Seit der eiserne Vorhang im Osten gefallen ist, strömen immer mehr billige und willige FacharbeiterInnen nach Österreich. Für die bisherigen Billigstarbeitskräfte aus dem Süden und Südosten heißt es nunmehr: Zutritt verboten!
Allerspätestens mit den Berufsverboten wurde 1938 vielen OstmärkerInnen die Existenzgrundlage entzogen. Vor allem jüdische OstmärkerInnen wurden dadurch zur Flucht gezwungen. Für die meisten ein vergebliches Unterfangen, da man ihnen unter dem Vorwand, sie seien ja bloß Wirtschaftsflüchtlinge, überall das Recht auf Asyl verweigerte. Wo und wie diese "Wirtschafsflüchtlinge" ermordet wurden, ist hinreichend bekannt.
Heute haben wir wieder ein "Wirtschaftsflüchtlingsproblem". Zum Beispiel werden tausende kurdische Familien in der Türkei zwangsumgesiedelt, ihrer Existenzgrundlage beraubt und somit gezielt zur Flucht getrieben. Nach neuerstem Jargon: Wirtschaftsflüchtlinge! Freiwild für behördliche Willkür!
Im Jänner hat Österreich, nicht zuletzt auf Drängen des bundesdeutschen Innenministeriums, den Visumszwang für türkische Staatsangehörige eingeführt. Die Bundesregierung begründete diese Maßnahme unter anderem damit, dass "ein erheblicher Teil der sichtvermerkfrei in Österreich eingereisten türkischen Staatsbürger in Österreich politisches Asyl beantragt, um zumindest eine vorübergehende Aufenthaltsbewilligung zu erhalten und sich vor der Repatriierung in die Türkei zu schützen" und weiters, dass "sie zum größten Teil versuchen mit Hilfe von Mittelsmännern in andere westeuropäische Staaten zu gelangen." (BGBl. vom 31.1.1990)1 Ersteres stellt das Prinzip des "non-refoulment" (Nichtabschiebung von AsylwerberInnen, ein verfassungsrechtlich verankertes Recht), damit das Asylrecht als solches in Frage und zweiteres ist schlicht und einfach falsch.
Schon länger wird zum sogenannten "Schlepperunwesen" vom Innenministerium aus gezielt desinformiert, was von den meisten Zeitungen und vom ORF bereitwillig aufgegriffen wurde. Nachdem mit solchen Mitteln das Klima vorbereitet wurde, haben Abgeordnete der "SPÖVP", in großkoalitionärer Eintracht, unter dem Vorwand der "Bekämpfung des Schlepperunwesens" 2 einen Gesetzesantrag zur Änderung des Pass-, Grenzkontroll- und Fremdenpolizeigesetz eingebracht.
Der am 24. Jänner eingebrachte Antrag hätte unter Verzicht auf die erste Lesung, bereits am 22. Februar den Innenausschuss passieren und schon am 28. Februar vom Plenum abgesegnet werden sollen. Nur durch breiten Protest der "Aktion Grenzenlos", eine gegen diese Novelle gebildete Plattform verschiedenster Gruppierungen quer durch den politischen Gemüsegarten, amnesty international, UN-Hochkommissariat für Flüchtlingsfragen, verschiedener kirchlicher Gruppierungen, JuristInnen und anderer konnte diese Überrumpelungstaktik vorerst einmal vereitelt werden. Erreicht wurde die Vertagung der Entscheidung des Innenausschusses um 14 Tage auf den 8. März und ein ExpertInnenhearing vor dem Ausschuss. Doch dabei scheint es sich um eine bloße Alibiaktion zu handeln, da der Antrag ohne wesentliche Änderungen noch im März dem Plenum vorgelegt werden soll.
Verfassungsrechtlich bedenklich
Nach geltender Rechtslage ist eine formlose Zurückschiebung nach illegalem Grenzübertritt nur unmittelbar nach dem Grenzübertritt im Grenzgebiet erlaubt. Genau diese Einschränkungen sollen nach dem vorliegenden Entwurf fallen: Der Anwendungsbereich soll zeitlich auf sieben Tage und räumlich auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnt werden (§10 FrPolG). Als Voraussetzung für die Zurückschiebung reicht dann ein nicht ganz korrekter Grenzübertritt aus, der nach den Erläuternden Bemerkungen bereits vorliegt, wenn man an der Grenze "durchgewunken" wird. Damit wäre jede NichtstaatsbürgerIn sieben Tage lang der Willkür der Behörden ausgesetzt. Einziges Rechtsmittel wäre der Gang zum Verwaltungsgerichtshof vom Ausland her, was sowohl zeitlich als auch finanziell äußerst aufwendig und riskant ist.
Eine weitere bedeutende Änderung stellt die geplante bescheidmäßige Ausweisung (§ 10a des Entwurfs) dar. Nach geltender Rechtslage ist eine Abschiebung nur dann möglich, wenn ein ausdrückliches Aufenthaltsverbot verhängt wird. Ein solches muss begründet werden und einer Berufung dagegen kommt aufschiebende Wirkung zu. Genau hier hakt die geplante Novelle ein: Gegen eine Ausweisung gäbe es keinen effektiven Rechtsschutz, da einer Berufung dagegen keine aufschiebende Wirkung zukommen würde. D. h. der/die Betroffene hätte während der Dauer des Berufungsverfahrens kein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet. Er/sie kann ja beispielsweise die Entscheidung der österreichischen Behörden in einem türkischen Militärgefängnis unter den Fittichen eines Folterknechts abwarten.
Unerlaubter Aufenthalt
Voraussetzung für eine Ausweisung ist nicht mehr ein rechtswidriges Verhalten des/der Betroffenen, wie nach geltender Rechtslage für ein Aufenthaltsverbot, sondern es genügt bereits der "unerlaubte Aufenthalt im Bundesgebiet" (Das liegt auch hier vor, wenn "durchgewunken" wird).
Ein weiterer Teil des Entwurfs könnte als "lex Flughafensozialdienst" bezeichnet werden. Nachdem der Flughafensozialdienst erst letztes Jahr den Zutritt zum Transitraum in Wien-Schwechat ertrotzt hat, um Flüchtlinge und andere NichtstaatsbürgerInnen vor der behördlichen Willkür zu schützen, soll diese für die Grenzkontrolle offensichtlich unangenehme Einrichtung umgangen werden. Der Entwurf sieht vor, dass der Transitraum zum "Passinland" wird. Diese Regelung erlaubt, die Passkontrolle auf das Rollfeld, ja sogar in die Flugzeuge vorzuverlegen. Als "Draufgabe" müssten ex lege die Fluggesellschaften die Kosten für die Rückschaffung von Personen tragen, die sie ohne ausreichende Papiere für die Einreise transportieren. Die Antwort auf die Frage, wie ein/e politisch Verfolgte/r zu einem österreichischen Visum kommen soll, sucht man in den Erläuternden Bemerkungen vergeblich. "Natürlich werden die Grenzorgane keinem Asylwerber die Einreise verweigern", heißt es aus dem Innenministerium. Den bisherigen Erfahrungen mit den Praktiken der Kontrollorgane und der Fremdenpolizei nach zu schließen, darf eher das Gegenteil angenommen werden.
Sollte es einem/r NichtstaatsbürgerIn dennoch gelingen bis in den Transitraum vorzustoßen, berücksichtigt der Entwurf diesen Fall mit der Einführung besonderer Festnahmeregelungen für AusländerInnen. Weigert sich der/die NichtstaatsbürgerIn den Transitraum zu verlassen (sich freiwillig abschieben zu lassen), liegt bereits ein Festnahmegrund vor. Parallel dazu sieht die Novelle die Errichtung eines Gefängnisses am Flughafen Wien-Schwechat vor. Die dort Eingesperrten werden nach einer abenteuerlichen Konstruktion nicht in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt, sondern lediglich "konfiniert". Der feine Unterschied zum ordentlichen Einsperren besteht darin, dass es dem/der Betroffenen freisteht, jederzeit das Bundesgebiet zu verlassen. Die Konstruktion der Konfinierung geht auf eine Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zurück, betreffend den erzwungenen Aufenthalt auf einem Donauschiff aufgrund einer Zurückweisung (VfGH-Erkenntnis vom 26.6.1987). Im Gesetzesantrag wird diese Maßnahme unter anderem damit gerechtfertigt, dass "Fremde" immer häufiger spektakuläre Aktionen anwenden, um die Einreise in das Bundesgebiet und damit das Aufenthaltsrecht zu erzwingen. Dass sich darunter etliche AsylwerberInnen befanden und die Antragsteller somit die verfassungswidrigen Praktiken der Behörden als Argument für diese Novelle anführen, scheint sie nicht weiter zu stören.
Weiters sieht der Entwurf eine generelle Ausweispflicht für NichtstaatsbürgerInnen bei allen Verwaltungsverfahren vor. Wie die Verwaltungsorgane den Fremden (einziges rechtliches Kriterium dafür ist die Staatsbürgerschaft) erkennen sollen, bleibt dahin gestellt. Anzunehmen ist, dass der Beamte mehr oder weniger nach rassistischen Kriterien entscheiden muss, wer sich auszuweisen hat.
Normative Aufrüstung
Nach einer Stellungnahme des Vereins kritischer Juristen aus Salzburg3 unterläuft der vorliegende Entwurf gleich eine ganze Reihe internationaler Abkommen: Art. 8 EMRK (Schutz des Privat- und Familienlebens), Art. 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK (Schutz vor willkürlicher Ausweisung), Art 2 und 6 des 1991 in Kraft tretenden B-VG über den Schutz der persönlichen Freiheit, mehrere Artikel der Genfer Flüchtlingskonvention usw. Dazu Innenminister Löschnak auf einer Pressekonferenz im Flüchtlingslager Traiskirchen Mitte Februar: "Es muss Leute geben, die so viel Zeit haben, dass sie sich Tage mit einem Text beschäftigen können. Ich habe nicht so viel Zeit, mich mit juristischen Spitzfindigkeiten zu beschäftigen." (!)
Sollte diese Gesetzesnovelle in Kraft treten, wird es sehr schwer sein, sie im Rechtsweg zu bekämpfen. Voraussetzung für Beschwerden an den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts ist nämlich die unmittelbare Betroffenheit, z. B. jemand muss sich erst ausweisen lassen, bevor eine Beschwerde möglich ist.
Erfahrungen an den bundesdeutschen Grenzen zeigen, dass die Schlepperproblematik weder durch eine logistische noch durch eine normnative Aufrüstung des Grenzschutzes entschärft, geschweige dem gelöst werden kann. Ganz im Gegenteil: Erst die Verschärfung der Einreisebestimmungen für Flüchtlinge und ArbeitsmigrantInnen sichert den Schleppern ihr Geschäft. Effekt der Verschärfung ist nämlich, dass das Überwinden der Grenzen immer riskanter wird und somit die Preise der Schlepper steigen.
Anstatt die Schubabkommen mit der Bundesrepublik und der Schweiz aufzukündigen, lässt sich Österreich bereitwillig für deren restriktiven Ausländergesetzgebungen einspannen. Jüngstes Beispiel war die Einführung des Visumzwangs für türkische Staatsangehörige und das Drängen des bundesdeutschen Innenministeriums auf die Kontrolle der Sichtvermerke für jugoslawische StaatsbürgerInnen bereits an der jugoslawisch-österreichischen Grenze.
Zweifellos wäre es notwendig, die Flüchtlings- und ArbeitsmigrantInnenproblematik weltweit zu lösen. Geheimgremien a la Schengen und TREVI tragen sicher nicht zur Lösung der Probleme bei. Dort werden sie eher verschärft, da sie dazu beitragen, die Industriestaaten gegen die ärmeren Länder abzuschotten. Das österreichische Parlament würde mit einem Beschluss dieser Novelle zum Passgesetz endgültig von der relativ liberalen Asylpolitik der 70er Jahre abrücken und sich dem Diktat der Schengen- und Trevi-Staaten gänzlich unterwerfen.
- 1. BGBl. Nr. 30/1990 vom 31.1.90 (zur Einführung des Sichtvermerkzwangs für türkische Staatsangehörige)
- 2. II-9754 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des NR/Nr. 322/A vom 24.1.90 (Antrag zur Novellierung des Passgesetzes
- 3. Stellungnahme des Vereins kritischer Juristen Salzburg zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Passgesetz 1969, das Grenzk