Mit der Chancengleichheit für Frauen in juristischen Berufen ist es in Österreich nicht weit her. Die Alpenrepublik ist in ihrer Entwicklung um Jahrzehnte hinter dem übrigen Europa zurückgeblieben. Als es in Frankreich bereits eingetragene Anwältinnen gab und in Deutschland die ersten Richterinnen zugelassen wurden, hatten in Österreich die Frauen eben erst den Zugang zu den juridischen Fakultäten erkämpft. Der Faschismus brachte mit dem Berufsverbot für Frauen in bestimmten juristischen Berufen einen weiteren Rückschlag. Erst 1947 wurden in Österreich die ersten zwei Richterinnen ernannt. Seither stieg die Frauenquote im Studium und in den juristischen Berufen langsam und stetig an. In den westlichen Bundesländern, in den höheren Diensträngen und Instanzen, in den finanziell besonders lukrativen und prestigeträchtigen Berufen gibt es noch immer verschwindend wenige Frauen. So gab es bis vor kurzem keine einzige Notarin. Ein Blick in das Vorlesungsverzeichnis oder in den Amtskalender beweist, dass Frauen auf Grund ihres Geschlechtes der Einstieg in das Berufsleben und der berufliche Aufstieg erheblich erschwert wird. Es existieren bei den Rechtsanwaltskammern Listen mit den Namen von RechtsanwältInnen, die Konzipientenstellen vergeben. Mindestens die Hälfte lehnt Frauen mit dem Vermerk "keine Damen" von vorneherein ab. In manchen Bundesländern soll es inoffizielle Übereinkünfte geben dass Frauen als Konzipientinnen überhaupt nicht angestellt werden. In den Oberlandesgerichtssprengeln soll es einen internen "numerus clausus" geben, der verhindern soll, dass mehr als die Hälfte der übernommenen RichteramtsanwärterInnen Frauen sind. Dies wäre zu befürchten, weil Frauen bei den Prüfungen und nach den Dienstbeschreibungen in der Regel die besseren Leistungen erbringen. Das sind nur die härtesten Schranken, die einer Frau den Zugang zum gewählten Beruf verwehren. Es gibt hundert subtilere Methoden, die entmutigen und zermürben: etwa den Ausschluss von informellen Informationsflüssen, die Nichtzugehörigkeit zu diversen (Männer-)Verbindungen und Stammtischrunden, deren Ziel die gegenseitige Unterstützung ist, sowie das Übergehen und Nichtansprechen von Frauen und die besonders anstrengende Position als Pionierin, immer erst beweisen zu müssen, dass frau alles genauso gut und noch besser kann ... Fraueninteressen sind für die meisten Juristenvereinigungen kein Thema. Das ist auch nicht verwunderlich, werden sie doch von Männern mit traditionell konservativen Weltanschauungen beherrscht. Aus diesem Grund schlossen sich nun Juristinnen aus den verschiedensten Berufen und Ausbildungsstadien (Studentinnen, Verwaltungsjuristinnen, Konzipientinnen, Richterinnen, Anwältinnen ... ) zu einer eigenen Interessensvertretung zusammen. Eines der erklärten Ziele des "Vereins Österreichischer Juristinnen" ist es, Kolleginnen über Berufsmöglichkeiten und -aussichten zu informieren; sie zu unterstützen und gegen die unwürdige Diskriminierung zu kämpfen, der Frauen in Studium und Beruf immer noch ausgesetzt sind. Fortbildungsveranstaltungen, Erfahrungsaustausch, Supervision etc. sollen das Selbstbewusstsein stärken und das nötige Durchhaltevermögen verleihen. Inhaltlich befasst sich die Juristinnengruppe mit verschiedenen gesellschaftspolitischen Themen, die ihren Niederschlag in der aktuellen legistischen Diskussion finden. Im Mittelpunkt des Interesses stehen vor allem die Folgen und Auswirkungen von Gesetzesänderungen für die Frauen, sowie die Durchleuchtung der Strategien und Absichten, die hinter den jeweiligen Novellierungen stehen. Was als "frauenfreundliche" Reform verkauft wird, erweist sich oft bei näherer Betrachtung als Verschleierung oder Verlagerung der Diskriminierungen. Als Beispiel dafür sei die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe genannt. Dieser Vorschlag rief erst in weiten Kreisen Ablehnung und Empörung hervor, wurde doch an einem funktionierenden Mittel der Machtausübung und Unterdrückung des Mannes in der Ehe gerüttelt. Dass es überhaupt zu einer gesetzlichen Änderung kommen wird, ist wohl weniger auf die Einsicht des vorwiegend männlichen "Gesetzgebers" zurückzuführen, als darauf, dass der politische Druck von Seiten der Frauen unübersehbar wurde. Im Unterschied zur Bundesrepublik, wo die Vergewaltigung der Ehefrauen als Offizialdelikt Eingang in das StGB gefunden hat, scheint in Österreich ein Antragsdelikt das einzig politisch Durchsetzbare. Im Vergleich zur Bundesrepublik fällt außerdem auf, dass die gesamte juristische Diskussion deutlich abfällt und von einer geschlossen konservativen Weltanschauung getragen ist. Der Verein österreichischer Juristinnen will dem entgegentreten und den Diskurs um kritische und dezidiert Fraueninteressen vertretende Standpunkte bereichern: Analysiert und durchleuchtet wurde die von den Koalitionsbündlern geplante und erfreulicherweise inzwischen auf Eis gelegte Verankerung von Ehe und Familie in der Verfassung, deren Gründe und absehbare Folgen. Derzeit aktuell ist die Frage wieweit die geltende Gesetzeslage geeignet ist, die Pornographisierung und die steigende Frauenfeindlichkeit in den Medien in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig schiebt sich der fast unübersehbare Komplex der Gen- und Reproduktionstechnologie in den Mittelpunkt und schreit geradezu nach Regelungen. Während sich ausländische Konzerne in Österreich auf diesem Gebiet gerade deshalb betätigen, weil es keinerlei gesetzliche Regelungen = Einschränkungen gibt, scheint dies hierzulande niemanden zu beunruhigen. In den kümmerlichen juristischen Abhandlungen taucht die Frage, ob diese bedenkliche Technologie überhaupt zugelassen werden soll, nicht einmal auf. Resignativ wird nur noch über die Verwaltung der als Faktum vorweggenommen Technolgie und über letztlich bedeutungslose Randprobleme raisonniert. Dies sind die vordringlichsten Themenschwerpunkte. Daneben wird der Kontakt zu Fraueninitiativen gepflegt, werden rechtsphilosophische Diskussionen geführt und die alltäglichen und ausgefallenen. Probleme des juristischen Alltags im Kolleginnenkreis besprochen. Die Frauen des Vereins österreichischer Juristinnen treffen sich an jedem ersten und dritten Donnerstag im Monat um 19.30 im Cafe Volkstheater, 1070 Wien, Neustiftgasse 4 und freuen sich über jede neue Aktivistin.
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