SEX & CRIME

Knapp ein Jahr nach Inkrafttreten der letzten Reform des Strafgesetzbuches haben sich die VertreterInnen der Parteien im Justizausschuss des Parlaments über eine Änderung der gesetzlichen Bestimmungen betreffend die Vergewaltigung innerhalb der Ehe geeinigt.
Mit dieser "Einigung" kommt nun eine Debatte zum Abschluss, in der die Abgründe männlicher Denkweise wieder einmal deutlich sichtbar wurden. Ich erinnere nur an einen Graff, der meinte, dass der Unrechtsgehalt einer Vergewaltigung innerhalb der Ehe deshalb geringer wäre, weil die Frau sich ihren Mann ja irgendwann einmal selbst ausgesucht hätte, einen Staatsanwalt Litzka, der die Verleumdungskampagnen rachesüchtiger Ehefrauen fürchtete oder einen Justizminister Foregger, der der Ansicht war, dass Vergewaltigungen innerhalb der Ehe ohnehin ausreichend mit den Tatbeständen der Nötigung und Körperverletzung geahndet werden könnten. Der Vergleich des Ausschussergebnisses, dem ein Vorschlag des Justizministeriums zugrunde liegt, mit dem Initiativantrag der SP aus 1987 zeigt, dass sich die Konservierer der patriarchalen Herrschaftsverhältnisse bei der Formulierung des neuen Gesetzes durchgesetzt haben.
 
Antragsdelikt
 
Die Strafbarkeit eines Mannes, der seine Ehefrau oder Lebensgefährtin vergewaltigt, wird von einem Antrag des Opfers abhängig gemacht, sofern die Tat keine schweren Folgen (z.B. schwere Körperverletzung) nach sich zieht. Bei Begehung der Tat durch den Ehemann oder Lebensgefährten ist eine Vergewaltigung also kein Offizialdelikt (das die Staatsanwaltschaft zu verfolgen hat, sobald die Frau Anzeige erstattet), sondern genießt eine "Privilegierung" dadurch, dass das Strafverfahren erst dann eingeleitet werden kann,  wenn ein gesonderter Antrag vom Opfer gestellt wird. Dieser kann jederzeit zurückgezogen werden, was zur Straffreiheit des Täters führt. Die Wahl dieser schwachen Deliktsform für eine Tat dieser Intensität stellt eine Ausnahme in der österreichischen Rechtsordnung dar und dokumentiert, welchen Stellenwert das zu schützende Rechtsgut - die sexuelle Selbstbestimmung der (Ehe-)Frau - im Verständnis der "Macher" des neuen Gesetzes einnimmt. Andere Antragsdelikte sind z.B.: die Vereitelung behördlich angeordneter Erziehungsmaßnahmen oder die Herabwürdigung fremder Staatssymbole. Hingegen gibt es bei Vermögensdelikten, die innerhalb der Familie begangen werden, diese Privilegierung nicht mehr, sobald Gewalt im Spiel ist. Vermögensdelikte, die unter Anwendung von Gewalt erfolgen, werden im Falle der Begehung innerhalb der Familie also strenger geahndet als Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung der Frau.
Hier wird wieder einmal der Stellenwert, der den Vermögensdelikten in unserer Rechtsordnung eingeräumt wird, deutlich sichtbar.
Mit der Entscheidung zu dieser besonderen Deliktsform soll angeblich der besonders berücksichtigungswürdigen Situation innerhalb des Privatlebens im Sinne eines Schutzes vor staatlichen Eingriffen Rechnung getragen werden. Dies wäre an und für sich ein edler Anspruch. Auffällig daran ist nur, dass hier in Fällen zugunsten der Privatheit entschieden wird, bei denen es um gerichtlich strafbare Handlungen geht. Nach der Europäischen Menschenrechtskonvention sind Eingriffe in die Privatsphäre u.a. zur Verhinderung von strafbaren Handlungen oder zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer zulässig, und von diesen Eingriffsermächtigungen wird in der Regel auch extensiv Gebrauch gemacht. Aber im Falle einer Vergewaltigung wird einer Ehefrau oder Lebensgefährtin der Schutz der staatlichen Institutionen weiterhin versagt, bzw. wird dieser Schutz erheblich verringert. Einer von ihrem Ehemann oder Lebensgefährten vergewaltigten Frau die Strafverfolgung in die Hand zu geben bedeutet, sie ein weiteres Mal den Drohungen und Erpressungen ihres Vergewaltigers auszusetzen. In Anbetracht der ökonomischen und finanziellen Abhängigkeiten, in denen sich die Frauen in der Regel befinden, ist den Männern hiermit nach wie vor die Möglichkeit zur ungestraften sexuellen Machtausübung und Unterdrückung in ihren "privaten" Beziehungen gegeben.
Die Gleichstellung der Lebensgefährtin mit der Ehefrau in dieser "fortschrittlichen" Reform bedeutet für erstere in diesem Fall nicht einen Gewinn sondern einen Verlust an Rechtsschutz gegenüber der alten Rechtssituation. War die an ihr begangene Vergewaltigung früher ein Offizialdelikt, so ist es nach der neuen Regelung durch diese Gleichbehandlung mit der Ehefrau nur mehr ein Antragsdelikt mit allen bereits geschilderten Nachteilen.
 
Widerstandsunfähigkeit
 
Positiv an dem Gesetzesvorschlag ist, dass das Tatbestandsmerkmal der" Widerstandsunfähigkeit'' des Opfers weggefallen ist. Das bedeutete, dass bisher ein Täter nur dann wegen Vergewaltigung verurteilt wurde, wenn das Opfer vor Gericht nachweisen konnte, dass es physisch oderpsychisch nicht mehr in der Lage war, sich gegen die Vergewaltigung zu wehren. Das führte in der Regel zu einer Art Beweislastumkehr und der sprichwörtlichen "zweiten Vergewaltigung vor Gericht" durch die Fragen der RichterInnen und VerteidigerInnen. Die neuen Bestimmungen stellen nun hauptsächlich auf die Intensität und Art der vom Täter angewendeten Gewalt ab.
 
Strafdrohungen
 
Nach dem neuen Gesetzesentwurf soll es nun die Delikte "Vergewaltigung" und "Geschlechtliche Nötigung" geben.
Bei Begehung einer Vergewaltigung droht eine Freiheitsstrafe von 1-10 Jahren, in den "leichteren" Fällen eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren. Als Vergewaltigung wird die Erzwingung "des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung" definiert. Vom Delikt der Sexuellen Nötigung wird die Erzwingung anderer Arten von sexuellen Handlungen erfasst, dessen Strafrahmen bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe geht. Was unter den einzelnen Begriffen im Detail zu verstehen ist, ist aus den bisher vorhandenen Unterlagen nicht ersichtlich.
Trotz dieser auch teilweise positiven Aspekte bleibt diese Reform auf halbem Wege stecken und erfüllt nur zu einem geringen Teil die erhofften Erwartungen.
 
Sittlichkeit
 
Die Sexualdelikte werden im StGB unter dem Titel "Strafbare Handlungen gegen die Sittlichkeit'' zusammengefasst. Geschützt im Verständnis des historischen Gesetzgebers wurde nicht das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von Menschen, sondern abstrakte moralische Wertvorstellungen. Der Antrag der SP beinhaltete eine Änderung der Überschrift, mit der dem gesellschaftlichen Wandel in dieser Hinsicht Rechnung getragen werden sollte. Dieser Vorschlag setzte sich ebenso wenig durch wie die Verwendung des Wortes "sexuell" anstatt des Wortes "geschlechtlich". Diese "Äußerlichkeiten" zeugen davon, dass die Themen Sexualität und sexuelle Selbstbestimmung nach wie vor tabu sein sollen und in einem Gesetzeswerk nichts verloren haben.
Mit dieser Novelle wird außerdem eine weitere Gelegenheit, die längst überfällige Streichung der, die Homosexualität diskriminierenden Paragraphen vorzunehmen, nicht wahrgenommen.
 
Homosexualität
 
Weiters wird durch die vom Gesetz verwendete Terminologie (Beischlaf - Unzucht) eine Qualifikation von Sexualität in erwünschte (weil generative) und unerwünschte Sexualität vorgenommen. Offenbar sehen sich unsere "Gesetzgeber" nach wie vor veranlasst, bestimmte Formen des Sexualverhaltens zu normieren und andere mittels staatlicher Zwangsgewalt zu unterdrücken.