Ein haltloses Pamphlet

**Ein haltloses Pamphlet:**

**Freiheit, die ich liebe**

Stefan Freytag

"Freiheit, die ich meine, die mein Herz erfüllt," dichtet Schenkendorf, gibt uns aber nicht bekannt, ob er die Freiheit auf Rädern, die Große Freiheit Nr. 7 oder eine andere der vielen möglichen meint. Der Kameralwissenschaftler hat anderes im Sinn.

Der dichtende Verwaltungsbeamte verwendete "meinen" in der Bedeutung von "lieben" und liegt damit natürlich im Trend der Zeit. "Seine romantische Sehnsucht nach dem Mittelalter und seine mystisch-sentimentale Weichheit entfremden seine Poesie nachfolgenden Generationen rasch wieder", schreibt der Blockhaus (1890). Vielleicht zu Recht, denn dass Freiheit etwas Schönes ist, das man sogar lieben kann, ist Allgemeingut. Darüber, was sie ist, wird noch diskutiert.

Wie oft hat mir meine Schuldirektorin gesagt, dass ich sie nicht oder falsch verstehe. Jedenfalls so oft, dass ich es beinahe aufgegeben habe, ihren Wesenskern zu erforschen und mich auf den sicheren Grund des "Wie" zurückziehen möchte, auch wenn er mystisch-weich sein mag.

Ein Volk wird frei, schreiben die Zeitungen. "Freies Volk nennt man euch zu Recht," sagt Baghira, der Panther, im Dschungelbuch zu den Wölfen, die sich nicht um Verträge kümmern. Verträge sind das Um und Auf der freien Marktwirtschaft, der man soziale und - um es noch komplizierter zu machen - jetzt ökosoziale Fesseln anlegt.

Die Freiheit des knotenstockschwingenden Wandersmanns der Romantik wird in den goldenen Zwanzigerjahren zur freien Liebe, die große Ähnlichkeit mit schwarzen Schwänen aufweist. Es gibt sie zwar, aber nur bei den Antipoden oder sonstwo.

Die Freiheit der Kunst erschwert den Umgang mit dem Graffitikünstler, der etwas Verbotenes tun will und die ganze Freude verliert, wenn man ihm die Verschönerung des Silberpfeiles oder einer Mietskaserne erlaubt. Viele Aborigines ziehen das Speeren in den Oberschenkel der Freiheitsstrafe, eine Erfindung der Aufklärung, vor.

Der Freimann befreite von der Last des Lebens, der Freiherr belastete es. Bis zu Ringel konnte man den Freitod wählen, seither sich nur mehr selbst ermorden. Ohne die Willensfreiheit müsste die katholische Kirche ihre Beichtstühle schließen, und ohne Freiheit wären die Freimaurer ganz gewöhnliche Handwerker. Hätte es keine Freibeuter gegeben, wäre Errol Flynn nie berühmt geworden, und Freilassing hätte ich für eine nach einem deutschen Dichter benannte Stadt gehalten. Die am Beginn unseres Jahrhunderts wiederentdeckte Freikörperkultur führte in England zu einer hitzigen Debatte über die Äußerungen einer Dame, sie würde lieber ertrinken, als sich beim Baden der Kleider zu entledigen, hat sich aber gehalten und ermöglicht es so, Kindersoftpornos an gewöhnlichen Zeitschriftenständen unter Titeln wie "Fachzeitschrift für FKK" zu verkaufen.

Freizügige Witze kann man gerade noch erzählen, die vom katholischen Familienverband freigegebenen Filme sehe ich mir so gerne an wie "Lassie" und "Raumschiff Enterprise". Freistöße bringen in der arbeitsteiligen Gesellschaft eigene Spezialisten hervor, die Österreich - wie man im Spiel gegen die Niederlande gesehen hat - nicht unbedingt benötigt, da die Mannschaft über ausreichend trickreiche Kombinierer verfügt, die uns hoffentlich ins Achtelfinale schießen werden. Der Freistaat Bayern und die kürzlich entdeckten Aufkleber "freies Herzogtum Kärnten", wo ein Freiheitlicher regiert, würden für spitze Bemerkungen ausreichend Anlass bieten, der Freischütz wurde ganz schön reingelegt.

Die Revolutionäre von 1848 freuten sich noch darüber, dass die Gedanken so frei sind, dass sie nicht von einem Jäger geschossen werden können (mit Pulver oder Blei). Über Freikarten freut sich auch ein jeder, aber nur finstere Gesellen betrachten die Sonntagszeitung als Freiexemplar. Freistilringen ist jedes Jahr am Heumarkt zu sehen, f.o.b. bedeutet "free on board" und Freizeit wird von den Machern, nicht notwendigerweise von den Schreibern dieser Zeitung, dankenswerterweise geopfert. •