Menschenrechtskonvention

Die Realität wird schon bald die österreichische Rechtslage überholt haben. Voraussichtlich wird im Juni auch die letzte Bastion des Rundfunkmonopols fallen. Vertraulichen Informationen zufolge wird ab diesem Zeitpunkt ein privater Kommerzsender von Ungarn aus seine Programme bis in die Bundeshauptstadtausstrahlen. Die Stellung des ORF als Monopolunternehmen entsteht daraus, dass nur für ihn und keine anderen TrägerInnen eine gesetzliche Grundlage zum Betreiben von Rundfunk geschaffen wurde. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:1 Der Artikel 10 der im Verfassungsrang stehenden Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleistet als Bestandteil des Anspruches auf freie Meinungsäußerung unter anderem das Recht auf Freiheit zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen, auch mit Hilfe von Rundfunkanlagen. Die genannten Freiheitsrechte werden einerseits durch die in Art 10 Abs. l enthaltene Ermächtigung, Rundfunk- und Fernsehunternehmungen einem Genehmigungsverfahren zu unterwerfen; andererseits durch den im Art 10 Abs. 2 vorgesehenen materiellen Gesetzesvorbehalt eingeschränkt. Weitere verfassungsrechtliche Grundlage ist das "Bundesverfassungsgesetz zur Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks". Der VfGH legt dieses dahingehend aus, dass Rundfunk nur auf Grund einer bundesgesetzetlichen Ermächtigung betrieben werden darf und dass das damit eingerichtete Konzessionssystem mit Art. 10 MRK im Einklang steht. Ein solches Ausführungsgesetz ist bisher nur für den ORF erlassen worden (ORF-Gesetz). Dieses enthält keine Regelungen über die Erteilung oder Nichterteilung von Genehmigungen an andere Rundfunkunternehmen. Daraus folgt, dass Rundfunk im Sinne des BVG-Rundfunk nur vom ORF und sonst von niemandem betrieben werden darf. Da Anlagen zum Betreiben von Rundfunk notwendigerweise auch Fernmelde-(Funksende-)anlagen sind, bedarf es auch einer Bewilligung gemäß § 3 Abs. l Fernmeldegesetz. Der VfGH erachtet im oben zitierten Erkenntnis die Bild 1 Fernmeldebehörde als zuständig eine Bewilligung zu versagen, auch wenn die im Fernmeldegesetz vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt werden und die Ablehnung nur aus rundfunkrechtlichen Gründen (im Regelfall wird dies das Fehlen einer gesetzlichen Genehmigung sein) erfolgen kann. 
 "Legalkonzession" Es erscheint fraglich, ob das durch Art. I des BVG-Rundfunk eingerichtete Konzessionssystem durch den Genehmigungsvorbehalt des Art. 10 Abs.1 MRK gedeckt ist. Dieser spricht von einem ''Genehmigungsverfahren''. Im Regelfall wird darunter wohl die Einrichtung eines Verwaltungsverfahrens mit Parteistellung der KonzessionswerberInnen und Entscheidungspflicht der Behörde zu verstehen sein. Ein solches Verfahren ist jedoch im BVG-Rundfunk nicht vorgesehen, es können vielmehr nur auf dem Wege einer Legalkonzession die erforderlichen Bewilligungen erteilt werden. BINDER2 erscheint dies einerseits wegen der mangelnden Möglichkeit eine "Konzessionierung durch die Gesetzgebung" zu betreiben, andererseits im Hinblick auf Art. 13 MRK konventionswidrig. Art 13 MRK garantiert das Recht, bei einer nationalen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben. 
 Rundfunk"unternehmen" Eine solche Beschwerde gegen die Gesetzgeber, z.B. wegen Untätigkeit ist in der Österreichischen Rechtsordnung aber nicht vorgesehen. Art. I des BVG-Rundfunkerscheint auch deshalb konventionswidrig, weil es das System der Legalkonzession auf Rundfunk insgesamt und nicht nur auf Rundfunkunternehmen erstreckt. Das bedeutet, dass Rundfunk in nicht-unternehmerischer Form, wenn er an die Allgemeinheit gerichtet ist, auch einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Dies stellt eine durch Art. 10 MRK nicht gedeckte Erweiterung der Konzessionspflicht dar. 
 Ausgewogenheitsthese Ein wesentlicher Bestandteil des BVG-Rundfunk ist, die "Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme, sowie die Unabhängigkeit der Personen und Organe" zu garantieren, kurz, die Ausgewogenheit des Rundfunks zu bewirken. Nach der Ansicht BINDERS steht das BVG-Rundfunk mit diesem Anliegen im Widerspruch zur Meinungsfreiheit, die ja gerade die subjektive, persönliche Meinung der Einzelnen, die nicht ausgewogen ist und dies auch nicht sein muss, verfassungsgesetzlich schützt. Die These von der notwendigen Ausgewogenheit des Rundfunks ist nur eine Folge der Monopolisierung des Rundfunks. Nur der Umstand, dass der Staat allein den Rundfunk dominiert, lässt als Ausgleich dazu die Notwendigkeit entstehen, den monopolistischen Rundfunk ausgewogen zu gestalten. Problematisch bei dieser Verfassungsbestimmung ist, dass die Einzelnen, die ja theoretisch auch Zugang zum Rundfunk durch besondere Bundesgesetze erhalten könnten, zur Ausgewogenheit verpflichtet wären (ein Beispiel zur Veranschaulichung: man/frau stelle sich einen feministischen Sender vor, der zu Objektivität und Unparteilichkeit in der Berichterstattung über die Position des Papstes zum Thema Verhütung verpflichtet wäre ... ). Aus dem Umstand, dass keine anderen TrägerInnen des Rundfunks als der ORF durch Gesetz eingerichtet wurden, wird die Stellung des ORF als "de facto Monopol" geschaffen. Will man/ frau dieses Monopol durchbrechen, müsste er/sie die GesetzgeberInnen dazu bewegen, ein entsprechendes Gesetz. zu erlassen. Dass dies gerade für Gruppen und Initiativen, die sich durch die "Mehrheitsmeinung" nicht vertreten fühlen, schwer durchsetzbar ist, liegt auf der Hand. 
 Was nun? Eine weitere Möglichkeit die staatliche Dominanz auf dem Gebiet des Rundfunks in Österreich abzuschaffen wäre, das Verfassungsgesetz, das die Legalkonzession vorsieht, anzugreifen. Dieses BVG widerspricht wie oben ausgeführt aus mehreren Gründen offensichtlich der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dies hat für den innerstaatlichen Rechtsbereich allerdings insofern keine praktische Bedeutung, da das BVG-Rundfunk im Verfassungsrang steht und daher als jüngeres und spezielleres Gesetz die Wirkungen des Art. 10 Abs. I MRK verdrängt. Auch erachtet der VfGH in seinem Erkenntnis, in einer sehr formalen Auslegung der Grundrechte und mit, wie üblich, unzureichender Begründung, das BVG-Rundfunkmit der MRK im Einklang. Sollte der VfGH seine Rechtsprechung in dieser Frage nicht revidieren, ist auch von dieser Seite keine Änderung der Situation zu erwarten. Was bleibt, ist der kostspielige Weg zu den Straßburger Instanzen. Die Rechtsmeinung der Europäischen Menschenrechtskommission in der Frage der Zulässigkeit von staatlichen Rundfunkmonopolen ging bis Anfang der 70-er Jahre dahin, das sie Monopolsysteme zwar grundsätzlich für zulässig hielt, aber vorwiegend historische Gründe und technische Unmöglichkeiten dafür geltend machte. Mit der Änderung der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse des Rundfunks in den Konventionsstaaten konnte eine Änderung dieser Auffassung erwartet werden. Bereits 1976 hat die Kommission festgestellt, dass sie ihre Meinung, dass die MRK zwar Rundfunkfreiheit gewähre, staatliche Monopole aber decke, ''purely and simply" nicht mehr aufrechterhalten könne. 
 Straßburg Österreich ist einer der letzten Konventionsstaaten, der das Rundfunkmonopol ohne jede Einschränkung aufrechterhält. Der italienische Verfassungsgerichtshof hat bereits 1976 das staatliche Rundfunkmonopol wegen Verstoßes gegen die Meinungsfreiheit für verfassungswidrig erklärt. In dieser Betrachtung sei dahin gestellt, ob es sinnvoll wäre, die Wahrung der Meinungsäußerungsfreiheit im Bereich des Rundfunks den wirtschaftlichen Kräften des Marktes zu überlassen (was eine gänzliche Aufhebung des staatlichen Einflusses bewirken würde), oder ob dem Staat nicht doch bestimmte lenkende und fördernde Aufgaben zukommen sollten.

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In welcher Verfassung ist der Rundfunk?