Russlands Angriff auf die Ukraine wirft die Frage auf, wie neutral Österreich im Angesicht von Aggression bleiben kann und soll. Wer bei offensichtlichen Völkerrechtsverletzungen schweigt oder nichts tut, stimmt zu. Gerade als kleines Land würde das der lange währenden österreichischen Tradition widersprechen, zumal Österreichs Neutralität bei anderen Fällen von Selbstverteidigung – nach 9/11 und im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ – keine Rolle gespielt hat. Das entspricht einem langfristigen Trend, ist der zwischenstaatliche Krieg doch seit 1945 zur Ausnahme geworden. Offen bleibt, wie weit sich diese Praxis auf zwischenstaatliche Angriffskriege im Sinne des Neutralitätsgesetzes umlegen lässt. Österreichs Außen- und Europapolitik wird auf unabsehbare Zeit weiterhin einen Spagat zwischen Moral und Solidarität auf der einen und traditioneller Neutralität auf der anderen Seite versuchen. Das läuft letztlich – wie so oft – auf „österreichische Lösungen“ hinaus.
Russlands Angriff zwischen Recht und Moral