Regierungsvorlage zum Sicherheitspolizeigesetz

Innenminister Löschnak gibt nicht auf! Anfang Mai hat sein Ministerialentwurf zum Sicherheitspolizeigesetz (SiPolG) den Ministerrat passiert und liegt nun dem Parlament vor. Dieses Projekt ist wegen seines demokratiepolitischen und rechtsstaatlich bedenklichen Charakters sofort ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Seit Jahrzehnten wird eine gesetzliche Grundlage für die Polizei gefordert, da es für einen modernen Rechtsstaat nicht angemessen ist, die Tätigkeit seiner Exekutive auf Erlässe eines absolutistischen Monarchen und diverse Übergangsbestimmungen zu stützen. Daher ist diese Initiative aus dem Innenministerium zu begrüßen. Mitnichten.
Schon der Ministerialentwurf hat eine massive Ausweitung polizeilicher Befugnisse vorgesehen: Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl, faktische Einführung der generellen Ausweispflicht, unkontrollierbare Erfassung und automationsunterstützte Vernetzung personenbezogener Daten, ein Verordnungsrecht, mit dem die Polizei insbesondere gegen UmweltaktivistInnen und Streikende vorgehen könnte, Legalisierung der Stapo und anderer verdeckt agierender Sonderheiten, das gegen gesellschaftliche Randgruppen gerichtete Wegweiserecht... Das alles unter extrem vagen Voraussetzungen. So heißt es in der Vorlage: "...wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist...", "der dringende Verdacht besteht...", "aufgrund bestimmter Umstände anzunehmen ist...", "Abwehr einer allgemeinen Gefahr", usw. Damit wird der Polizei ein sehr weiter Ermessensspielraum eingeräumt, ihre Befugnisse ausgeweitet und vorhandene Missstände nicht beseitigt, sondern weitestgehend legalisiert. Die Front der Kritiker ist dementsprechend breit. Sie reicht von verschiedenen Initiativen Betroffener, wie "Bürger beobachten die Polizei", "Verband Wiener Sozialarbeiter" oder Bewährungshilfe, über staatstragende Institutionen, wie die Arbeiterkammer, den Verfassungsgerichtshof und das Bundeskanzleramt, bis tief in die Reihen der Regierungsparteien, von SJ, VSSTÖ und Gewerkschaftsjugend bis zum VP-Justizsprecher Michael Graff. Diese Breite hat Löschnak & Co wenig beeindruckt, die Kritik wurde fast völlig ignoriert.
Die Verfasser dieses Machwerks aus dem Innenministerium wendeten für die Begutachtung eine doppelgleisige Strategie an. Erstens wurde eine Bestimmung aufgenommen, die auf einhellige Kritik (sogar von Seiten der Polizeigewerkschaft) stieß: das Wegweiserecht, besser bekannt als "Lex Karlsplatz", die dann medienwirksam gestrichen wurde. Nicht, wie man meinen könnte, aus politischen Bedenken, sondern aufgrund einer Kritik des Verfassungsdienstes, wonach dies in den Kompetenzbereich der Länder falle. Außerdem hat der Wiener Bürgermeister schon im Februar dem Landtag angekündigt, dass mit Jahresmitte das Wegweiserecht erlassen wird, "wenn es mit dem Sicherheitspolizeigesetz nicht konkret zu Ende kommt" (Sitzungsprotokoll Feb. 90). Zweitens wurden eine ganze Reihe Bestimmungen erst gar nicht der Begutachtung ausgesetzt, sondern wohlweislich, dem demokratischen Diskussionsprozess ausweichend, erst in die Regierungsvorlage aufgenommen.
Nur nicht deppert sein!
Schon lange ist bekannt, dass die Behörden Dateien über psychisch Kranke führen und Informationen daraus an Dritte weitergeben. Nun soll diese, jeglicher legalen Grundlage entbehrende Praxis legalisiert werden. Dazu sieht der §39 SiPolG vor, Evidenzen zu führen, in denen Name, Geschlecht, Anschrift des Betroffenen, die Organe, die die Einweisung veranlasst haben, Name des behandelnden Arztes und sogar die von diesem erstellte Diagnose gespeichert werden. Diese Daten sollen zehn Jahre nach der letzten Eintragung gelöscht werden, und die Weitergabe der Informationen an Private (also auch an Arbeitgeber) ist mit Einschränkungen zulässig. Seit langem laufen Mediziner und Angehörige der Betroffenen Sturm gegen diese Praxis, die weder medizinisch noch sicherheitspolitisch zu rechtfertigen ist. Sie dient einzig und allein dazu, Existenzängste zu schüren, die Angst vor der psychischen Behandlung (berechtigterweise) aufrechtzuerhalten und damit psychisch Kranke weiter an den Rand der Gesellschaft zu drängen.
Überhaupt wartet das Kapitel "Datenschutz" mit einigen bösen Überraschungen auf. Mit der "Sicherheitsüberprüfung" (§37 SiPolG) werden die Lehren aus dem erst kürzlich aufgeflogenen Stapo-Skandal gezogen. Damals hat Minister Löschnak die sofortige Einstellung diverser illegaler Spitzeldienste der Staatspolizei für die Privatwirtschaft angekündigt. Die Industriellenvereinigung und die Bundeswirtschaftskammer haben ihn daraufhin sofort zur Raison gebracht. So soll die Stapo künftig berechtigt sein, personenbezogene Daten ohne Einverständnis des Betroffenen an den gesamten Bereich der öffentlichen Hand und zumindest der Hochtechnologie- und der Rüstungsindustrie zu liefern, mit Einverständnis des Betroffenen auch an alle anderen Interessierten. Um den staatlichen Spitzeln die Datenerfassung auch im Privatbereich zu ermöglichen, soll in Zukunft auch die "verdeckte Ermittlung" (§ 37 Abs. 5) erlaubt sein, wenn der "Hinweis (auf die verdeckte Ermittlung; .TS) die Erfüllung der Aufgabe gefährdet oder erheblich erschweren würde". Die Tätigkeit der Stapo wird durch dieses Gesetz sicher in keiner Weise eingeschränkt werden, da sie auf Bestimmungen wie "Vorbeugung" und "Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen der Republik" gestützt wird. Dazu der Verfassungsdienst des BKA: "Im Lichte des Art. 18 B-VG (Legalitätsprinzip) erscheint unklar, was unter dem Begriff >vorbeugen< verstanden werden soll." - Selbstredend. Der Neugierde der Behörden soll Tür und Tor geöffnet, jener der Betroffenen präventiv ein Riegel vorgeschoben werden. So gilt zwar prinzipiell, was sehr erfreulich ist, das Auskunftsrecht nach dem Datenschutzgesetz, nicht aber, wenn "das Wissen des Betroffenen um die Existenz des Datensatzes ... den Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen der Republik gefährden oder erheblich erschweren würde". Dann hat die Auskunft zu lauten: "Es wurden keine der Auskunftspflicht unterliegenden Daten ermittelt oder verarbeitet" (§ 43 Abs. 2 SiPolG).
Zum "Datenschutz" sei abschließend noch eine der ganz wenigen positiven Bestimmungen dieses Entwurfs erwähnt: "Zur Abwehr jener Gefahren, die von gefahrengeneigten Anlagen bei Störfällen ausgehen, ist eine Umweltdatei zu führen" (§40 SiPolG).
Im § 35 des Entwurfs ist ein polizeiliches Verordnungsrecht (beispielsweise: "zerstreuen Sie sich! Hmen!") im Verfassungsrang vorgesehen. Damit könnte sich die Behörde selbst die quasi-gesetzliche Grundlage ihres Einschreitens schaffen. Darin sieht Dr. Brigitte Hornyik, Schriftführerin am Verfassungsgerichtshof, "einen Widerspruch zu einem Grundprinzip der Verfassung" (Rechtsstaatsprinzip, TS), es ist somit "verfassungswidriges Verfassungsrecht" und daher "ersatzlos zu streichen".
Zuletzt sei noch auf einen in der Diskussion völlig vernachlässigten Angriff auf den bisher in Österreich üblichen Rechtsschutzstandard hingewiesen. Nach der noch geltenden Rechtslage ist es dem Betroffenen möglich, sich bei Verletzung einer gesetzlich oder verfassungsrechtlich garantierten Rechte durch die Behörden an die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts zu wenden. Nun soll dem Innenminister die Befugnis eingeräumt werden, "durch Verordnung Richtlinien für das Einschreiten der Organe" zu erlassen, und weiter "die Nichteinhaltung einer Richtlinie keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit einer ausgeübten Befugnis" hat (§ 20 SiPolG). Ansich schon schlimm genug. Der volle Umfang dieser Bestimmung wird aber erst in Zusammenhang mit den "besonderen Rechtsschutzbestimmungen" (4. Teil des SiPolG) ersichtlich. Dort wird geregelt, dass bei Verstößen gegen Richtlinien nach §20 in erster Instanz Disziplinarkommissionen und in zweiter und endgültiger die ab 1991 einzurichtenden Verwaltungs senate zu entscheiden haben. Der Weg zum Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof wird dadurch versperrt. Diese Bestimmung erscheint besonders bedenklich, weil der Innenminister damit heikle Bereiche durch Verordnung regeln, diese somit der Überprüfung durch die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts entziehen kann, was dem Rechtsschutz nicht gerade förderlich erscheint.