Die Aufhebung des Totalverbots der sog „Unzucht wider die Natur“ im Jahr 1971 markierte einen der entscheidenden Wendepunkte für das österr Sexualstrafrecht, das die gleichgeschlechtliche Liebe über Jahrhunderte hinweg teils drakonischen Sanktionsdrohungen unterworfen hatte. Der vorliegende Beitrag unternimmt einen Streifzug durch die Geschichte der Pönalisierung der Homo- und Bisexualität von der Neuzeit bis in die frühe Nachkriegszeit und zeigt auf, wie die gegen Ende des 19. Jh einsetzende Pathologisierung im Kontext des jungen sexualwissenschaftlichen Diskurses diese Entwicklung – in Gestalt von Lehre und Rsp zu § 129 I lit b StG 1852 – noch weiter verschärfte. Neben Verfechter*innen (zB Jenull, Ehrenreich, Graßberger) und Gegner*innen der Strafbarkeit (zB von Liszt, Benndorf, Kraus) kommt daher auch die psychiatrische Wissenschaft zu Wort, deren Lehre von „echter“ und „unechter“ Homosexualität entscheidenden Einfluss auf die Dynamik der Rechtsentwicklung ausübte.
Grundzüge der Pathologisierung und Pönalisierung gleichgeschlechtlicher Liebe von der Neuzeit bis in die frühe Nachkriegszeit