Neuer Anschlag auf die Universitäten

Nach den massiven StudentInnenprotesten vor einem Jahr war Wissenschaftsminister Tuppy unter Zugzwang. Er wollte zeigen, dass auch er zu Änderungen der jetzigen Studiensituation bereit ist. Wohin jedoch seine Vorstellungen eines anderen Studierens hingehen zeigt das Papier, das der "Rat für Studienreform" im November des vergangenen Jahres vorgelegt hat.
Der "Rat für Studienreform" wurde von Minister Tuppy zu Jahresbeginn 1988 berufen und stellt für den Wissenschaftsminister einen Beirat dar. Verschiedene Privatleute aus ganz Österreich wurden zusammengesammelt, um sich zu regelmäßigen Diskussionen zu treffen. Nebenbei sind diese Privatpersonen natürlich auch beruflich tätig, zum Beispiel auch in der "Wirtschaft".
Wer reformiert wen?
Der Vorsitzende des "Rates", Manfred Leeb, ist so ganz nebenbei Generaldirektor der "Neusiedler AG". Er legte ein Diskussionspapiervor, verließ aber später den "Rat", da er die allgemeine Einführung von Studiengebühren nicht durchsetzen konnte. Seine Rolle übernahm später Renate Rendulic, ihres Zeichens Industriemanagerin.
Stellvertretender Vorsitzender war lange Zeit der in StudentInnenkreisen sattsam bekannte Michael Gnant. Er betonte im Wiener ÖH-Hauptausschuss immer wieder seine private Tätigkeit im "Rat", weswegen er auch keinerlei Informationen darüber an die StudentInnen weitergeben könne. Später kam ihm dann die Einsicht und er verließ den "Rat". Offiziell teilte er mit, sein Ausscheiden geschehe aus beruflichen Gründen, doch im Hauptausschuss begründete er es damit, dass in diesem "Rat" StudentInneninteressen nicht wirklich vertreten werden können. Gerfried Sperl, Journalist beim "STANDARD" und ebenfalls Mitglied des "Rates", schenkt den Misstrauensäußerungen Gnants an sozialpartnerschaftlichen Gremien wenig Vertrauen und meint schlicht: „Der CVler Gnant hat sich mit dem CVler Leeb nicht vertragen."
Im "Rat" saßen dann noch neben einigen Ministerialräten und Universitätsprofessoren, die teilweise kaum bis gar nicht erschienen, auch Michael Moritz vom Gewerkschaftsbund und, versteht sich, Gerhard Riemer von der Industriellenvereinigung. Ein schön sozialpartnerschaftlich besetztes Gremium also.
Die "Reformen"
Welche Intentionen der "Rat" bei seinen Reformbestrebungen hatte, brachte Renate Rendulic bei einer Diskussionsveranstaltung des GEWI-Sozialreferates auf den Punkt: "Man muss das alles betriebswirtschaftlich betrachten. Die Universitäten, das sind die Unternehmen. Und das Produkt heißt Student." Und so sieht das "Reformkonzept 88" auch aus. Das Studium soll laut "Rat" mit dem "Anspruch auf höchste inhaltliche Qualität kürzer, 'effektiver und internationaler werden". Die Reform setzt bereits bei der Matura an, die, wie gehabt, eine "breite Grundbildung in den drei großen Bereichen der Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften (einschließlich Technik)" vermitteln soll. Auch wird "die Beherrschung von mindestens zwei lebenden Fremdsprachen in Wort und Schrift" gefordert. Ein "kreativer Sinn für das Musische" ist ebenfalls vorgesehen.
Bild 1: Abb.: Funktionsweise der selbstregulierenden Selektion

 
Kein Weg aus der Misere
Mündlich wird zwar mehr Geld für die Universitäten gefordert, "Zwanzig Milliarden Schilling sind überhaupt erst die Voraussetzung und eine sofortige Verbesserung des Verhältnisses Lehrende/Studierende" (Zitat Gerfried Sperl). Doch steht das im zehn Seiten umfassenden "Reformkonzept" nirgends. Stattdessen glaubt man das Heil der Unis in Bakkalaureatsstudien, Studiengebühren und Drittmitteln zu finden.
Bakkalaureat
Die StudentInnen sollen in Zukunft in mindestens drei Klassen eingeteilt werden. Das Bakkalaureatsstudium soll sechs Semester dauern und "in Kombination mit Berufsakademien ... eine höhere berufliche Bildung bieten." Für die ''Bereiche der Wirtschaft", "der Technik", "der Verwaltung", "der Touristik und der Medien". Diese eingeengte Fachbildung komme "volkswirtschaftlich billiger, die Absolventen zahlen früher Steuern." Die zweite Klasse bilden die DiplomstudentInnen. In zehn Semestern sollen sie die "jeweils neuesten Erkenntnisse der Wissenschaften" erlernen. Das wissenschaftliche Arbeiten überlassen sie aber der dritten Klasse: den DoktoratsstudentInnen. Für die Besten der Besten gibt es noch die "Centers of Excellence": die non plus ultra-Ausbildung mit "wirklich (!!!) hervorragenden Gastprofessoren, gezielten Auslandsaufenthalten und verstärkter finanzieller Förderung". "Die Selektion der Studenten, denen die spezielle Förderung zuteil wird," erfolgt laut Reformrat "selbstregulierend".
Übersichtsprüfungen
Bild 2: Gnant: Vorzeitig ausgeschieden

Die Vorschläge des "Rates" zu einer Prüfungsreform stellen praktisch eine Gegenreform dar. "Anstelle der aufgesplitterten Prüfungen" will er "eine beschränkte Zahl (etwa drei pro Jahr) Fach-Übersichtsprüfungen". "Die Studierenden haben das Recht, maximal viermal (eine Minderheit sprach sich für maximal drei, eine für maximal fünf Wiederholungen aus) zu einer Prüfung anzutreten," was der/die geschulte Leser/in als eindeutigen Kompromiss erkennt. Als Noten kommen nur mehr "4" ("bestanden") und "5" ("nicht bestanden") in Frage, sowie in besonderen Fällen "I" ("ausgezeichnet''). Der "Rat" regt die "Untersuchung eines Punktesystems für besondere Leistungsstrukturen" an, mit dem unter Anderem politische Arbeit in der ÖH sowie Arbeit "im Rahmen der sportlichen Initiativen" der Unis honoriert werden sollen.
 
Dies dürfte einer "von vielen positiven Ansätzen" sein, weswegen ÖH-Vorsitzender Sefan Szyszkowitz das Reformkonzept nicht "als Gesamtes ablehnen" möchte. 'Und so käme Osterreich vielleicht auch zu SpitzensportlerInnen, wie sie US-Amerikanischen Colleges entspringen.
Studiengebühren
Da durch das schnelle Studieren die StudentInnen früher Steuern zahlen werden, empfiehlt der "Rat" "mehrheitlich. von der neuerlichen Einführung von Studiengebühren abzusehen". Da Generaldirektor Leeb in der Minderheit blieb, verließ er frühzeitig den grünen Tisch. Doch auch hier erkennt man/frau wieder den Kompromiss: "Für Studenten, die zwei Jahre lang keine Prüfung erfolgreich abgelegt haben, empfiehlt der Rat mehrheitlich, ab dem folgenden Semester die Befreiung von den Studiengebühren aufzuheben." Eingeführt wären sie also damit. Die "normalen Studierenden" wären noch befreit, doch schnell können aus vier Semestern drei oder zwei oder ... werden.
Bild 3: Tuppy: "Weitgehend einverstanden"

De-Regulierung der Studiengesetze
Die einzelnen Universitäten sollen zukünftig jede ihr eigenes Süppchen kochen. Studienpläne und anderes mehr sollen die Unis selbst entscheiden. Diese Regelung öffnet der sogenannten "Drittmittelfinanzierung", dem Ausverkauf der Institute und Universitäten weiter Tür und Tor. Auf diese Art der Finanzierung sind einige Institute, vor allem auf der TU, bereits jetzt, wegen der Aushungerung vonseiten des Ministeriums, angewiesen. Die Reformen des "Studienreformrates" sollen die Universitäten der "Wirtschaft" kostengünstige SchnellsiedestudentInnen als aufwandsparende Facharbeiter bieten.- Minderleister.
Spitzenleister dürfen in das Bildungsland wo Milch und Honig fließen.
Minister Tuppy will eine Universitätsreform in der laufenden Legislaturperiode. er will "das Leistungssystem in den Unis einführen" und ist mit dem Konzept des "Rates" weitgehend einverstanden.
Denn "die Uni ist ein Unternehmen und das Produkt heißt Student", wie Industriemanagerin Renate Rendulic meint. Doch auf die Frage: "Seit wann zahlt das Produkt seine eigene Produktion?", blieb auch ihr die betriebswirtschaftliche Spucke weg.