Wien. (wm). Eine schwer nachzuweisende, noch schwerer zu ahndende organisierte Freiheitsberaubung findet und findet in den uns allen wohl bekannten Großhandelsketten statt. Es handelt sich dabei um Folgendes: Eine von der Arbeiterkammer Steiermark ausgehende flächendeckende Überprüfung der Läden ergab, dass die Angestellten regelmäßig unbezahlte Überstunden leisten mussten, konkret, dass sie die Vor- bzw. Nachbereitung für den Verkaufsbetrieb (Boden aufwischen, Regale) nicht bezahlt bekamen. Die Schwierigkeit bei der Aufdeckung dieser besonders miesen Art der Ausbeutung liegt daran, dass die Lohnabhängigen (wie immer) unter starken Druck der Betriebsleitungen gerieten. Diejenigen, die aufstanden, um ihr Recht zu erkämpfen, sahen sich zunächst unter persönlichen Druck gesetzt ("Wenn sie hier rausfliegen, bekommen sie in der ganzen Branche keinen Job mehr"), der sehr schnell auf das ganze Arbeitskollektiv ausgedehnt wurde. Dass alleinstehende Mütter, Kreditrückzahler und ähnlich besonders "freie" Mitglieder unserer Gesellschaft hier den Kürzeren ziehen, ist die Regel. So drohte z.B. Billa mit der fristlosen Entlassung, falls die Betroffenen ihre Aussagen nicht zurücknähmen. Weiters geht man dazu über, bei ausschließlicher Umsatzorientierung, junge Filialleiterinnen einzustellen, die, wenn sie nicht schnell genug perfekte Sklaventreiberfähigkeiten entwickeln, einer starken Fluktuation unterliegen, d.h. sie fliegen. Der Profit der Konzerne ist mehrfach: Bei der Lohnvorenthaltung verringert sich auch anteilsmäßig Arbeitslosen- und Urlaubsgeld sowie die Sozialversicherungsausgaben. Es soll auch Anweisungen geben, dass bei einem Umsatz von 40.000.- pro Arbeitnehmerin und Tag nur eine Arbeitszeit von 8 Stunden, bei 43.000.- nur 9 Stunden zu verrechnen sind, was zu einer dementsprechenden Arbeitsbelastung führt. Die Aufklärungsrate ist, wie gesagt, sehr gering. Von denjenigen Fällen, die vom Arbeitsinspektorat zur Anzeige gebracht wurden, wurde eine erschreckend geringe Zahl von den zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden exekutiert - hier der Jammer in Zahlen: 1988 wurden bei einer Gesamtzahl von 189111 Betrieben 2680 Fälle zur Anzeige gebracht (0,4%). Die beantragte Strafhöhe betrug 32.635900.- Die rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren ergaben eine Summe von 6.286390. Noch nicht beschämend genug: 1989 wurden bei gleichbleibender Betriebszahl 3894 Fälle angezeigt - das Verhältnis zwischen beantragter Strafe und realiter verhängter 47.099000: 13.761400.