Der Kampf der Geschlechter

In diesem JURIDIKUM-THEMA geht es hauptsächlich darum, die rechtliche Situation der Frauen zu dokumentieren. Der Sexualwissenschafter Ernest Bornemann vertritt die These, dass Recht an sich zur Unterdrückung des einen Geschlechts durch das andere geschaffen wurde - und dass es daher an sich überwunden werden muss. Auch im Interesse der Männer.
Ein Matriarchat hat es nach übereinstimmender Meinung der Historikerinnen und VölkerkundlerInnen nie gegeben. In keiner Gesellschaft, weder vorgeschichtlichen noch gegenwärtigen, konnte eine Vormachstellung der Frau gegenüber dem Mann nachgewiesen werden.
"Es ist natürlich misslich, aber die Frauenbewegung muss sich wohl damit abfinden, dass in einer Frage von solch zentraler Bedeutung für ihr Selbstverständnis keine eindeutigen Erkenntnisse mehr zu gewinnen sind. Vielleicht ist dies jedoch eher ein Vor- als ein Nachteil", mutmaßt Marielouise Janssen-Jurreit."Was hilft es den Frauen, wenn sie sich über die jahrtausendealte Unterdrückung mit der Vorstellung hinwegtrösten, dass sie selbst einmal am Beginn der Menschheitsgeschichte geherrscht hätten? Der leicht zu führende Nachweis ihrer seit Jahrtausenden bis heute andauernden Unterdrückung genügt vollauf zur Begründung ihrer Forderungen". Populär wurde der Ausdruck "Matriarchat" von Lewis Henry Morgan gemacht.
 
Kein Matriarchat - also überhaupt kein Recht?
 
Alle Kulturen, die er in seinem Werk beschreibt, zeichnen sich aber gerade dadurch aus, dass die Mütter ihre - latente - Macht im Gefüge der Sippe oder des Stammes nicht zur Beherrschung ihrer Gatten, Väter und Söhne verwenden. Ernest Bornemann bevorzugt daher den Begriff "matristisch" zur Kennzeichnung von Gesellschaften, in denen das mütterliche Element betont wird. Und auch von einem "Mutterecht" soll seiner Ansicht nach nicht die Rede sein: denn der Kernpunkt jener matristischen Kulturen ist gerade der, dass sie präjuristischen Ursprungs sind. "Ihr Gesellschaftssystem stammt aus der Ära vor der Konstituierung des menschlichen Rechts. Das Recht ... geht auf eine historischen Urakt zurück: die Negation der Geburt. "Die latente Macht der Frau liegt in dem sicheren Wissen, dass das Kind, welches sie gerade geboren hat, ihr eigenes ist. Allerdings interessiert sich in vorgeschichtlichen Gesellschaften noch niemand dafür, "wessen" Kind in der Sippe aufwächst, da es noch nicht um die Frage des Eigentums geht. Entscheidend ist nur die Zugehörigkeit zur Sippe - und die wird eben durch die matrilineare Abstammung konstituiert. In der Sippe ist es selbstverständlich, dass die Jungen und die Alten von der Gemeinschaft versorgt werden.
Vor allem geht es natürlich um die Nahrungsbeschaffung, die in diesem frühen Stadium der Menschheitsentwicklung noch rein aneignend ist. Es wird noch nicht produziert, sondern nur gejagt und gesammelt. Im Lauf der Jahrtausende bildet sich eine Arbeitsteilung der Geschlechter heraus: während die Männer sich auf die unsichere Jagd begeben, sammeln die Frauen hauptsächlich vegetabile Nahrung. Warum die Arbeit gerade so aufgeteilt wurde, bleibt unklar. Bornemann räumt jedenfalls mit dem Vorurteil auf, dass die "schwache" und "schonungsbedürftige" Frau eben die einfachere Tätigkeit übernommen hat: "Erst seit der Mann den Typus der >weiblichen<, gebrechlichen, schonungsbedürftigen, in allem benachteiligten Frau durch Zuchtwahl und ideologische Verbrämung geschaffen hat, hat die Frau tatsächlich Schwierigkeiten beim Gebären und benötigt einen >Mutterschutz<, der von jedem weiblichen Mitglied einer mutterrechtlichen Gesellschaft als das erkannt worden wäre, was er in Wahrheit ist: eine Bevormundung und keine Wohlfahrtsinstitution. Oder bestenfalls ein Trostsprüchlein für Benachteiligte, nachdem man sie systematisch benachteiligt hat. "Fest steht nur so viel: hätten die Frauen nicht gleichzeitig Nahrung gesammelt, "wäre die Horde zweifellos oft verhungert." Daher genießt die Frau in der Sippe hohes Ansehen, sie ist die Hüterin des Feuers und sie erbaut den Windschutz oder die Hütte. Erfüllt ein Mann seine Pflicht nicht, so kann sie ihm den Zugang zur Hütte verweigern. Oft ist eine Frau Sippenälteste. Da aber noch keine Überschüsse produziert werden, gibt es noch kein Vermögen. Daher gibt es auch noch keine Vermögensunterschiede. Die Krämermentalität unserer Kultur ist unbekannt, denn dies ist keine Leistungsgesellschaft, in der jede/r "so viel" erhält, wie er/sie "leistet", sondern eine freie Welt, in der jede/r den anderen versorgt, wie eine Mutter ihr Kind versorgt. Es gibt noch keine Hierarchie, sondern nur gleiche Rechte und Pflichten. Diese sind allerdings nicht juristischer Art, sie müssen nicht durch autoritäre Gewalt durchgesetzt werden, sondern sie beruhen auf ethischer Überzeugung, wie sie in zivilisierteren Erdteilen auch heute noch zu finden ist: "Das hohe sittliche Niveau der Pygmäen hat alle Forscher beeindruckt, die sich je mit ihnen befasst haben. Aber diese ungewöhnlich hohe Ethik, die von keinem Kulturvolk je erreicht worden ist, darf nicht als "rassisches" Produkt des Pygmäenstammes gedeutet werden, sondern ist das organische Produkt ihrer Lebensweise, vor allem der Abwesenheit von Privateigentum, das zur Ausbeutung anderer dienen könnte, andererseits aber auch der Tatsache, dass es keinen Ansporn zur Sonderleistung, zur Übertrumpfung des Anderen, zur Herabsetzung des Nachbarn, zum Beweis der eigenen Überlegenheit gibt. Wo keine Ausbeutung herrscht, besteht auch kein Grund zu jener systematischen Zerstörung des Ichs des anderen, die das Merk­ mal des Patriarchats ist."
 
Das Patriarchat - das Recht der Ausbeutung
 
Ungefähr 50.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung erfolgte bereits der erste Bruch mit grundlegenden matristischen Traditionen. Mit der Erfindung neuer Jagdwerkzeuge und der Entdeckung der Fischerei verschafften sich die Männer erstmals eine dominante wirtschaftliche Position. Trotzdem blieben die Sippen matrilinear und matrilokal. Eine wesentliche Bedrohung "weiblicher" Werte brachte nun aber die Möglichkeit der Einzeljagd mit sich: es finden sich erste Hinweise darauf, dass einzelne Jäger >ihren< Anteil der Beute für sich in Anspruch nehmen. Darin liegt bereits der Kern einer Abwendung von der matristischen, nur am Kollektiv der Sippe orientierten, Gesellschaftsordnung. Der Durchbruch von Privateigentum und Leistungsprinzip kam allerdings erst in der Mittelsteinzeit (ca. 8000 - 3000 v.u.Z.). Es war eine Zeit des kulturellen Niedergangs, gleichzeitig aber eines gewaltigen Fortschritts der Produktivkräfte. Mit der Entwicklung besserer Fischereigeräte, Waffen und Werkzeuge ging die Erzielung erster Nahrungsüberschüsse und der Beginn der Vorratswirtschaft und des Tauschhandels einher. Gleichzeitig änderten sich auch die Beziehungen zur Arbeit und zu den Arbeitsmitteln: "Vom Mesolithikum an finden wir die Lieblingswaffen und -werkzeuge des Mannes ... auch oft in seinem Grab. Die Sippe hatte offenbar zu akzeptieren begonnen, dass der Mann nicht nur Nutzungsrecht an seinen Werkzeugen und Waffen hatte, sondern sie auch tatsächlich besaß. "Darin sieht Bornemann bereits den Anfang vom Ende: "Erstens wurde der Gemeinschaftsbesitz der Sippe beraubt, indem ihm die besten Werkzeuge entzogen wurden; zweitens konstituierte das Leistungsprinzip einen grundsätzlichen Bruch mit dem Leitprinzip der mütterlichen Sippe." Bald kam der Anspruch der Verwandten, dass man ihnen die Werkzeuge des Toten übergeben sollte." Aus diesem unerwarteten Winkel, der Entwicklung des Erbrechts, sollte Generationen später das Patriarchat erwachsen. "Zunächst blieb die Sippe noch intakt und die Erbfolge war in den Anfängen noch matrilinear geregelt. Doch wenn es schon privaten Besitz gab, der über den Tod hinaus übertragen werden konnte, so war abzusehen, dass die Väter früher oder später verlangen würden, auch ihre Söhne sollten erbberechtigt sein. Doch woher weiß der Mann, welches "sein" Sohn ist? Für die matristische Sippe hatte diese Frage keine besondere Bedeutung." Das Patriarchat konstituiert sich mit der Feststellung des Mannes, dass dieser Zustand hiermit aufzuhören habe. >Da die Frau uns bis in alle Ewigkeit überlegen wäre, wenn ein solcher Zustand weiter bestünde, verbiete ich ihm hiermit. Dieses Verbot nenne ich Recht<." Die Dominanz des Mannes als Nahrungserzeuger gab ihm nun auch die Möglichkeit und Rechtfertigung, sein Recht durchzusetzen - es bildete sich eine vaterrechtliche Sittenstruktur. Mit dem Entstehen Viehzucht und Ackerbau gewann auch der Gedanke, seine Nachfahren zu versorgen, an Bedeutung. Und "was hier vererbt wurde, war: eine grundsätzlich andere Art des Besitzes, als der an Kleidern, Schmuck und einfachen Werkzeugen, denn während diese nur dem Privatvergnügen oder der Gemeinschaftstätigkeit der Individuen dienten; erzeugte jener eigenen Mehrwert.
Und mit der Entdeckung mehrwerterzeugender Produktionsmitteln verwandelte sich Privatbesitz in Privateigentum, und Aneignung von Naturprodukten in Ausbeutung anderer Menschen. "Mit dieser Entdeckung begann die Spaltung der Gesellschaft in unterdrückende und unterdrückte Klassen. Es begann damit auch die Entwicklung der Rechtsordnung eines Ausbeutungssystems, das den gemeinsamen Nenner von Sklaverei, Feudalherrschaft und Kapitalismus darstellt, und dessen älteste und grundlegende Bestandteile Eigentumsrecht, Erbrecht und Eherecht sind. Will sich die Frau von dieser Ausbeutung befreien, muss sie nicht nur das Patriarchat, sondern auch das Produktionssystem zerschlagen, das ihm zu Grunde liegt.