Wien. (Red.). Still und heimlich, fünf Minuten vom Juridicum entfernt und dennoch gut im Schottenhof versteckt, arbeitet der Arbeitskreis für Rechtsanthropologie und Inkulturationsforschung. Durch das Institut für Kirchenrecht ist der Arbeitskreis institutionell abgesichert und finanziell gestützt und kann sich so - im Dunkel der Nichtbeachtung - den selbstgesetzten Zielen widmen, die da heißen: das Zusammen- und Widerspiel von oktroyierten Staats und gewachsenen Stammesrechten zu erforschen und dokumentieren.
Das Prinzip ist wohl hinlänglich bekannt, die Kolonialmächte und deren Nachfolgestaaten errichteten Rechtsordnungen, welche in diametralem Gegensatz zu den gewachsenen indigenen Rechtskulturen stehen. Dieses Vermächtnis wirft noch heute interessante rechtliche Probleme, sowohl praktischer wie theoretischer Natur, auf. Die praktischen Probleme sind vor allem um die Frage des Schutzes indigener Gesellschaften zentriert, wobei allgemein die Mittel des Minderheitenschutzrechtes als ungenügend erachtet und die Aktivierung völkerrechtlicher Schutzmechanismen forciert werden. Der Passus 107 des ILO Konventionsstatut und die internationalen Treffen von Vertretern autochthoner Gesellschaften in Genf (und anderenorts) haben hier einen Umdenkprozess eingeleitet. Die Anliegen marginalisierter und isolierter Stammesgesellschaften sollen damit auf weltweiter Basis vermittelt werden. Das rechtstheoretische Problem ist schlechterdings die "Gretchenfrage" der Juristerei, nämlich die nach dem Rechtsbegriff. Welche sich in diesem Zusammenhang folgendermaßen stellt: Muss jedes Recht vom Staat und von staatlichem Zwang abhängen? Oder ist auch ein Rechtssystem denkmöglich, welches dem staatlichen vorgeordnet ist, weil von diesem vorgefunden? Darüber hinaus geht es bei der Beschäftigung mit indigenem Recht wohl auch darum, Alternativen zum geltenden Recht europäischer Staaten zu suchen, welches durch "gesetzliche Überdeterminierung Steuerungsdefizite" aufweist.
Die Beschäftigung mit diesen Fragen forciert der Arbeitskreis, weitgehend unbeachtet von der studentischen Öffentlichkeit, seit 1982. Im Rahmen von (schlecht besuchten) Seminaren, aber auch durch die Herausgabe von Jahrbüchern ("Law & Anthropology''). Von diesen liegen bereits drei Bände vor ( Band 1 und 2 auch im Juridicum - Entlehnstelle - erhältlich). Der dritte Band beschäftigt sich ausschließlich mit Afrika und erscheint noch im März. Er sei JuristInnen, die über die Kanten und Ecken des "Schäffer" und "Bydlinski" hinausblicken können und wollen, ans Herz gelegt.
JuristInnen denken heimlich