POLIZEISTAATLICHE STRUKTuREN IN DER CSFR

Wie schwierig es ist, aus einem bestens organisierten Sicherheitsapparat eine Polizei zu machen, die einem demokratischen Staat angemessen ist, hat das Beispiel DDR eindrucksvoll gezeigt. In der CSFR, der CSSR, sieht es nicht viel besser aus. Nach der Bildung der "Regierung der nationalen Verständigung" wurde Richard Sacher, Mitglied der Volkspartei (CSL), Innenminister. Die CSFR hat bis zur Revolution eng mit den Kommunisten in der "Nationalen Front" zusammengearbeitet und versucht sich jetzt als christlich-konservative Partei zu etablieren. Der Minister beweist bei der Leitung des so problematischen Innenressorts keine glückliche Hand. Schlimmer noch - ihm dürfte es eher um die Ausnutzung des Polizeiapparats für eigene Zwecke als um dessen Abbau gehen. Grundsätzlich bieten sich bei der Auflösung bzw. Umwandlung der diversen Polizei- und Geheimdiensteinheiten zwei Wege an: 1) Rasche Entlassung der höheren Offiziere, schlagartiges Außerfunktionsetzen des gesamten Apparates. 2) Suche nach zusammenarbeitswilligen Kadern, um mit ihrer Hilfe das nach wie vor bestens organisierte Netz von Spitzeln und "konspirativen Wohnungen" nach und nach auszuheben. Der zweite Weg hat den Vorteil, dass der geheim organisierte straffe Apparat von tausenden gut ausgebildeten Leuten nicht dazu gedrängt wird, völlig außerhalb staatlicher Kontrolle Putsch- und Destabilisierungstätigkeiten zu entfalten. Der Apparat kann so kontrolliert und langsam neutralisiert werden. Doch birgt ein solcher Weg erhebliche Risiken. Richard Sacher hat es nicht geschafft, diese zu umschiffen. Er beließ in äußerst wichtigen Positionen stark vorbelastete Leute. So ernannte er den bald danach verhafteten Leiter der blutigen Aktion gegen demonstrierende Studenten, die im Vorjahr die Revolution ausgelöst hat, zu seinem Berater. Ein anderer Spezialist im Kampf gegen den inneren Feind wurde von ihm zum Hauptverantwortlichen für die Aufbereitung der Informationen aus dem Innenressort ernannt, die für Präsident, Regierung und Parlamentspräsidium bestimmt sind. Fast der gesamte alte Apparat blieb im Amt. Die alten Leute hatten so Zeit genug, alles kompromittierende Material wegzuschaffen oder zu vernichten. In den riesigen Archiven der Staatssicherheit fehlt nun die Hälfte aller Akten. Akten, mit denen jederzeit ein gewaltiger Kreis von Personen erpresst werden kann, die aber zur Strafverfolgung von Folterknechten und Oberspitzeln fehlen. Ein ebenfalls arg vorbelasteter Offizier konnte so gar ungestört zwei Wochen lang systematisch in der Vergangenheit der Parlamentsangehörigen wühlen - ohne deren Wissen und Willen natürlich. Die Arbeit der Bürgerkomitees, die auf allen Ebenen die frühere Tätigkeit von Organen der Staatssicherheit und der Polizei durchleuchten sollen, wird vom Ministerium behindert, wohl weil sich darin vor allem Mitglieder der Bürgerforen engagieren. Der Kern des Problems dürfte ein parteipolitischer sein: Der Minister will sich und seiner Partei ein Machtzentrum schaffen, ein "christliches Standbein", wo ihm niemand dreinreden soll. Sachliche und profunde Kritik an seiner Politik wird von ihm nicht widerlegt, sondern mit persönlicher Diffamierung seiner Kritiker beantwortet. So werden manche für ihre KP-Zugehörigkeit in den 50er Jahren getadelt, obwohl sie die Charta 77 unterzeichnet haben und ihre moralische Stärke in den letzten 20 Jahren durch lange Gefängnisaufenthalte bewiesen haben. Und das von einem Minister, der selbst noch vor kurzer Zeit auf der Parteihochschule der CSL Marxismus-Leninismus unterrichtet hat. Es kann hier nicht nur darum gehen, einen Minister zu kritisieren. Die Vorgänge zeigen aber, wie schwierig es ist, selbst in demokratischen Revolutionen, hinter denen das ganze Volk steht, jene Machtapparate zu beseitigen, die die neuen Freiheiten am meisten bedrohen. Es muss den Tschechen und Slowaken jetzt gelingen, die Polizei gesetzlich und tatsächlich unter Kontrolle zu bringen. Nach Festigung der neuen Machtstrukturen wird das immer schwerer, wie auch wir Österreicher aus leidvoller Erfahrung wissen.