Für die Rechtsanwälte soll hier eine erste Einschätzung ihrer Rolle bei der Rückstellung entzogener Vermögen unternommen werden. In einer tour d’horizon wird zuerst der Frage nachgegangen, wie die Anwaltschaft auf institutioneller Ebene zur Rückstellung stand. Danach wird als spezifische, besonders ins Auge springende Frage die Honorarpraxis der Anwälte in Rückstellungsverfahren beleuchtet.
1. Die Rechtsanwaltschaft als Vorkämpferin der Restitution
Gesetzliche Initiative ...
... politisches Ringen ...
... und eigene Probleme: die Entnazifizierung
Das Verhalten einzelner Anwälte soll hier nicht den Blick auf das Kollektiv verstellen. Soweit die Quellen zeigen, war die Anwaltschaft als Berufsstand ein wichtiger Verbündeter der geschädigten Eigentümer. Ihr frühes Drängen auf eine umfassende gesetzliche Regelung machte sie zu einer Vorreiterin der Restitution.
2. Die quota litis-Praxis der Anwaltschaft in Rückstellungsverfahren
Das positive Bild, das die Anwälte als Körperschaft bei der Rückstellung hinterlassen, scheint durch ihre Honorarpraxis erschüttert. In Rückstellungssachen waren quota litis-Vereinbarungen weit verbreitet und wurden von der Kammer ausdrücklich gebilligt.
Quota litis-Empfehlung ...
... ihre Beurteilung durch den OGH und das Standesrecht ...
... anwaltliche Rechtfertigung ...
Was bewog die Rechtsanwaltschaft zu einer solchen Vorgangsweise, die so offensichtlich mit dem Gesetz in Konflikt stand? Gewinnstreben? Nach eigenen Aussagen wurde die quota litis primär aus einem ganz anderen Motiv forciert: aus Rücksicht auf die geschädigten Eigentümer.
... und Festhalten an der Praxis
Von der Historikerkommission herausgegebene Literatur ist unter www.historikerkommission.gv.at abrufbar.
- 1. Siehe Historikerkommission (Hrsg.): Mejstrik et al, Berufsschädigungen in der nationalsozialistischen Neuordnung der Arbeit (2003) 182 ff. Von den 2500 Anwälten in Wien verblieben nach der nationalsozialistischen Machtübernahme gerade mal ein Fünftel.
- 2. Jabloner, Juristische Aspekte der Historikerkommission, in diesem Heft.
- 3. In einem Nachruf auf Braun hob Hunna dessen besondere Verdienste für die Vermögensrestitution hervor: „Gerade auf diesem heiklen Gebiet führte er den Kampf ums Recht literarisch und praktisch mit wirklichem Erfolg und allseits anerkannter Hilfsbereitschaft“; Hunna, Dr. Rudolf Braun †, JBl 1963, 147.
- 4. Aus der Rechtsanwaltskammer in Wien, JBl 1946, 59. Konkret wurden sofortige Maßnahmen auf dem Gebiet des Steuer- und Abgabenwesens gefordert.
- 5. Siehe den Entwurf bei Hunna, Der Entwurf der Wiener Rechtsanwaltskammer zu einem Wiedergutmachungsgesetz, JBl 1946, 125; siehe auch die Diskussion des Entwurfes in der Wiener Juristischen Gesellschaft, die hauptsächlich von Anwälten geführt wurde, JBl 1946, 210, 235, 253, 276 und ÖJZ 1946, 151, 195, 217, 240. Zum politischen Schicksal des Entwurfs siehe Historikerkommission (Hrsg.): Bailer-Galanda, Die Entstehung der Rückstellungs- und Entschädigungsgesetzgebung. Die Republik Österreich und das in der NS-Zeit entzogene Vermögen (2002) 58 ff.
- 6. Bericht des Ausschusses über die Tätigkeit in den Jahren 1945 und 1946, AnwMitt 1947, H 4–5, 1 (3).
- 7. Aus der Rechtsanwaltskammer in Wien, JBl 1946, 377 (380).
- 8. Allerdings wollte die Rechtsanwaltschaft später, als ein Gesetz zur Rückstellung entzogener Mietrechte diskutiert wurde, den Kreis der Berechtigten auf jene Personen beschränken, die schon einen Wohnsitz im Inland hatten; siehe Bailer-Galanda, Entstehung 125. Damit wäre den Emigranten eine Rückkehr de facto verunmöglicht worden. Ein Gesetz über die Restitution entzogener Mietrechte wurde aber nie erlassen.
- 9. Aus der Rechtsanwaltskammer in Wien, Bericht über die Sitzung der Ständigen Vertreterversammlung der Rechtsanwaltskammern Österreichs, abgehalten in Graz am 26. und 27. September 1947, JBl 1947, 469 (472).
- 10. Historikerkommission (Hrsg.): Graf, Die österreichische Rückstellungsgesetzgebung. Eine juristische Analyse (2002) 2.
- 11. Siehe Bailer-Galanda, Entstehung 147 ff, 202.
- 12. Aus der Rechtsanwaltskammer in Wien, Zur Vertretungsbefugnis der Realitätenvermittler und Gebäudeverwalter, JBl 1946, 536.
- 13. Siehe das Memorandum der American Association of former Austrian Jurists bei Bailer-Galanda, Entstehung 150.
- 14. Braun, Zur Frage der Reformbedürftigkeit des Dritten Rückstellungsgesetzes, JBl 1950, 1.
- 15. AnwMitt 1948, H 4, 4; Aus den Rechtsanwaltskammern, Die Ständige Vertreterversammlung der Rechtsanwaltskammern Österreichs, JBl 1948, 511 (516). Konkret ging es um die Frage, ob es bei Deutschem Eigentum für die Durchführung eines Rückstellungsverfahrens der alliierten Zustimmung bedurfte.
- 16. Siehe Historikerkommission (Hrsg.): Böhmer/Faber, Die österreichische Finanzverwaltung und die Rückstellung entzogener Vermögen 1945 bis 1960. Die Finanzprokuratur (2002) 48 f.
- 17. NBlRA 1955, 69.
- 18. Siehe Bailer-Galanda, Entstehung 139, 150.
- 19. Stiefel, Entnazifizierung in Österreich (1981) 207.
- 20. Rundschreiben des Ausschusses betreffend das Verhalten von Rechtsanwälten bei Vertretung von Nationalsozialisten, AnwMitt 1946, H 1, 12.
- 21. Die bestehenden quantitativen Angaben können dafür nur ein Anfang sein: Auf Grund der Rechtsanwaltsordnung 1945, StGBl Nr. 103, wurden über 40% der Rechtsanwälte nicht mehr in ihrem Beruf zugelassen. Nach dem NS-Gesetz 1947 wurden nur mehr rund 10% mit Berufsverbot belegt; Stiefel, Entnazifizierung 207 f.
- 22. Siehe Historikerkommission (Hrsg.): Hödl/Melinz, „Jüdisches“ Liegenschaftseigentum in Wien zwischen Arisierungsstrategien und Rückstellungsverfahren (2002) 161 f Tabelle 42; Tempel/Walzer, Unser Wien. „Arisierung“ auf österreichisch (2001) 204 f.
- 23. AnwMitt 1946, H 1, 12.
- 24. Zur Frage der Doppelvertretung in Rückstellungssachen, AnwMitt 1949, H 5, 8; ebenso NBlRA 1950, 15.
- 25. Kastner, Mein Leben – kein Traum. Aus dem Leben eines österreichischen Juristen (oJ [1980]) 115. Auf die Person Walther Kastners soll hier nicht näher eingegangen werden.
- 26. Siehe Hödl/Melinz, Liegenschaftseigentum 159 ff, Tabelle 40; Historikerkommission (Hrsg.): Pammer, Die Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (2002) 37 ff. Wenig wahrscheinlich erscheint Pammers Ergebnis, dass die anwaltliche Vertretung auf den Ausgang des Verfahrens keine erkennbaren Auswirkungen gehabt haben soll; ebd. 95 ff.
- 27. OGH in NBlRA 1953, 19; Krejci in Rummel, ABGB I3 (2000) § 879 Rz 209. Dass die Anwaltschaft das Verbot der quota litis seit jeher auch in Hinblick auf diese schwer nachvollziehbaren Unterscheidungen bekämpft, soll hier nur angemerkt werden.
- 28. JBl 1947, 24; siehe auch Jahoda, Geschichte der österreichischen Advokatur 1918–1973 (1978) 66.
- 29. NBlRA 1951, 26; NBlRA 1952, 1 = Lansky/Rathkolb/Steiner, Restitutionsgesetze. Kommentar (2003) 208 (Umfang der Leistungen, Bemessungsgrundlage, Berechnung des Wertes des rückgestellten Unternehmens).
- 30. OGH 4. 4. 1951, 1 Ob 194/51 = SZ 24/93; 10. 12. 1952, 3 Ob 633/52; 9. 2. 1955, 2 Ob 956/54; 7. 9. 1955, 2 Ob 390/55 = JBl 1955, 624; 4. 11. 1959, 3 Ob 432/59; 5. 10. 1966, 6 Ob 311/66 = SZ 39/160.
- 31. OGH in JBl 1955, 624
- 32. Siehe die Diskussion anlässlich der Beschlussfassung, JBl 1947, 315.
- 33. Siehe Fux-Eschenegg, Quota litis und Werttarife, NBlRA 1952, 96 (101).
- 34. Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien in NBlRA 1953, 130.
- 35. Lohsing-Braun, Österreichisches Anwaltsrecht2 (1950) 244; Keinert, Das zivilrechtliche Verbot der quota litis nach § 879/2 Z 2 ABGB (Ein rechtspolitisches und rechtsdogmatisches Problem), in Buchegger/Holzhammer (Hrsg.), Beiträge zum Zivilprozessrecht I (1982) 91 (102).
- 36. Zur Frage der Kostenfestsetzung in Rückstellungssachen, AnwMitt 1949, H 4, 2. Zulässig wäre die Befriedigung des Honorars durch Abtretung eines Teiles des rückgestellten Vermögens nach Abschluss des Verfahrens, wenn der Honoraranspruch bereits ziffernmäßig feststehe. Warum die Kammer später von dieser Rechtsauffassung wieder abwich, ist nicht nachvollziehbar.
- 37. Fux-Eschenegg, NBlRA 101.
- 38. Rechtsanwalt Hans Kurz bei der Beschlussfassung der Honorarrichtlinien, JBl 1947, 314.
- 39. Keinert, Quota litis 100, der das absolute Verbot in Rückstellungssachen daher als „konsumentenfeindlich“ wertet; ebd. 116.
- 40. Nämlich von der Finanzierung der bei der Rückstellung vom geschädigten Eigentümer zu zahlenden Gegenleistung; siehe Braun, ÖJZ 1950, 2; Memorandum der American Association of former Austrian Jurists bei Bailer-Galanda, Entstehung 150.
- 41. Das Armenrecht konnte in Rückstellungsverfahren nach einer Präsidialverfügung des LGZ Wien bewilligt werden; AnwMitt 1947, H 6, 4.
- 42. Jahoda, Doppelvertretung oder Quota litis? AnwBl 1973, 182 (183).
- 43. SZ 24/93.
- 44. Keinert, Quota litis 102.