RUNDFUNKFREIHEIT

Die Realität wird schon bald die österreichische Rechtslage überholt haben. Voraussichtlich wird im Juni auch die letzte Bastion des Rundfunkmonopols fallen. Vertraulichen Informationen zufolge wird ab diesem Zeitpunkt ein privater Kommerzsender von Ungarn aus seine Programme bis in die Bundeshauptstadtausstrahlen. Die österreichische Medienlandschaft ist in Bewegung. In den letzten Jahren hat sich ausländisches Kapital massiv in die Printmedien eingekauft. Kurier und Krone wurden durch die WAZ-Beteiligung sozusagen fusioniert. Neben dem gemeinsamen TV-Programm und der gemeinsamen Vertriebsgesellschaft tritt der deutsche Einfluss auf die Redaktion des K.u.K. Medienverbundes immer klarer zutage. Bei Themen wie Asylpolitik, Terrorismus, Polizei, Gastarbeiter, Abtreibung und vielen anderen scheint die redaktionelle Unabhängigkeit durch direkten und indirekten Einfluss nicht mehr gegeben zu sein. Die Gründung der neuen Tageszeitung "Der Standard" wurde überhaupt erst durch Springerkapital möglich. Der britische Großverleger Maxwell streckt seine Fühler in Richtung sozialdemokratisches Kleinformat aus. Doch kann dies kaum mehr die Qualität des österreichischen Journalismus schmälern, er gehört schon lange zum niveaulosesten der Welt. Von dem Aderlass durch die Berufsverbote im November 1939 hat er sich nie erholt.   Radio Print Aber wir glücklichen Österreicher haben ja noch unseren per Gesetz zur "Objektivität" verpflichteten ORF, wobei die Betonung auf "noch" liegt. Teddy Podgorsky schaufelt nämlich gerade fleißig am Grab der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt. Der GI plant gemeinsam mit dem Verband Österreichischer Zeitungsherausgeber (VÖZ) eine vierte Radiostation aus der Taufe zu heben. Dieses geplante Projekt leidet aber unter ein paar empfindlichen Schönheitsfehlern. Die technischen Einrichtungen für "Radio Print", so der Name, werden den Zeitungsverlegern vom ORF zur Verfügung gestellt, obwohl sie mit dem Geld der Gebührenzahler finanziert wurden. Die Zeitungsverleger "verpflichten" sich dafür ihrerseits bis 1995 keine eigenen TV-Programme auf die Beine zu stellen. "Radio Print" dann noch als Vergrößerung der Medienvielfalt zu verkaufen, scheint nur in Österreich möglich zu sein. Trotz einiger Schwierigkeiten bezüglich der Aufteilung des Werbekuchens wirken beide Parteien sehr zuversichtlich. So meinte Herbert Binder, der Präsident der VÖZ nach einer Verhandlungsrunde mit dem ORF vergangenen Herbst: "Organisatorisch ist alles klar, nur finanziell noch nicht." Und A. Mock meinte, dass nun die Tür zur Vielfalt aufgemacht sei. Dass die Politiker im ORF-Kuratorium zustimmen, spricht für sich. Die ÖVP scheint sich den finanzkräftigen Zeitungsverlegern verpflichtet zu fühlen und die SPÖ scheint wieder einmal eine Diskussion verschlafen zu haben. Wie wenig die Zusage der Zeitungsverleger, keine TV-Anstalten bis 1995 auf die Beine zu stellen, wert ist, zeigt die Tatsache, dass sich der "Kurier" bereits an SAT1 und die "Krone" an RTL beteiligt haben.   Kommerz auf Megahertz Heute existiert das ORF-Monopol nur mehr im Osten Österreichs. Den Westen verstrahlen schon seit Jahren Kommerzsender von Italien und Bayern aus. So sendet seit Ende der siebziger Jahre "Radio Valcanale" regelmäßig nach Kärnten und Osttirol. Unterstützt wird dieser Sender von der sozialdemokratischen "Kärntner Tageszeitung". Seit 1984 strahlt die Gesellschaft "Radio-Tele UNO" ein Radioprogramm aus, plant aber schon ein TV-Programm. Die Sendeanlage steht im Dreiländereck auf italienischem Gebiet, wird aber von der Kärntner ElektrizitätsAG mit Strom versorgt. Unterstützt wird Radio-Tele UNO durch Spenden der FPÖ. Von Südtirol aus senden eine Reihe weiterer Privatradios nach Österreich. "Radio Südtirol", "Radio Brenner" und "Radio Transalpin" sind nur einige Beispiele. "Radio Transalpin" betreibt am Wilden Freiger einen der stärksten Kurzwellensender Europas, mit dem es noch Teile Salzburgs und den süddeutschen Raum erreicht. Einer der beiden Geschäftsführer der Betreibergesellschaft, der Wiener Holding MBB (Medien-Betriebs-Beteiligungsgesellschaft), ist der frühere Pressesprecher des (Ex-)ÖVP-Obmannes Alois Mock Herbert Vytiska. Der andere Geschäftsführer ist H. Pecina, Direktor der Österreichischen Girozentrale. Auch hier sticht die politische Ausrichtung ins Auge.   Monopol, wie lange noch? Herbert Vytiska ist auch jener, der dem ORF-Monopol endgültig den Gnadenstoß versetzen wird. Voraussichtlich ab Juni dieses Jahres wird ein Radio seiner Gesellschaft von Ungarn aus den Osten Österreichs "beglücken". Wird es Wien erreichen, was anzunehmen ist, dann ist es mit dem Monopol vorbei. Ob es formal bestehen bleibt, ist für die finanzkräftigen Medienhaie Österreichs keine Frage mehr. Sie und ihre Hintermänner haben sich bereits ihren politischen Einfluss und ihren Anteil am Werbekuchen gesichert. Sie können mittlerweile auch mit dem Monopol leben.   "Freie Radios" Die Gründung freier, assoziativer, nichtkommerzieller Lokalradios wird jedoch durch die Beibehaltung des Monopols unmöglich gemacht. Trotz starker Bedenken anerkannter Verfassungsjuristen, wie zum Beispiel dem Wiener Ludwig Adamovich oder dem Linzer Bruno Binder, wurde das ORF-Monopol von der Regierung stets damit verteidigt, dass es im kleinen Österreich nicht genug freie Frequenzen gäbe und dass man italienische Zustände vermeiden wolle. Ein weiteres Argument ist, dass Rundfunk eine viel zu kapitalintensive Angelegenheit sei. Spätestens mit der Inbetriebnahme der Radiostation in Ungarn ist das erste Argument entkräftet. Das zweite war nie mehr als ein billiger Vorwand. Dass das Medium Radio alles andere als extrem kapitalintensiv ist, beweist die Tatsache, dass es in vielen europäischen Ländern nichtkommerzielle Radios gibt.   Artikel 10 MRK "Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten ohne Eingriff öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein." Trotz dieser eindeutigen Bestimmung wird in Österreich auf der Beibehaltung des Monopols beharrt. Auch im Schlussdokument des Wiener KSZE-Folgetreffens heißt es: "Die Teilnehmerstaaten werden gewährleisten, dass Einzelpersonen ihre Informationsquellen frei wählen können ... und sicherstellen, dass Rundfunksendungen... direkt und normal empfangen werde; sowie Einzelpersonen, Institutionen und Organisationen... gestatten, alle Arten von Informationsmaterial zu erwerben, zu besitzen, zu reproduzieren und weiterzugeben... ". Die österreichischen Behörden sind sich nicht zu blöd, gegen die wenigen Initiativen für eine freiere Gestaltung des Rundfunks mit unverhältnismäßig hohem Aufwand vorzugehen. Gegen die wenigen "Piratensender", die es in Österreich gibt, wie zum Beispiel "Radio Sozialfriedhof', "Radio ÖGB (Österreich geht's blendend)", "Radio Sprint", "Radio Widerstand" oder "Radio Notwehr", setzt sich eine wahre Armada von Peilwagen der Post, Funkstreifen und Staatspolizisten in Bewegung. Freilich mit sehr geringem Erfolg. Nur zwei Sender konnte die Post in den letzten zwei Jahren beschlagnahmen (Das ist durchschnittlich ein Sender pro Jahr!!). Den letzten Sender beschlagnahmte die Post anlässlich eines Round-table-Gespräches zur Situation der österreichischen Medienlandschaft, organisiert von der PERL (Europäische Föderation Freier Radios) in Wien am 18. Februar 1989. JURIDIKUM berichtete darüber. Als am 18. Februar vom Wiener Leopoldsberg mit der Liveübertragung der Veranstaltung an der ca. 200 JournalistInnen, VertreterInnen verschiedener europäischer freier Radios und zahlreiche MedieninteressentInnen teilnahmen, begonnen wurde, rückten sofort Postfüchse samt Stapozisten an, um den Sender zu beschlagnahmen. Gegen "Radio UFO" (Unabhängiges Funkobjekt), das in der Woche vor der Kärntner Landtagswahl von Italien aus ein slowenisch-deutsches Programm in das südlichste Bundesland sendete, war sich diesmal selbst das Außenministerium nicht zu blöde, bei den italienischen Behörden zu intervenieren. Allerdings ohne Erfolg.   Liberale Nachbarn Österreich ist das letzte westeuropäische Land, indem noch ein Rundfunkmonopol besteht. Frankreich hat das Rundfunkgesetz bereits 1981 liberalisiert, die Schweiz 1983 und selbst die BRD hat diesen Prozess schon hinter sich. Doch Liberalisierung ist nicht gleich Liberalisierung. In Frankreich ist die Situation für freie Radios noch am besten. Als nach der Wahl Mitterands als Präsidenten 1981 das Monopol abgeschafft wurde. Detail am Rande: Mitterand beteiligte sich im Wahlkampf bei einem Piratensender des Französischen Gewerkschaftsbundes - wurden Voraussetzungen für freie Radios geschaffen, zum Beispiel in Form einer staatlichen Förderung für werbefreie Lokalradios. Die Schweiz verankerte zwar in dem Gesetz zur Liberalisierung ein Verbot für freie Radios Gewinn zu machen. Allerdings wird dieses von den meisten Privatradios mit Duldung der Behörden umgangen. So fordert die Schweizer Journalistengewerkschaft die Versteigerung der Sendefrequenzen an die Kommerzsender, um die werbefreien Lokalradios mit diesen Mitteln zu fördern.   … und Österreich? Die Bundesdeutschen wählten die bedenklichste Form der Liberalisierung: ein Konzessionssystem. Damit wird der behördlichen Willkür Tür und Tor geöffnet und werbefreies Radio wegen der hohen Kosten einer Sendegenehmigung unmöglich gemacht. Eine der wenigen positiven Ausnahmen ist "Radio Dreyecksland" in Freiburg. Trotz massiver Kriminalisierungsversuche durch die Polizei konnte es dank seiner - noch aus der Piratenzeit herrührenden - Verankerung in der regionalen Basisbewegung das Recht auf eine Sendefrequenz durchsetzen. Doch ist es wegen seiner kritischen Berichterstattung ständig von der Konzessionsentziehung bedroht. Bereits in absehbarer Zukunft wird das ORF-Monopol soweit ausgehöhlt sein, dass man davon im engeren Sinn des Wortes nicht mehr sprechen wird können. Fallen wird es - wie ist eine andere Frage. Wird Österreich einen weiteren Schritt in Richtung Medienkonzentration machen, oder wird endlich ein Sprachrohr außerhalb der alteingesessenen Medienkonzerne geschaffen werden - ein Schritt Richtung Meinungspluralismus gemacht? Eine Schlüsselfrage ist dabei, ob die Gründung freier, assoziativer, nichtkommerzieller Lokalradios möglich sein wird.    

Fotos & Illustrationen des Artikels: 
Vom ORF-Monopol zum Kommerz-Monopol