Wie sich Österreich EG-Normen fügt

Nach wie vor gibt Österreich vor dem Rest der Welt mit seinem "liberalen" Asylrecht an. Recht? Österreich ändert es nach altbewährter Masche. Innenminister Blecha: "Wir machen das wie immer, nämlich ohne Gesetz." (SDZ, 28. April 1986)

Die EG-Fanatiker prophezeien Tag für Tag ein Europa ohne Grenzen. Es wird aber sehr wohl Grenzen haben - nämlich dichtere als heute. Die Außengrenzendes EG-Raumes sollen gegen Flüchtlinge abgeschottet werden. Mehrere Gremien arbeiten seit Jahren an einem "Rechtsraum Europa". Eines davon ist die sogenannte "Schengen-Runde", die nach dem Ort des erstmaligen Zusammentreffens in Luxemburg benannt ist. Sie vertritt den harten Kern der EG (BRD, Frankreich und die Beneluxstaaten).

Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die südlichen Länder des EG-Raums unter Druck zu setzen, um so die dort noch vorhandenen Löcher in den Außengrenzen zu schließen. Denn mit dem Näherrücken des Binnenmarktes plagt einige EG-Regierungen zunehmend die Furcht vor einem "offenen Europa". Durch verschärfte Kontrollen an den Außengrenzen soll dies nach Abschaffung der Binnengrenzen verhindert werden. "Den Komfort der EG-Reisenden darf diese Verschärfung jedoch nicht einschränken", heißt es in einem Sitzungsprotokoll der Schengen-Runde. Dieser soll beispielsweise durch eine separate Zollabfertigung für EG-Bürger gewährleistet bleiben. Offensichtlich sollen sie nicht mit der Art und Weise, wie Zollwachebeamte mit Einwanderern und Asylwerbern umspringen werden, konfrontiert werden.

Bis zur EG-Grenze werden viele Flüchtlinge ohnehin nicht kommen. Nach einem Beschluss der Schengen-Runde drohen Fluggesellschaften, die Passagiere ohne ausreichende Dokumente in die EG befördern, empfindliche Geldstrafen. Ferner müssen sie für deren Rücktransport aufkommen. Diese Regelungen sind bereits in der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich in Kraft, in Großbritannien stehen sie vor der Einführung.

Für den Fall, dass einige Flüchtlinge (selbstverständlich nur solche ohne fettes Schweizer Nummernkonto) doch durch den engmaschigen Grenzzaun der Europäischen Gemeinschaft schlüpfen, hat die Schengen-Runde einen ganzen Maßnahmenkatalog beschlossen. Dieser soll dafür sorgen, dass die Störenfriede möglichst schnell in ein Gefängnis des Herkunftslandes befördert werden.

So die Einrichtung eines Asylkomitees zur Vereinheitlichung des Asylrechts in der EG. Es wird von jedem Mitglied der EG mit je einem Beamten beschickt und berät Asylfälle, bei denen unterschiedliche Auffassungen bestehen. In Zukunft wird nur ein EG-Land für einen Asylantrag zuständig sein, dessen Entscheidung für alle Mitgliedsländer verbindlich sein wird. Bei Ablehnung des Antrages, den andere Mitgliedsstaaten anders bescheiden würden, kommt der Fall vor das Asylkomitee. Seine Entscheidung gilt dann als die beste für eine Vereinheitlichung des Asylrechts der Gemeinschaft. Bleibt das Komitee bei der Ablehnung, sorgt der zuständige Staat für die Abschiebung und informiert alle EG-Länder davon. Außerdem verpflichten sich die EG-Staaten die Zahl der Asylbewerber monatlich auszutauschen, um auf signifikante Trends besser und schneller reagieren zu können und bei der Erfassung von Information über die Herkunftsländerenger zusammenzuarbeiten, um zu einer gemeinsamen Einschätzung zu kommen.

Parallel dazu ist der Aufbau eines grenzüberschreitenden polizeilichen Informationssystems geplant. Dies aber nicht im Rahmen der Schengen-Runden, sondern eines anderen europaweiten Gremiums für Sicherheitsfragen - der TREVI (Terrorisme, Radicalisme, Extremisme et Violance International)-Gruppe, die keine reine polizeiliche Einrichtung sondern eher ein polizeilich-politisches Planungsgremium ist, das fernab jeglicher demokratischen Kontrolle am europaweiten Polizeistaat bastelt. In diesem ist auch Österreich mit dem Innenminister, hohen Beamten der Innen- und Justizministerien und Polizeioffizieren vertreten.

Überhaupt scheint Österreich sämtliche von der Schengen-Runde ausgearbeiteten Verschärfungen des Asylrechts mitzutragen. Unsere Vertreter brüsten sich zwar immer noch vor dem Rest der Welt eines liberalen Asylrechts, nur scheint dieses schon längst der Vergangenheit anzugehören.

In letzter Zeit werden immer häufiger Fälle bekannt, in denen Flüchtlingen, die in Österreich einen Asylantrag stellen wollen, von der Zollwache die Einreise verweigert wird. Das Innenministerium bedauert diese (leider) bekanntgewordenen Fälle und beteuert regelmäßig, dass da wohl ein schwarzes Schaf amtsgehandelt haben muss. Bei der Häufigkeit dieser Vorfälle drängt sich allmählich der Eindruck auf, dass unsere Exekutive eine einzig große Herde schwarzer Schafe ist (dafür gibt es ja eine ganze Reihe weiterer Indizien).

Ein weiteres Mittel, das Asylrecht zwar formell liberal zu belassen, faktisch aber auszuhöhlen ist, Asylanten als gemeine Verbrecher hinzustellen. Ihre politische Tätigkeit in ihrem Heimatland wird als terroristisch eingestuft, was ihre sofortige Abschiebung zur Folge hat. Zu diesem Mittel greifen die Behörden immer öfter beispielsweise bei Kurden aus der Türkei, obwohl diesen dort langjährige Haftstrafen, Folter und Ermordung drohen.

Sind es keine "Terroristen", so sind es Wirtschaftsflüchtlinge und die haben bei uns schon gar kein Recht auf Asyl, denn das sind ja nur Schmarotzer.

Österreich ist aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet sicherzustellen, dass Flüchtlinge nicht in Gebiete ausgeliefert werden, in denen ihr Leben und ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten gefährdet sind. Der kurdische Publizist Ali Sapan wurde kürzlich für einen Prozess an die BRD ausgeliefert. Obwohl die Bundesrepublik einen Auslieferungsvertrag mit der Türkei geschlossen hat, haben die österreichischen Behörden keine Garantie gefordert, dass Sapan im Fall eines Freispruchs nicht an die Türkei ausgeliefert wird.

Asylrecht ist ein zutiefst menschliches Recht, aber gerade diese werden (Derogation der Dritten Art?!) immer am meisten ausgehöhlt.

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Ronstein