Wien. (Red). Im Streit um das Hauptquartier der "Nationaldemokratischen Partei" (NDP) am Landstraßer Gürtel Nr. 19 hat das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsinstanz eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen: Es bestätigte das erstinstanzliche Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt und stellte damit klar, dass die Mieter des Hauses (vertreten durch Dr. Gabriel Lansky) "NDP- und Ausländer-Halt-Plakate", den "Aufenthalt mit Schlagstöcken bewaffneter Personen in den allgemeinen Teilen des Hauses", "Singen des Horst-Wessel-Liedes", "Grüßen mit dem Hitler-Gruß", "Bedrohungen und wörtliche und tätliche Behelligung" sowie andere Neonazi-Umtriebe nicht dulden müssen. Das Gericht kam zu dem Spruch, dass der Hauseigentümer, Helmut Marx, durch Räumung der von der NDP benutzten Räumlichkeiten "oder durch eine gleich wirksame Maßnahme seiner Wahl" sicherzustellen hat, dass die genannten "Behelligungen" unterbleiben. Dieser Spruch stützt sich auf § 1096 ABGB, wonach der Bestandgeber (der Vermieter) umfassend dafür zu sorgen hat, dass der bedungene Gebrauch einer Wohnung nicht durch Dritte beeinträchtigt wird. Während die genannten Störungen durch NDP-Angehörige und "Besucher" im Spruch des Bezirksgerichts noch ausdrücklich als "kriminelle und neonazistische Tätigkeit" bezeichnet werden, verzichtet das Landesgericht für ZRS im Urteilsspruch auf diese Qualifizierung, "da den Klägern ein Anspruch auf gerichtliche Entscheidung über ihre Werturteile nicht zusteht". Inder Urteilsbegründung merkt die Berufungsinstanz an, dass es für die Beurteilung des klägerischen Abhilfeanspruchs nach § 1096 ABGB zwar zunächst nicht auf die Erfüllung des Kalküls "neonazistisch" ankomme, sondern die Störungshandlungen in ihrer Gesamtheit nach dem Kriterium ihrer Eignung als rechtserhebliche Beeinträchtigung der klägerischen Bestandsrechte zu beurteilen seien. Schon das Erstgericht hatte allerdings die rechtserhebliche Beeinträchtigung durch NDP- und Ausländer-Halt-Plakate festgestellt, "erinnern Schlagworte wie >gegen Überfremdung - für ein deutsches Österreich<, ... >Ehre den deutschen Soldaten, tapfer, ritterlich, anständig< doch in fataler Weise an nationalsozialistische Propaganda, und sind daher derartige Plakate, die bei der Mehrzahl der Menschen solche Assoziationen hervorrufen, geeignet, das Wohnen in einem Haus, in dem man ständig mit solchen Plakaten konfrontiert ist, zu verleiden." Das Berufungsgericht führt dazu weiter aus: "Nicht zu dulden hat ein Mieter aber die Anbringung solcher Plakate politischen Inhalts, die entweder für eine Gruppierung werben, die gesetzwidrige Ziele verfolgt oder solche Plakate, deren politische Appelle dem Geist der österreichischen Staats- und Rechtsordnung zuwiderlaufen." ... "Die Formulierungen (des Plakates der >Ausländer-Halt-Bewegung<) lassen in ihrer rechtlichen Beurteilung die Absicht des Verfassers erkennen, bei den Betrachtern dieses Plakates Aggressionen gegen Ausländer zu erwecken, die als ehrlos, wucherisch und privilegiert denunziert werden. Ein solches Plakat verstößt mit seinem Inhalt ... gegen den in der österreichischen Rechtsordnung verankerten Grundsatz des Schutzes der menschlichen Würde und überschreitet damit rechtserheblich jenes Maß politischer Kundgebung Andersdenkender, welches ein Mieter in den allgemeinen Teilen seines Hauses dulden muss." Außerdem fiel dem Gericht auf, "dass die Aggressionen in diesem Text nur auf Ausländer und ausländische Produkte bestimmter Herkunft gelenkt werden." ... "Vollständig fehlt hingegen in dieser Ausländerhetze die Erwähnung jener Ausländergruppe, deren Aktivität in Österreich am stärksten zu spüren ist, nämlich der Deutschen, über die im Stile dieses Hetzblattes der Ausländer-Halt-Bewegung fortfahrend konsequenterweise etwa die Aussagen zu erwarten gewesen wären, dass sie unsere Alpentäler mit ihren Apartmenthäusern verpflastern, unsere Seen mit ihren Motorbooten verunreinigen, unsere Direktionsetagen mit ihren Managern besetzt halten sowie unsere Industriebetriebe und unsere Zeitungen mit ihrem Kapital dominieren", womit das Gericht auch noch erstaunlichen Sinn für Ironie bewies.
Zivilgerichte stellen fest