCH (Seite 22) verwiesen. Dennoch lässt ein Gesetz, welches ausschließlich aus Verboten, Beschränkungen und Pflichten besteht, Rückschlüsse auf die Psyche und objektive Interessenslage des Patriarchats zu, das selbiges beschließt. Die Lage ist international ähnlich: So berichtet Margo St. James, Geschäftsführerin von COYOTE (einer US-amerikanischen Prostituiertengruppe), dass vor einigen Jahren die Gesundheitsbehörden in den Vereinigten Staaten die Zunahme eines Penicillin-resistenten Gonorrhoe-Stammes namens PPNG aus dem Fernen Osten meldeten. COYOTE trat für eine Untersuchung der Männer ein, die von Sexreisen aus Fernost heimkehrten, um eine Übertragung dieses resistenten Trippers auf heimische Prostituierte zu verhindern. Diese Untersuchung wurde als ein "Angriff auf die Intimsphäre der Männer" abgelehnt. Im Anschluss daran wandten sich die öffentlichen Gesundheitsvertreter mit der Bitte an COYOTE, die amerikanischen Prostituierten sollten zur Untersuchung gehen, wenn sie sich mit PPNG angesteckt hätten. Einzig das Finanzministerium betrachtet hierzulande, wie anderswo, die Prostitution als Arbeit. Rechtlich gilt die Prostituierte als Gewerbebetrieb und folgerichtig ihr Körper als Betriebsvermögen. Die steuerliche Einstufung wird in der Art geregelt, wie sie Finanzminister Lacina "nicht als zielführend" erscheint: Die Frauen werden dem Alter gemäß eingestuft - je älter desto niedriger die Abgabe. Von dieser Seite betrachtet zählen die Huren zu den am meisten unterdrückten Arbeiterinnen. Ein Gedanke von Gail Pheterson zum Abschluss: "Die feministische und sozialistische Antwort auf die Lage der Huren bestand bisher hauptsächlich in dem Ruf nach Abschaffung der Prostitution. Das Ziel solcher Strategien ist es paradoxerweise, die Arbeiter zu befreien, indem man die Arbeit abschafft."
NOVELLE ZUM WIENER PROSTITUTIONSGESETZ:
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