Die Rechtsanwälte und die Rückstellung entzogener Vermögen
Rechtsanwälten begegnet man bei der Rückstellung entzogener Vermögen auf Schritt und Tritt. Schließlich waren sie als Rechtsvertreter in die meisten Rückstellungsverfahren eingebunden. Als Kollektiv ist die Anwaltschaft in Zusammenhang mit der Vermögensentziehung und Restitution bislang noch nicht näher betrachtet worden. Auch die Historikerkommission hat sich infolge ihrer Beschränkung auf wirtschaftliche Aspekte lediglich mit der Berufsschädigung jüdischer Anwälte durch die nationalsozialistischen Berufsverbote beschäftigt1. Die Rolle der Anwälte, wie der Juristen insgesamt, wurde von der Historikerkommission hingegen nicht eigens thematisiert2.

Für die Rechtsanwälte soll hier eine erste Einschätzung ihrer Rolle bei der Rückstellung entzogener Vermögen unternommen werden. In einer tour d’horizon wird zuerst der Frage nachgegangen, wie die Anwaltschaft auf institutioneller Ebene zur Rückstellung stand. Danach wird als spezifische, besonders ins Auge springende Frage die Honorarpraxis der Anwälte in Rückstellungsverfahren beleuchtet.

 

1. Die Rechtsanwaltschaft als Vorkämpferin der Restitution

Auf der institutionellen Ebene setzte sich die Standesvertretung der Rechtsanwälte nachhaltig für eine schnelle und umfassende Rückstellung des entzogenen Vermögens ein. Treibende Kraft waren dabei Rechtsanwalt Rudolf Braun3 und Emmerich Hunna, die herausragende Anwaltspersönlichkeit der Nachkriegszeit; Hunna war Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer.
Die Wiener Rechtsanwaltskammer drängte schon zur Jahreswende 1946 auf eine rasche gesetzliche Regelung des nationalsozialistischen Vermögensraubes:4 „Die Wiedergutmachung dieses Unrechtes ist eine ebenso wichtige wie dringende Aufgabe der Gesetzgebung. Sie wird im Inlande wie im Auslande mit Ungeduld erwartet. Bei dem Wiederaufbau des österreichischen Rechtsstaates darf diese Aktion nicht an die letzte Stelle gerückt werden.“ Die Kammer sah auch frühzeitig die Gefahr, die in der „Opferthese“ für Wiedergutmachung und Restitution lag: „Der Umstand, dass die österreichische Republik die Rechtsnachfolge nach dem Deutschen Reich und insbesondere die Verantwortung für das von dem Nationalsozialismus auch auf diesem Gebiet in Österreich begangene Unrecht grundsätzlich ablehnt, reicht nicht aus, um das Problem mit Stillschweigen zu übergehen.“

 

Gesetzliche Initiative ...

Im März 1946 legte die Wiener Rechtsanwaltskammer den Entwurf für ein „Wiedergutmachungsgesetz“ vor, der allerdings nicht Gesetz wurde5. Zu Recht konnte sie später darauf verweisen, dass es sich um „den ersten Entwurf zur gesetzgeberischen Behandlung dieses Problems“ gehandelt hatte6. Dieser Entwurf unterschied sich von der schließlich verwirklichten österreichischen Rückstellungsgesetzgebung vor allem dadurch, dass er nicht eine stufenweise Regelung, sondern ein einziges Gesetz für alle Entziehungen vorsah. Schon damals warnte Rudolf Braun, dass die Zerstückelung der Rückstellungsgesetzgebung die „gerechte Durchführung“ der Rückstellungen gefährden werde7; das hat sich in der Folge nur bewahrheitet. Auch in materieller Hinsicht hätte der Entwurf Vorteile für die Rückstellungswerber gebracht; beispielsweise wären entzogene Mietrechte8 oder Gewerbeberechtigungen restituiert worden. Rückblickend betrachtet hätte der Entwurf der Rechtsanwaltskammer viel von der Kritik aufgefangen, dass die Rückstellungsgesetzgebung zögerlich angegangen wurde, unvollständig blieb und für die geschädigten Eigentümer undurchschaubar war.
Die Vermögensrestitution blieb in der Anwaltschaft neben standesrechtlichen Fragen das beherrschende Thema der ersten Nachkriegsjahre. Ende 1947 drängten die Rechtsanwaltskammern auf die Aufnahme der Tätigkeit der Rückstellungskommissionen in den Bundesländern, wo die Rückstellung nur schleppend anlief. Ebenso forderten sie eine rasche Schließung der Lücken der Rückstellungsgesetze.9 Es waren auch die Anwälte und Praktiker, die die rechtswissenschaftliche Diskussion über das Rückstellungsrecht führten, während die Universitätslehrer eher durch Schweigen auffielen10.

 

... politisches Ringen ...

Im politischen Ringen um die Vermögensrückgabe stellte sich die Anwaltschaft konsequent hinter die Rückstellungswerber. So etwa in der Frage der Verlängerung der Antragsfristen: Die Frist für Rückstellungsanträge betrug ursprünglich nur ein Jahr, konnte aber durch Verordnung verlängert werden. Diese Verlängerungen waren politisch umkämpft, wobei die Anwaltschaft konsequent für die Fortsetzung der Rückstellung eintrat11. Das mag nicht ganz uneigennützig gewesen sein, machten Rückstellungssachen doch ein breites Tätigkeitsfeld der Anwälte aus. So verteidigten die Anwälte etwa ihre Vertretungsbefugnis in Rückstellungssachen mit Nachdruck gegen Realitätenvermittler und Gebäudeverwalter12.
Als im Parlament eine Novellierung der Rückstellungsgesetze zulasten der Rückstellungsberechtigten diskutiert wurde, machten emigrierte Anwälte dagegen Front13. Und Rudolf Braun wetterte: „Es darf nie und nimmer vergessen werden, dass das Gesetz im Interesse der im nationalsozialistischen Regime schwer geschädigten, politisch Verfolgten erlassen worden und ein Sondergesetz zu deren Gunsten ist.“14
Aktiv wurde die Anwaltschaft auch beim so genannten Deutschen Eigentum, wo die Republik Österreich hinhaltenden Widerstand gegen die Rückstellung leistete; das Deutsche Eigentum, das von den Alliierten beansprucht wurde, sollte nämlich mit dem Staatsvertrag an die Republik fallen. So setzte sich die Kammer für eine zügige Rückstellung ohne Rücksicht auf die Besatzungsmächte ein15. Hunna protestierte gegen Verzögerungspraktiken der Finanzprokuratur16 und forderte bei den Staatsvertragsverhandlungen die Bundesregierung auf, die Anwendbarkeit der österreichischen Rückstellungsgesetze auf das ehemalige Deutsche Eigentum zu garantieren17.

 

... und eigene Probleme: die Entnazifizierung

Freilich gab es auch Anwälte, die für eine Entschärfung der Rückstellungsgesetze eintraten. So befürchtete ein Linzer Rechtsanwalt durch die Rückstellungsgesetze eine „Verjudung Wiens und Österreichs“18. Eine solche Aussage lenkt den Blick auf die personelle Erneuerung der Rechtsanwaltschaft. Die NS-Zeit hatte eine „starke Nazifizierung dieses Berufsstandes“19 hinterlassen. Die Entnazifizierung erfolgte relativ rasch in den ersten beiden Nachkriegsjahren, teils durch die Anwaltschaft selbst. Es sei jedenfalls streng darauf zu achten, dass alle wieder zugelassenen Anwälte „unbedingte Gegner des Nationalsozialismus sind“, gab Hunna 1946 vor20. Ob die Entnazifizierung tatsächlich effektiv war, müsste erst empirisch nachgeprüft werden21.
Sie konnte jedenfalls nicht verhindern, dass Rechtsanwälte, die während der NS-Zeit an „Arisierungen“ beteiligt waren, nach 1945 Rückstellungsverfahren führten22. Dabei ist freilich Vorsicht geboten: Es soll keinesfalls infrage gestellt werden, dass Anwälte auch „Ariseure“ und Rückstellungsgegner vertraten. Das Recht eines jeden Einzelnen auf anwaltlichen Beistand ohne Ansehung der Person ist ein Maßstab für jeden Rechtsstaat. Gerade nach dem Nationalsozialismus wurde dieses Recht mit zu einem „Erfordernis der Wiederherstellung der Rechtsordnung und Rechtssicherheit“, wie Hunna in Hinblick auf die Verteidigung ehemaliger Nationalsozialisten betonte23. Bedenklich bleiben aber jene Fälle, in denen Anwälte zuerst „(mit)arisierten“ und später Rückstellungsverfahren führten. Standesrechtlich war es einem Anwalt jedenfalls verboten, in derselben Sache zuerst die „Arisierung“ beim geschädigten Eigentümer abzuwickeln und bei der Rückstellung dann den Antragsgegner zu vertreten24.
Schillerndstes Beispiel einer solchen personellen Kontinuität ist Walther Kastner, der Doyen des österreichischen Gesellschaftsrechtes. Kastner zeichnete als Vorstand der Österreichischen Kontrollbank für die „Arisierung“ der österreichischen Großunternehmen persönlich verantwortlich. 1948 zugelassen, war er ein gefragter Anwalt in Rückstellungssachen – auch auf Seiten geschädigter Eigentümer. Seine besonderen Fachkenntnisse hatte sich Kastner schließlich „vor Ort“, bei der „Arisierung“ erworben. In einem Fall berichtet Kastner in seiner Autobiographie, dass er „von der Gründung der Bunzl & Biach AG über deren Arisierung und Rückstellung bis zu ihrer Veräußerung, also länger als 40 Jahre“ involviert gewesen wäre, „allerdings stets in einer anderen Funktion“25.

Das Verhalten einzelner Anwälte soll hier nicht den Blick auf das Kollektiv verstellen. Soweit die Quellen zeigen, war die Anwaltschaft als Berufsstand ein wichtiger Verbündeter der geschädigten Eigentümer. Ihr frühes Drängen auf eine umfassende gesetzliche Regelung machte sie zu einer Vorreiterin der Restitution.

 

2. Die quota litis-Praxis der Anwaltschaft in Rückstellungsverfahren

Das positive Bild, das die Anwälte als Körperschaft bei der Rückstellung hinterlassen, scheint durch ihre Honorarpraxis erschüttert. In Rückstellungssachen waren quota litis-Vereinbarungen weit verbreitet und wurden von der Kammer ausdrücklich gebilligt.

In Rückstellungsverfahren bestand kein Anwaltszwang. Quantitative Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass in (weit) mehr als der Hälfte der Verfahren Rückstellungswerber bzw. -gegner anwaltlich vertreten waren. Insbesondere der Abschluss von Rückstellungsvergleichen erfolgte unter Beiziehung eines Anwaltes.26
Grundsätzlich sind Anwälte bei der Vereinbarung eines Honorars mit ihren Klienten frei. Grenzen sind ihnen aber sowohl in standesrechtlicher als auch in zivilrechtlicher Hinsicht gesetzt. Eine quota litis ist eine spezielle Form eines Erfolgshonorars, die zivilrechtlich ausdrücklich verboten ist. § 879 Abs. 2 Z 2 ABGB erklärt Verträge als nichtig, „wenn ein Rechtsfreund ... sich einen bestimmten Teil des Betrages versprechen lässt, der der Partei zuerkannt wird“. Das Verbot der quota litis erfasst nicht alle wert- oder erfolgsabhängigen Entgeltvereinbarungen. Zulässig sind Erfolgshonorare, wenn sich die Höhe des Honorars nicht anteilsmäßig errechnet, sondern ziffernmäßig bestimmt. Zulässig sind auch Pauschalhonorare. Verboten sind nur die so genannten Streitanteilsvereinbarungen, bei denen sich das Honorar prozentuell nach dem Ersiegten bemisst.27 Genau solche Honorarvereinbarungen waren in Rückstellungssachen aber offenbar gang und gäbe.

 

Quota litis-Empfehlung ...

Am 29. und 30. November 1946 beschloss die Ständige Vertreterversammlung der Rechtsanwaltskammern Österreichs, „dass Honorarvereinbarungen in Wiedergutmachungssachen, wonach die Bezahlung der Honorarforderung nur aus dem rückzustellenden Vermögen erfolgen soll, nicht standeswidrig sind, und dass in Wiedergutmachungssachen in der Regel ein Honorar in der Höhe von 5–10% des Wertes des rückgestellten Vermögens angemessen erscheinen wird.“28
Dieser Beschluss wurde vom Ausschuss der Wiener Rechtsanwaltskammer in der Folge zwei Mal bestätigt, und detailliertere Vorgaben für die Berechnung des Honorars erstellt. Diese sollten sowohl für das Dritte als auch für das Erste Rückstellungsgesetz gelten. Der anzuwendende Prozentsatz habe sich nach den Schwierigkeiten des Falles zu richten, wobei er bei Verfahren nach dem Ersten Rückstellungsgesetz in der Regel „unter 5% gelegen sein wird“.29

 

... ihre Beurteilung durch den OGH und das Standesrecht ...

Von 1951 an erklärte der OGH in regelmäßiger Abfolge Honorarvereinbarungen für nichtig, nach denen Rechtsanwälte für die Vertretung in Rückstellungssachen 10, 15 oder 20% des ersiegten Kapitals bekommen sollten30. An der zivilrechtlichen Nichtigkeit änderten nach Auffassung des OGH auch die Richtlinien der Rechtsanwaltskammern nichts, weil sie der Bestimmung des § 879 ABGB „nicht derogieren können ... und eine Streitanteilsvereinbarung auch dann unerlaubt ist, wenn der ihr entsprechende Honorarbetrag angemessen wäre.“31 Die quota litis-Honorare waren absolut nichtig, die Anwälte konnten aber die tarifmäßig bestimmten Kosten verrechnen.
Die Rechtsanwaltschaft war sich bei der Beschlussfassung der Honorarrichtlinien der Gefahr durchaus bewusst gewesen, dass es sich um eine unerlaubte quota litis handeln könnte32. Rechtlich versuchte man das Problem dadurch in den Griff zu bekommen, dass die Richtlinie der Rechtsanwaltskammern als rein standesrechtliche Bestimmung gedeutet wurde33. Diese Argumentation tritt offen in einem Disziplinarerkenntnis der Rechtsanwaltskammer Wien aus dem Jahr 1953 zu Tage. Ein Rechtsanwalt hatte neben einem geringfügigen Mindesthonorar eine prozentuelle Erfolgsbeteiligung vereinbart, ein häufiger Vorgang in Rückstellungssachen. § 879 Abs. 2 Z 2 ABGB bestimme aber „klipp und klar“, dass Streitanteilsvereinbarungen nichtig sind, und „nichtige Verträge darf der Anwalt nicht schließen“. Der Beschluss der Rechtsanwaltskammer habe daher „nur zur Folge, dass ein Anwalt, der in Rückstellungssachen eine solche Honorarvereinbarung schließt, disziplinär nicht verantwortlich wird.“34
Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Es kann standesrechtlich nicht zulässig sein, den Abschluss von Verträgen zu erlauben, die vom Gesetz „klipp und klar“ für absolut nichtig erklärt werden. Was standeswidrig ist, muss zivilrechtlich noch nicht unbedingt nichtig sein; umgekehrt begründet der Abschluss einer nichtigen Honorarvereinbarung aber automatisch ein Disziplinarvergehen35. Diesen Grundsatz hatte die Rechtsanwaltskammer an sich auch für Rückstellungssachen akzeptiert36.

 

... anwaltliche Rechtfertigung ...

Was bewog die Rechtsanwaltschaft zu einer solchen Vorgangsweise, die so offensichtlich mit dem Gesetz in Konflikt stand? Gewinnstreben? Nach eigenen Aussagen wurde die quota litis primär aus einem ganz anderen Motiv forciert: aus Rücksicht auf die geschädigten Eigentümer.

Viele der politisch verfolgten Emigranten wären völlig mittellos geworden. Man könne ihnen schlecht zumuten, „zu einer Zeit, als die Judikatur der Rückstellungskommissionen noch keineswegs klare Prognosen über Prozesserfolge zuließ ... ohne Rücksicht auf den Erfolg den Anwälten bedeutende Honorare schuldig zu werden.“37 Gerade in Rückstellungssachen würden die geschädigten Eigentümer im Vorhinein die Anwaltskosten wissen wollen und, da viele durch die nationalsozialistische Verfolgung verarmt waren, die Zahlung des Anwaltshonorars aus dem rückgestellten Vermögen wünschen. Damit erhalte auch der Rechtsanwalt eine Gewähr für die Bezahlung seines Honorars, die die Rückstellungsberechtigten sonst nicht liefern könnten38.
Diese Argumentation erscheint nicht unplausibel. Zum einen wird gegen das Verbot der quota litis ganz allgemein vorgebracht, dass diese Form der Honorarvereinbarung einem Mittellosen die Prozessführung erleichtert, „wenn sie ihm diese nicht überhaupt erst ermöglicht.“39 Dass gerade die geflohenen Opfer des Nationalsozialismus Schwierigkeiten bei der „Finanzierung“ ihrer Rückstellungsverfahren hatten, weil sie keine Sicherheit für Kredite bieten konnten, ist auch aus anderem Zusammenhang bekannt40.
Hier bedürfte es freilich einer empirischen Untersuchung der Honorarpraxis, um die Angaben der Anwaltschaft zu überprüfen. Dabei wäre erstens zu klären, ob Streitanteilsvereinbarungen die (anwaltliche) Verfolgung von Rückstellungsansprüche tatsächlich erst ermöglichten; zweitens, ob nicht bereits das Armenrecht (heute: die Verfahrenshilfe) mittellosen Rückstellungswerbern eine anwaltliche Vertretung erlaubte41; und drittens, ob Anwälte aus quota litis-Vereinbarungen nicht doch auch Profit auf Kosten der Rückstellungswerber zogen.

 

... und Festhalten an der Praxis

Quota litis-Vereinbarungen fanden in Rückstellungssachen jedenfalls weite Verbreitung. Die Anwälte ließen sich von dieser Praxis auch nicht durch den OGH abbringen. Die wiederholte Nichtigerklärung ein und desselben Honorartyps über 15 Jahre hinweg – die letzte Entscheidung des OGH datiert aus 1966 – lässt auf eine breite Verankerung unter den Rechtsanwälten schließen. Die quota litis hatte sich in der anwaltlichen Selbsteinschätzung in Rückstellungsverfahren eben „bestens bewährt“42.
Die Anwaltschaft muss sich trotz aller gegenteiligen Beteuerungen auch gefallen lassen, dass ihre Honorarpraxis mit Skepsis betrachtet wird. Denn was ein quota litis-Honorar, ungeachtet seiner Angemessenheit im Einzelfall, unzulässig macht, „ist die besondere Stellung, die der Anwalt gegenüber seinem Klienten einnimmt“, wie der OGH in einer Rückstellungssache festhielt43. Die berufsethische Schranke, mit der das Verbot begründet wird, will eben schon dem bloßen Verdacht vorbeugen, der Anwalt habe durch seine bessere Kenntnis der Sach- und Rechtslage oder durch das Ausnützen einer Notsituation seinen Klienten übervorteilt44. Ein solcher Verdacht sollte gerade in Rückstellungssachen nicht aufkommen.

Von der Historikerkommission herausgegebene Literatur ist unter www.historikerkommission.gv.at abrufbar.

  • 1.  Siehe Historikerkommission (Hrsg.): Mejstrik et al, Berufsschädigungen in der nationalsozialistischen Neuordnung der Arbeit (2003) 182 ff. Von den 2500 Anwälten in Wien verblieben nach der nationalsozialistischen Machtübernahme gerade mal ein Fünftel.
  • 2.  Jabloner, Juristische Aspekte der Historikerkommission, in diesem Heft.
  • 3.  In einem Nachruf auf Braun hob Hunna dessen besondere Verdienste für die Vermögensrestitution hervor: „Gerade auf diesem heiklen Gebiet führte er den Kampf ums Recht literarisch und praktisch mit wirklichem Erfolg und allseits anerkannter Hilfsbereitschaft“; Hunna, Dr. Rudolf Braun †, JBl 1963, 147.
  • 4.  Aus der Rechtsanwaltskammer in Wien, JBl 1946, 59. Konkret wurden sofortige Maßnahmen auf dem Gebiet des Steuer- und Abgabenwesens gefordert.
  • 5.  Siehe den Entwurf bei Hunna, Der Entwurf der Wiener Rechtsanwaltskammer zu einem Wiedergutmachungsgesetz, JBl 1946, 125; siehe auch die Diskussion des Entwurfes in der Wiener Juristischen Gesellschaft, die hauptsächlich von Anwälten geführt wurde, JBl 1946, 210, 235, 253, 276 und ÖJZ 1946, 151, 195, 217, 240. Zum politischen Schicksal des Entwurfs siehe Historikerkommission (Hrsg.): Bailer-Galanda, Die Entstehung der Rückstellungs- und Entschädigungsgesetzgebung. Die Republik Österreich und das in der NS-Zeit entzogene Vermögen (2002) 58 ff.
  • 6.  Bericht des Ausschusses über die Tätigkeit in den Jahren 1945 und 1946, AnwMitt 1947, H 4–5, 1 (3).
  • 7.  Aus der Rechtsanwaltskammer in Wien, JBl 1946, 377 (380).
  • 8.  Allerdings wollte die Rechtsanwaltschaft später, als ein Gesetz zur Rückstellung entzogener Mietrechte diskutiert wurde, den Kreis der Berechtigten auf jene Personen beschränken, die schon einen Wohnsitz im Inland hatten; siehe Bailer-Galanda, Entstehung 125. Damit wäre den Emigranten eine Rückkehr de facto verunmöglicht worden. Ein Gesetz über die Restitution entzogener Mietrechte wurde aber nie erlassen.
  • 9.  Aus der Rechtsanwaltskammer in Wien, Bericht über die Sitzung der Ständigen Vertreterversammlung der Rechtsanwaltskammern Österreichs, abgehalten in Graz am 26. und 27. September 1947, JBl 1947, 469 (472).
  • 10.  Historikerkommission (Hrsg.): Graf, Die österreichische Rückstellungsgesetzgebung. Eine juristische Analyse (2002) 2.
  • 11.  Siehe Bailer-Galanda, Entstehung 147 ff, 202.
  • 12.  Aus der Rechtsanwaltskammer in Wien, Zur Vertretungsbefugnis der Realitätenvermittler und Gebäudeverwalter, JBl 1946, 536.
  • 13.  Siehe das Memorandum der American Association of former Austrian Jurists bei Bailer-Galanda, Entstehung 150.
  • 14.  Braun, Zur Frage der Reformbedürftigkeit des Dritten Rückstellungsgesetzes, JBl 1950, 1.
  • 15.  AnwMitt 1948, H 4, 4; Aus den Rechtsanwaltskammern, Die Ständige Vertreterversammlung der Rechtsanwaltskammern Österreichs, JBl 1948, 511 (516). Konkret ging es um die Frage, ob es bei Deutschem Eigentum für die Durchführung eines Rückstellungsverfahrens der alliierten Zustimmung bedurfte.
  • 16.  Siehe Historikerkommission (Hrsg.): Böhmer/Faber, Die österreichische Finanzverwaltung und die Rückstellung entzogener Vermögen 1945 bis 1960. Die Finanzprokuratur (2002) 48 f.
  • 17.  NBlRA 1955, 69.
  • 18.  Siehe Bailer-Galanda, Entstehung 139, 150.
  • 19.  Stiefel, Entnazifizierung in Österreich (1981) 207.
  • 20.  Rundschreiben des Ausschusses betreffend das Verhalten von Rechtsanwälten bei Vertretung von Nationalsozialisten, AnwMitt 1946, H 1, 12.
  • 21.  Die bestehenden quantitativen Angaben können dafür nur ein Anfang sein: Auf Grund der Rechtsanwaltsordnung 1945, StGBl Nr. 103, wurden über 40% der Rechtsanwälte nicht mehr in ihrem Beruf zugelassen. Nach dem NS-Gesetz 1947 wurden nur mehr rund 10% mit Berufsverbot belegt; Stiefel, Entnazifizierung 207 f.
  • 22.  Siehe Historikerkommission (Hrsg.): Hödl/Melinz, „Jüdisches“ Liegenschaftseigentum in Wien zwischen Arisierungsstrategien und Rückstellungsverfahren (2002) 161 f Tabelle 42; Tempel/Walzer, Unser Wien. „Arisierung“ auf österreichisch (2001) 204 f.
  • 23.  AnwMitt 1946, H 1, 12.
  • 24.  Zur Frage der Doppelvertretung in Rückstellungssachen, AnwMitt 1949, H 5, 8; ebenso NBlRA 1950, 15.
  • 25.  Kastner, Mein Leben – kein Traum. Aus dem Leben eines österreichischen Juristen (oJ [1980]) 115. Auf die Person Walther Kastners soll hier nicht näher eingegangen werden.
  • 26.  Siehe Hödl/Melinz, Liegenschaftseigentum 159 ff, Tabelle 40; Historikerkommission (Hrsg.): Pammer, Die Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (2002) 37 ff. Wenig wahrscheinlich erscheint Pammers Ergebnis, dass die anwaltliche Vertretung auf den Ausgang des Verfahrens keine erkennbaren Auswirkungen gehabt haben soll; ebd. 95 ff.
  • 27.  OGH in NBlRA 1953, 19; Krejci in Rummel, ABGB I3 (2000) § 879 Rz 209. Dass die Anwaltschaft das Verbot der quota litis seit jeher auch in Hinblick auf diese schwer nachvollziehbaren Unterscheidungen bekämpft, soll hier nur angemerkt werden.
  • 28.  JBl 1947, 24; siehe auch Jahoda, Geschichte der österreichischen Advokatur 1918–1973 (1978) 66.
  • 29.  NBlRA 1951, 26; NBlRA 1952, 1 = Lansky/Rathkolb/Steiner, Restitutionsgesetze. Kommentar (2003) 208 (Umfang der Leistungen, Bemessungsgrundlage, Berechnung des Wertes des rückgestellten Unternehmens).
  • 30.  OGH 4. 4. 1951, 1 Ob 194/51 = SZ 24/93; 10. 12. 1952, 3 Ob 633/52; 9. 2. 1955, 2 Ob 956/54; 7. 9. 1955, 2 Ob 390/55 = JBl 1955, 624; 4. 11. 1959, 3 Ob 432/59; 5. 10. 1966, 6 Ob 311/66 = SZ 39/160.
  • 31.  OGH in JBl 1955, 624
  • 32.  Siehe die Diskussion anlässlich der Beschlussfassung, JBl 1947, 315.
  • 33.  Siehe Fux-Eschenegg, Quota litis und Werttarife, NBlRA 1952, 96 (101).
  • 34.  Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien in NBlRA 1953, 130.
  • 35.  Lohsing-Braun, Österreichisches Anwaltsrecht2 (1950) 244; Keinert, Das zivilrechtliche Verbot der quota litis nach § 879/2 Z 2 ABGB (Ein rechtspolitisches und rechtsdogmatisches Problem), in Buchegger/Holzhammer (Hrsg.), Beiträge zum Zivilprozessrecht I (1982) 91 (102).
  • 36.  Zur Frage der Kostenfestsetzung in Rückstellungssachen, AnwMitt 1949, H 4, 2. Zulässig wäre die Befriedigung des Honorars durch Abtretung eines Teiles des rückgestellten Vermögens nach Abschluss des Verfahrens, wenn der Honoraranspruch bereits ziffernmäßig feststehe. Warum die Kammer später von dieser Rechtsauffassung wieder abwich, ist nicht nachvollziehbar.
  • 37.  Fux-Eschenegg, NBlRA 101.
  • 38.  Rechtsanwalt Hans Kurz bei der Beschlussfassung der Honorarrichtlinien, JBl 1947, 314.
  • 39.  Keinert, Quota litis 100, der das absolute Verbot in Rückstellungssachen daher als „konsumentenfeindlich“ wertet; ebd. 116.
  • 40.  Nämlich von der Finanzierung der bei der Rückstellung vom geschädigten Eigentümer zu zahlenden Gegenleistung; siehe Braun, ÖJZ 1950, 2; Memorandum der American Association of former Austrian Jurists bei Bailer-Galanda, Entstehung 150.
  • 41.  Das Armenrecht konnte in Rückstellungsverfahren nach einer Präsidialverfügung des LGZ Wien bewilligt werden; AnwMitt 1947, H 6, 4.
  • 42.  Jahoda, Doppelvertretung oder Quota litis? AnwBl 1973, 182 (183).
  • 43.  SZ 24/93.
  • 44.  Keinert, Quota litis 102.
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Mag. Ronald Faber, LL. M. (Yale) ist Mitherausgeber des juridikum, ronald.faber@aya.yale.edu.