Obwohl In-vitro-Fertilisation in Österreich schon jahrelang angewendet wird, wird erst in letzter Zeit über eine gesetzliche Regelung nachgedacht. Die Schwierigkeiten dabei sind allerdings beträchtlich – wichtige Fragen sind nach wie vor ungeklärt.
Jetzt soll auch in Osterreich die In-vitro-Fertilisation (künstliche Befruchtung von menschlichen Eizellen außerhalb des weiblichen Körpers) in einem Gesetz geregelt werden - nachdem sie schon mehrere Jahre auch an hiesigen. Kliniken praktiziert wird. Die Interessenlagen rund um diese Form der Reproduktionstechnologien sind allerdings so kompliziert, dass eine Regelung, die allen an sie gestellten Forderungen gerecht werden würde, nicht erreichbar scheint. Teile der Frauenbewegung lehnen die Anwendung der In-vitro-Fertilisation ab, weil sie darin die Gefahr sehen, dass den Frauen ein wichtiger, bestimmender Teil ihrer Identität weggenommen werden könnte. Die Schulmedizin ist für die Anwendung, weil damit eine Möglichkeit besteht, dass auch in bisher aussichtslosen Fällen der Sterilität Abhilfe gebracht werden kann. Außerdem gehen die Forschungen in den Bereich der Genetik und der Gentherapie hinein weiter, für die die Reproduktionstechnologien zum Teil wichtige Voraussetzungen sind. Die politischen Forderungen zu diesem Problemkreis sind daher auch weit gespannt: Vom Verbot bis zur fast generell zulässigen Anwendung wird alles vertreten.
Kindeswohl
Ein Punkt, an dem sich auch juristische Diskussionen immer wieder entzünden, ist das Wohl der Kinder, um die es ja letzten Endes in besonderem Maße geht. In der Zusammenfassung des Gutachtens der Expertenkommission der österreichischen Rektorenkonferenz über In-vitro-Fertilisation (1986) wird ausdrücklich gefordert, dass nur bei aufrechter Ehe bzw. bei lang andauernder Lebensgemeinschaft nach Abwägung besonderer Umstände eine In-vitro-Fertilisation vorgenommen werden darf. Damit soll gewährleistet werden, dass das Kind in "geordneten Familienverhältnissen aufwachsen wird".
Als Ausnahme davon soll es allerdings zulässig sein, verwitweten Frauen eine In-vitro-Fertilisation zu gestatten, "wenn ein Kind von ihrem verstorbenen Mann angestrebt wird". Nun kann man darüber streiten, ob eine aufrechte Ehe und das, was landläufig unter "geordneten Familienverhältnissen" verstanden wird, dem "Kindeswohl" besser als andere Lebensformen zu dienen vermag.
Dass das Kindeswohl als Argument für den Ausschluss alleinstehender Frauen von der In-vitro-Fertilisation herangezogen wird, scheint allerdings eher darauf zu deuten, dass hier mit rechtlichen Mitteln konservative Politik zur Rettung der abendländischen Kleinfamilie betrieben werden soll. Was allein das Kindeswohl gewährleisten kann ist ein Vater, auch wenn er im weiteren Leben eines Kindes vielleicht gar keine Rolle mehr spielt. Frauen mögen die Kinder zur Welt bringen und sie auf- und erziehen - das Kindeswohl (dessen Inhalt ja von Männern bestimmt wird) können sie nicht allein herstellen. Da mag auch ein wenig die unbewusste Angst der Männer vor den völlig unabhängigen Frauen, die nicht einmal mehr zum Kinderkriegen einen Mann brauchen, mitspielen. Jedenfalls scheint mir allein das Kindeswohl keine ausreichende sachliche Rechtfertigung für den Ausschluss vom Zugang zu dieser Reproduktionstechnik zu sein.
Embryonenforschung
Ein völlig ungelöstes - und vielleicht auch unlösbares - Problem ist, was mit Embryonen, die nunmehr ja in den ersten Tagen ihrer Existenz bereits "begutachtet" werden können, gemacht werden soll und darf. Mit fortschreitender Entwicklung der Diagnosemöglichkeiten und der Behandelbarkeit von Embryonen werden sicher auch die Ansprüche an die "Beschaffenheit" der zukünftigen Kinder steigen.
Durch gezielte Forschung an Embryonen könnten zum Beispiel Erbkrankheiten frühzeitig erkannt und kranke Embryos "ausgemerzt" werden. Soll Forschungsarbeit an Embryos unbeschränkt zulässig sein? Voraussetzung dafür ist, dass die Ärzte überhaupt Zugriff auf sie haben.
Bei In-vitro-Fertilisation werden im Allgemeinen mehrere Eier entnommen und befruchtet, da damit klarerweise die Erfolgschancen für einen Transfer in die Gebärmutter steigen. Da aber jeweils nur ein bis zwei Embryonen wieder eingesetzt werden, bleiben welche übrig, die in tiefgefrorenem Zustand aufbewahrt (kryokonserviert) werden. Zuerst scheint nicht geklärt zu sein, wem diese Embryonen zugerechnet werden können und was sie eigentlich sind - Menschen, bloße Zellhaufen, irgendwas dazwischen? Was soll mit tiefgekühlten Embryonen geschehen, deren "Eltern" keine weiteren Kinder haben wollen oder können? Konservative Juristen halten nach wie vor an der Ansicht fest, dass der Lebensbeginn in den Zeitpunkt der Vereinigung von Ei- und Samenzelle fällt. Konsequenterweise ist der Embryo daher für sie ein Mensch und sollte als solcher behandelt werden. Loebenstein hat daraus abgeleitet, dass jedem entstandenen Embryo daher auch die Chance auf Entwicklung zu einem lebensfähigen Menschen gegeben werden muss. Wenn Lebensbeginn allerdings die Nidation eines Embryos in der Gebärmutter ist, dann ist der tiefgekühlte Zellhaufen noch kein Mensch - aber was ist er dann?
Das Gutachten der Expertenkommission gibt darauf keine Antwort. Es geht davon aus, dass nicht willkürlich mehr Embryonen erzeugt werden sollen, als für den Zweck - Erreichen einer Schwangerschaft - notwendig sind. Wenn aber doch überzählige Embryonen "anfallen", dann soll eine Kryokonservierung zulässig sein, und ebenso medizinische Forschung an geschädigten Embryonen oder an solchen, die unter den vorliegenden Umständen aus anderen Gründen keine Überlebenschance haben. Allerdings unter der Voraussetzung, dass "dies in sorgfältiger und verantwortungsbewusster Weise geschieht". Erzeugung von Embryonen z.B. zwecks Zucht von "Übermenschen" oder Klonierung (Erzeugung völlig identischer Lebewesen aus einer Zelle) soll jedenfalls verboten werden.
Insgesamt bleiben in der juristischen Diskussion des Bereichs der Reproduktionstechnologien eine Menge Fragen offen - besonders dort, wo die Grenze zur Gentechnologie nicht mehr genau gezogen werden kann, etwa im Bereich der zulässigen Eingriffe bei den zum Transfer vorgesehenen Embryonen. Das ist zwar im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht machbar, aber je weiter geforscht wird, umso realer werden auch die Chancen, mittels Keimbahn - Therapie z.B. Erbkrankheiten beim Embryo auszuschalten.
Zuerst diskutieren!
Bevor gesetzliche Regelungen festgeschrieben werden, sollte auf jeden Fall noch eine umfassende Diskussion geführt werden, die auch die gesellschaftlichen Auswirkungen der Reproduktionstechnologien berücksichtigt. Insgesamt könnten die Reproduktionstechnologien so schwerwiegende Auswirkungen haben, dass auf jeden Fall vor ihrer gesetzlichen Festschreibung eine breite öffentliche Diskussion darüber geführt werden sollte.
Reproduktionstechnologien(2)