In Wahlkampfzeiten rücken auch sonst uninteressante Gruppen plötzlich ins Blickfeld derer, die auf Stimmenfang sind. Die Aktionsgemeinschaft steckt sich auf ihren Plakaten das Federl an den Hut, den Unterstützungsfond für studierende Mütter "erreicht" zu haben. Werbung für diese Errungenschaft macht ein Säugling, der so entzückend lächelt, dass frau sich fragt, woran es liegen kann, dass nicht schon mehr Kolleginnen die Freuden der Mutterschaft mit der Erlangung akademischer Würden zu verbinden versuchen. Wie aber sieht die Realität aus? Studierende Mütter·- gibt's die? Nach Auskunft des Frauenreferates am Hauptausschuss der ÖH der Uni Wien gibt es über die Lage von Studentinnen mit Kind kaum zuverlässige Daten. Nicht einmal die genaue Zahl der studierenden Mütter ist bekannt; es gibt eine Hochrechnung, die die Zahl der Geburten bei Studentinnen pro Jahr ungefähr bei 1500 ansetzt. Wie viele dieser Frauen ihr Studium fortsetzen, wie sie leben, wie ihre finanzielle Lage beschaffen ist - das weiß niemand genau. Vollends unbekannt sind die Motivlagen der Betroffenen. So viel Unkenntnis scheint auch ein Zeichen für fehlendes Interesse zu sein - Studierende mit Kind sind eben nicht mehr so richtige Studentinnen, aber auch noch nicht wirklich etwas Anderes. Sie haben keine Pressure-Group und aus Zeitmangel (wer würde inzwischen auf die Kinder aufpassen?) auch keine Gelegenheit, eine solche zu bilden. Immerhin gibt es seit dem letzten Semester einen Topf, aus dem an "studierende (werdende) Mütter" ein wenig Geld fließt. Dieser Unterstützungsfonds wird von drei Stellen gespeist: die Bundesministerien für Wissenschaft und Forschung und für Umweltschutz, Jugend und Familie sowie die österreichische Hochschülerschaft tragen dazu bei. Genug Unterstützung? Jede dieser Stellen ist mit der Bearbeitung der Anträge befasst, die bei den Sozialreferaten der ÖH gestellt und von ihnen weitergeleitet werden. Je nachdem, wo der Antrag landet und wie er die "finanzielle Notlage" und die "Mittel" zu ihrer "Lösung" darstellt, sind die Chancen, Geld zu bekommen, unterschiedlich groß. Während bei der Stipendienstelle des Wissenschaftsministeriums eher Kriterien des Studienfortschritts oder -erfolges angelegt werden, geht es im Familienressort spezifisch um die Förderung der Mütter und ihrer Kinder, also um soziale Gesichtspunkte. Die ÖH versucht, mit ihren Mitteln "die übrigen" aufzufangen. Die Bearbeitung der Anträge kann sehr lange dauern, wenn sie positiv erledigt werden, kann sich die Wartezeit aber gelohnt haben; die Beträge, die ausgezahlt werden, sind nicht unansehnlich. Leben können Frau und Kind davon allerdings nicht. Wenn ein verdienender Vater oder zahlungsfähige (Groß)Eltern nicht vorhanden sind und wenn auch das Stipendium wackelt, dann bleibt oft nur noch die Sozialhilfe, oder die "Karenzgeldersatzzahlung" für bedürftige Mütter ohne Anspruch auf Karenzgeld. Sie wird allerdings nur für ein Jahr, z.B. in Wien, gewährt (laut ÖH-Broschüre "Studieren mit Kind"). Danach sind Frau und Kind auf die "normale" Sozialhilfe angewiesen. Prinzipiell scheint es recht erfreulich zu sein, dass studierende Mütter immerhin finanziell nicht völlig allein gelassen werden. Andererseits geschieht fast nichts, um ihnen die speziell mit dem Fortführen des Studiums verbundenen Probleme zu erleichtern. Was soll frau mit dem Kind machen, wenn sie in die Bibliothek will, wenn sie auf Seminar oder Exkursion fahren muss, wenn sie am Abend Lehrveranstaltungen besuchen will? Streng nach dem Grundsatz, dass Kinderhaben und Kinderversorgen Privatsache, vor allem jedoch Frauensache, ist, gibt es kaum Einrichtungen, die sich speziell darum kümmern würden, was mit StudentInnenkindern passiert, wenn ihre Eltern studieren. Wollen sie das tun, wollen sie vielleicht noch ein bisschen Privatleben nebenher haben, dann müssen sie anfangen, sich die Infrastruktur der Kinderversorgung selber zu organisieren. Das Leben als Mutter und Studentin (und hier rede ich aus langer Erfahrung) ist vor allem ein Organisationsproblem. Traditionellerweise wird das meist mit Hilfe der Großeltern gelöst Für studentische Jungfamilien, die auf diese Bequemlichkeit nicht zurückgreifen können, gibt es Kindergärten und Krabbelstuben, die aber meist für sozial schwache StudentInnen fast zu teuer sind. In Wien etwa stehen derzeit 45 Plätze im ÖH-Kindergarten zur Verfügung, der aber mehr "klassischer" Kindergarten ist, als auf studentische Bedürfnisse zugeschnitten. Seine Öffnungszeiten liegen ganz im Rahmen des Hergebrachten: von acht bis siebzehn Uhr. An eine Erweiterung denkt man in der ÖH-Exekutive aus Kostengründen schon lange nicht mehr. Die ÖH hat bisher wenig konkrete Ideen zum Problemkreis "Studieren mit Kind(ern)" entwickelt, was daran liegen mag, dass den Zuständigen mangels Betroffenheit nichts dazu einfallt. Im Jahre 1987 gab das Sozialreferat des ZA eine Broschüre gleichen Titels heraus. Darin gibt es vor allem eine Adressensammlung, die Behörden und Ämter auflistet, bei denen die junge Mutter (denn an diese ist die Broschüre wohl vorrangig gerichtet) zu Babywäschepaketen und finanzieller Unterstützung kommen kann und wo frau sich hinwenden soll, wenn sie irgendetwas braucht. Soweit, so gut: Gebe es da nicht auch noch, den Informationen vorangestellt, sogenannte "Gedanken und Tipps" dazu, wie das Lernen mit Kindern zu meistern sein soll. Die jungen (glücklichen?) Mütter sollen sich nicht zu viel vornehmen - studienmäßig, versteht sich - denn abgesehen davon, dass auch die bravsten Kinder Phasen durchmachen, in denen sie unausstehlich sein sollen - langsam kommt frau auch zum Ziel. Ansonsten heißt es auch noch "bleibt nur eines: Lerne in der Nacht, wenn das Kind schläft" - und wenn die Bibliotheken zu sind. Wenn das Kind krank ist, sollte sich die Mutter auch von wichtigen Veranstaltungen oder gar Prüfungen nicht davon abhalten lassen, bei ihrem Kind zu bleiben - sie kann ja notfalls noch ein bisschen langsamer studieren. In dieser Qualität geht es weiter. Aus alledem wird deutlich, dass - wenigstens bei den VerfasserInnen dieser Broschüre - die Meinung vorherrscht, das Kind habe jedenfalls Vorrang vor dem Studium. Babies haben eben eine Lobby – Mütter nicht.
"Familienpolitik" an der Uni