Heeresgliederung 87

Eher unbemerkt von der Öffentlichkeit ist es seit dem Regierungsantritt der Großen Koalition mit R. Lichal als Verteidigungsminister zu einer Wende der österreichischen Militärdoktrin gekommen. Der "stille Putsch" im Bundesheer - so Egon Matzner - bedeutet Abkehr vom bisherigen Konzept der "Raumverteidigung" hin zum NATO-"Anschluss" der österreichischen Streitkräfte.
War das Bundesheer bis 1970 als eine "Großmachtarmee im Miniformat" konzipiert, so setzte sich in den 70er Jahren die sogenannte "Raumverteidigung" oder "Spanocci-Doktrin" durch: Ausbau des Milizsystems verbunden mit einer Art Partisanentaktik, in der man sich auf keine Schlacht einlässt, sondern mit "tausend Nadelstichen" versucht, dem "Feind" den Aufenthalt im Land möglichst unbequem zu machen.
Wurde schon bisher insgeheim von höchsten Militärkreisen dieses Konzept konterkariert - so fehlen bis heute laut Rechnungshof Verordnungen zur Umsetzung der "Raumverteidigung"- so wittern im Zuge des EG-Anschlusstaumels junge und ältere Militaristen Morgenluft. Mit der im September beschlossenen "Heeresgliederung 87" wird das Konzept der "tausend Nadelstiche" endgültig aufgegeben: Anstelle des Raumverteidigungsprinzip stritt die Truppenmassierung in den Schlüsselzonen des Donauraumes. Statt wie bisher die Einheiten dezentral über das gesamte Bundesgebiet zu verteilen, sollen 80% in Niederösterreich für die "Entscheidungsschlacht" konzentriert werden.
Weiters erfolgt eine Aushungerung der Jagdkampfausbildung, dafür gibt's Gelder für Abfangjäger und Raketen; letztendlich orientiert man auf ein Berufsheer.
Welche Schlüsse lässt die Heeresgliederung 87 zu?
Dieses Konzept widerspricht jeglicher Sicherheitspolitik eines kleinen neutralen Landes und ergibt nur einen Sinn in Zusammenarbeit mit einem großen Militärbündnis. Truppenmassierungen (und damit die Herausforderung von Präventivschlägen, sowie die Verschiebung großer Truppenteile durch ganz Österreich) sind nur dann kein reines Himmelfahrtskommando, wenn "irgendjemand" die Sicherung des Luftraums übernimmt und den Truppen im Donauraum zu Hilfe eilt.
Wer dieser "irgendjemand" ist, lässt sich angesichts der Ausbildung höchstrangiger österreichischer Offiziere in US-war-colleges oder dem geplanten Ankauf eines militärischen Kommunikations-, Leitungs- und Fernmeldesystems vom britischen Rüstungskonzern Plessey, mit dem Österreich jederzeit in die NATO-Kommunikation integriert werden kann, unschwer erraten.
Mit dem "Heeresgliederungskonzept 87" wird das österreichische Bundesheer zu einer Schutz- und Hilfstruppe an der NATO-Süd-Ost-Flanke degradiert. Unter diesem Aspekt wird auch der wahre Grund für den Ankauf von Abfangjägern klar: der damit verbundene Ausbau der Landeflächen usw. macht das rasche Landen von NATO-Truppen erst möglich.
"Kecker Spatz", "Wintersturm" und "Wendekreis VII"
Zur selben Zeit als der Landesverteidigungsrat Lichals HK 87 verabschiedete, wurde an der österreichischen Grenze das deutsch-französische Großmanöver "Kecker Spatz" durchgeführt, in dem der Einsatz von Atomwaffen zur Sicherung von "Blauland" (NATO) gegenüber einem Angriff von "Rotland" (WarschauerPakt) über "Grünland" (Österreich) "durchgespielt" wurde. Sollte die Schlacht im Donauraum verloren werden, so könnten die bis dahin auf BRD-Gebiet vorgerückten französischen Atomwaffen eingesetzt werden - die Entfernung passt haargenau.
In der "Presse" vom 28. August 1987 heißt es in einer Vorschau zu diesem Manöver: "In bundesdeutschen Militärkreisen wird immer wieder scherzhaft von Österreich als Wehrbereich VII gesprochen (die BRD besteht aus sechs Wehrbereichen).
Stimmigerweise führte das österreichische Bundesheer nur wenige Monate später das Großmanöver "Wintersturm" im Raum Niederösterreich durch. Dessen Qualität besteht darin, dass in der Schlussphase zum großangelegten "Gegenangriff' übergegangen wurde ...