UNZUCHT, SCHANDLOHN, GUTE SITTEN:

Die Prostitution ist in der österreichischen Rechtsordnung an verschiedenen Stellen geregelt. Speziell die einzelnen Bundesländer überraschen mit durchaus unterschiedlichen "Lösungen", aber auch Gemeinden zeigen Einfallsreichtum. Hier ein umfassender Überblick: Bis zum 1. Juli 1989 war männliche, homosexuelle Prostitution hierzulande unter Strafe gestellt, nunmehr bleibt sie ebenso straffrei wie die heterosexuelle (seit 1885) und die lesbische (seit 1971). Dennoch hält das Strafrecht etliche Tatbestände im Zusammenhang mit Prostitution bereit:

Strafrecht

  • Kuppelei (§ 213 StGB): Das eigene Kind, Wahlkind oder Mündel darf, sofern es unter 19 ist, überhaupt nicht zur Unzucht verleitet werden. Andere Jugendliche bis 19 Jahren dann nicht, wenn zu diesem Zweck ein Erziehungs-, Ausbildungs- oder Aufsichtsverhältnis ausgenützt wird. Strafrahmen: 3 Jahre.
  • Entgeltliche Förderung fremder Unzucht (§ 214 StGB): Verboten ist es, eine andere Person der Unzucht zuzuführen, um sich dadurch einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Ungeklärt ist, ob eine Person, die zur Unzucht bereit ist, der Unzucht zugeführt werden kann. Daher ist es nicht klar, ob die Vermittlung von Prostituierten, die vermittelt werden wollen, strafbar ist oder nicht. Strafrahmen: 6 Monate oder Geldstrafe bis zum Höchstmaß.
  • Förderung gewerbsmäßiger Unzucht (§ 215 StGB): Wer eine Person der Prostitution zuführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. Unter Zuführen wird eine Umstellung der Lebensweise des/der Prostituierten verstanden. Bloßes Überreden reicht nicht.
  • Zuhälterei (§ 216 StGB): Mit bis zu 2 Jahren Freiheitsentzug wird bestraft, wer eine/n Prostituierte/n ausnützt, ausbeutet, einschüchtert, ihr/ihm die Bedingungen der Ausübung vorschreibt oder sie/ihn von der Aufgabe der Prostitution durch Einschüchterung abhält.
  • Menschenhandel (§ 217 StGB): Darunter wird die Zuführung einer Person zur Prostitution in einem Land verstanden, in dem diese Person keinen gewöhnlichen Aufenthalt und dessen Staatsbürgerschaft sie auch nicht besitzt. Strafrahmen: 1-10 Jahre. Davon erfasst ist zum Beispiel das Anwerben von Österreicherinnen zur Prostitution in der BRD, sofern diese weder die deutsche Staatsbürgerschaft noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der BRD haben.
  • Ankündigung zur Herbeiführung unzüchtigen Verkehrs (§ 219 StGB): Öffentliche Ankündigungen, die bestimmt sind, unzüchtigen Verkehr herbeizuführen, und die geeignet sind, berechtigtes Ärgernis zu erregen, sind verboten. Strafrahmen: 6 Monate.
  • Pornographie: Das Vorführen homosexueller Pornographie in gewinnsüchtiger Absicht ist verboten. Das heißt, dass ein Stricher seinen Kunden keine Pornos zeigen darf (pornoG). Strafrahmen: 1 Jahr.

Verwaltungsrecht

Auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts gibt es - vom Steuerrecht abgesehen - zwei Gesetze, die bundesweit gelten: das Geschlechtskrankheitengesetz und das AIDS-Gesetz, die regelmäßige Untersuchungen beim Gesundheitsamt vorschreiben (siehe Tabelle). Ansonsten liegt die verwaltungsrechtliche Kompetenz in Sachen Prostitution bei den Ländern. Sieben von ihnen haben sie wahrgenommen und entsprechende Vorschriften erlassen.

In der Steiermark und in Kärnten fehlen landesweite Regelungen. In diesen Bundesländern kann somit jede Gemeinde durch ortspolizeiliche Verordnungen die Prostitution so regeln, wie sie es für sinnvoll erachtet. Das kann bis zum Totalverbot gehen. In den anderen Bundesländern können die Gemeinden nur Regelungen erlassen, die nicht gegen die landesrechtlichen Prostitutionsvorschriften verstoßen (Art. 118 Abs. 6 Bundes-Verfassungsgesetz). Die Rechtslage in diesen Ländern ist in unserer Tabelle dargestellt. Interessant ist, dass in Tirol die homosexuelle Prostitution nicht von den Vorschriften erfasst wird, da das Landes-Polizeigesetz nur die "Hingabe des eigenen Körpers an Personen des anderen Geschlechts" erfasst. Allerdings gelten auch hier die bundesweiten Vorschriften des Strafgesetzbuches, des Geschlechtskrankheitengesetzes und des AIDS-Gesetzes. Das heißt, dass sich ein Stricher einmal wöchentlich untersuchen lassen muss - darüber hinausgehende Regelungen existieren in Tirol jedoch nicht.

In Oberösterreich und Salzburg ist es verboten, Prostitution durch Ankündigungen in Druckwerken (Inserate) anzubahnen, wobei in Oberösterreich eine Ausnahme für Zeitungen besteht, die der Anbahnung dienen, die also ausschließlich oder vorwiegend solche Inserate enthalten. Aber auch diese dürfen nur in Betriebsstätten verbreitet werden, die für Jugendliche verboten sind (Nachtlokale etc.). Allgemein ist zu sagen, dass Prostitution als Sammeldelikt angesehen wird. Das heißt: Jemand, der sich etwa 50 mal verbotenerweise (als Geheimprostituierte/r, an verbotenen Orten etc.) prostituiert hat, kann nicht 50 mal bis zu 100.000,- öS Strafe (Höchststrafe etwa in Wien) bekommen, sondern erhält für alle Übertretungen eine Strafe. Der Unterschied liegt im Strafrahmen. Im ersten Fall wäre dieser bis zu 5 Millionen, im zweiten Fall bis zu 100.000,- öS.

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Jugendschutzgesetze

So ist es in Wien und im Burgenland Jugendlichen unter 18 Jahren verboten, sich in Räumlichkeiten aufzuhalten, die der Prostitution dienen (§ 15 sowohl Wr. als auch Bgld. Jugendschutzgesetz 1985 bzw. 1986). In Vorarlberg ist es verboten, an der "gewerbsmäßigen Unzucht" von Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahren teilzunehmen (bis 6.000,- öS Geld- oder bis 3 Monate Freiheitsstrafe). Damit ist in Vorarlberg auch der Freier/die Freierin eines/einer jugendlichen Prostituierten strafbar. In allen anderen Bundesländern hingegen passiert diesen Personen rechtlich nichts, solange das Mädchen oder der Junge nicht unter 14 ist (§ 206f StGB). Dies gilt natürlich nicht für Männer, die die Dienste eines unter 18-jährigen Strichers in Anspruch nehmen, denn da gilt ja bundesweit § 209 StGB! (In Vorarlberg kann den Freiern jedoch neben der gerichtlichen Strafe eine Strafe nach dem Jugendschutzgesetz drohen).

Übrigens enthält das Vorarlberger Jugendschutzgesetz insofern eine verfassungswidrige Bestimmung, als es bei Verdacht der Prostitution von Kindern oder Jugendlichen die Möglichkeit einer Hausdurchsuchung durch die Bezirkshauptmannschaft vorsieht, nach dem (Verfassungs-)Gesetz zum Schutze des Hausrechts aus 1862 jedoch nur ein Richter eine solche Untersuchung anordnen darf. Auch die Vorschriften über die Anstandsverletzung, die in fast allen Bundesländern existieren, können gegen die Prostitution angewendet werden. Unter Verletzung des öffentlichen Anstands versteht man zum Beispiel in Vorarlberg "jedes Verhalten in der Öffentlichkeit ..., das einen groben Verstoß gegen die guten Sitten darstellt, die jedermann in der Öffentlichkeit zu beachten hat" (§ 1 Sittenpolizeigesetz 1976), oder in Tirol die Verletzung der "allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit" (§11 Landes-Polizeigesetz 1976). Gummiparagraphen der reinsten Sorte also, die verfassungswidrig sind, weil die Europäische Menschenrechtskonvention bestimmte Straftatbestände vorschreibt - und das bieten diese Bestimmungen wahrlich nicht!

Landstreicherei

Bestraft nur mehr Tirol. Gemeint ist damit das erwerbs- und beschäftigungslose Herumtreiben, ohne nachweisen zu können, dass man die Mittel zu seinem Unterhalt besitzt oder redlich zu erwerben sucht (§ 9 Landes-Polizeigesetz 1976). Strafe: Arrest bis zu 2 Wochen. Auch wenn in Tirol - wie vorhin erwähnt - die homosexuelle Prostitution nicht geregelt ist, so kann mit dieser Bestimmung

wohl ein Großteil des Straßenstrichs erfasst werden. Allerdings hat der Verfassungsgerichtshof 1986 eine gleichlautende Bestimmung des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes aufgehoben, weil in dieser die Beweislast umgekehrt war, was auch nach der Menschenrechtskonvention unzulässig ist. Unter die Gewerbeordnung fallen Prostituierte nicht, weil sie eine Tätigkeit ausüben, die gegen die guten Sitten verstößt. Sie gehören damit auch nicht der Handelskammer an und haben keine öffentlich-rechtliche Interessensvertretung. Sie müssen jedoch sehr wohl Einkommensteuer zahlen (Verwaltungsgerichtshof 16. 2.1983). Sozialversicherungsschutz genießen sie nur dann, wenn sie sich freiwillig versichern.

Zivilrecht

Prostituierte können ihren "Schandlohn" nicht einklagen, weil der Vertrag mit dem Kunden/der Kundin sittenwidrig und somit nichtig ist (§ 879 ABGB, vgl. auch den Beitrag auf Seite 24). Der Freier/die Freierin könnte sogar das Entgelt wegen "ungerechtfertigter Bereicherung" zurückverlangen.

Prostitution als Grundrecht

Die entgeltliche Prostitution steht unter dem Schutz des Art. 8 Menschenrechtskonvention ("Recht auf Schutz der Privatsphäre", VtSlg. 8272). Der Unterschied zur gewerbsmäßigen Prostitution liegt darin, dass sie nicht wiederkehrend, fortlaufend, sondern nur im Einzelfall passiert. Die gewerbsmäßige Prostitution unterliegt keinem verfassungsrechtlichen Schutz und kann somit durch einfaches Gesetz verboten werden. Nicht verboten werden kann jedoch, dass sich jemand gegen Entgelt hingibt, solange er/sie es nicht regelmäßig oder unregelmäßig mit Gesamtvorsatz tut.

Glossar

  • Prostitution: Duldung sexueller Handlungen am eigenen Körper oder die Vornahme sexueller Handlungen, soweit Gewerbsmäßigkeit vorliegt.
  • Anbahnung: Durch ein Verhalten in der Öffentlichkeit erkennen lassen, dass man Prostitution ausüben will.
  • Gewerbsmäßigkeit: Anbahnung, Duldung oder Handlung zu dem Zweck, sich eine wenn auch nicht regelmäßige Einnahme zu verschaffen.
Fotos & Illustrationen: