Mit Beginn des Sommersemesters werden an der Wiener juridischen Fakultät Unterschriften für eine Protestresolution der Fakultätsvertretung Jus gesammelt werden. Für den Großteil der Studierenden eine angenehme Überraschung, ja eine Bestätigung: Auf unsere Fakultätsvertretung, auf die ist ja doch Verlass. - Wirklich?
Der/die, aufmerksame LeserIn des JURIDIKUM kennt die Vorgeschichte: Anlass zur Bildung des offenen Arbeitskreises Jus-Reform (der die Resolution ausarbeitete) war die berechtigte Aufregung über eine Einführungsprüfung, bei der es 88% "Nicht genügend" gab. Dementsprechend sahen auch die ersten Vorschläge der AG aus: Endlos ausschweifend, überall die kleinen Fehler und Unzulänglichkeiten bei der Einführungsprüfung räsonierend, regten sie auch vom Stil und der Aufbereitung her eher zum Gähnen als zum einmütigen Widerstand an.
Der Winter kam ins Land, und das Ministerium stellte dreist seine Vorhaben vor: Novellen zu UOG und AHStG.
Die Linke analysierte sie und die bundesweite Koordinierung der Aktionskomitees bereitete einen Aktionstag vor, um die Studierenden zu informieren. Die AG-geführte ÖH sabotierte mit fadenscheinigen Ausreden diese Kampagne, verweigerte jede Unterstützung, die geplante dezentrale Aufklärung der Masse der Studierenden blieb aus, die spärlichen Reaktionen der Medien taten das übrige. Dass die jetzt vorliegenden Stellungnahmen inhaltlich wesentlich mit denen der Linken übereinstimmen, kann nur schwacher Trost sein, mutet doch die Vorgangsweise, die die AG jetzt vorschlägt, wie der klassische "Versuch mit untauglichen Mitteln" an. Ein brustschwaches Resolutiönchen, in devotem Bittstellerton gehalten, ohne Erklärung, wessen Interessen mit diesen. Novellen gedient wird, ohne Verweis darauf, dass aus (fast) identen Gründen die italienischen Hochschulen seit November bestreikt werden (siehe Bericht Seite 27) ohne konkrete Ausformulierungen von geplanten Kampfmaßnahmen, kein Wort davon, dass die Grazer Fakultät mit ihrem Dekan Funk an der Spitze eine Demonstration quer durch Graz durchführte (mit entsprechender Resonanz in den Medien), kurzum: ein weinerliches "Gott schütze die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre".
Bild 1Doch nun kurz ein paar Informationen, wo anderswo interessanteres, nämlich Klartext, zu erfahren ist: in der Österreichischen Hochschulzeitung. Allein die Reaktion der Bundeswirtschaftskammer spricht Bände: Grundsätzliche Zustimmung zur UOG-Novelle, Kritik an den interuniversitären Zentren, weil die, Einflussnahmemöglichkeiten des Kapitals noch zu gering (!) seien. Wenig schmeichelhaft die HochschullehrerInnengewerkschaft: "überhastet erstellt, unklar, mangelhaft und unkoordiniert, müssen völlig neu konzipiert werden," die Bemängelung", dass anscheinend die Finanzierbarkeit das einzige Kriterium für die Vergabe von Lehraufträgen werden soll, statt Vollständigkeit der Lehrveranstaltungen Vielfalt der Lehrmeinungen usw." Der Entdemokratisierung der Fakultätsvertretung mit Hilfe einer Generalkommission meint die HochschullehrerInnengewerkschaft durch die Einführung des Rotationsprinzips beikommen zu können. Ein von der AG nicht ohne Grund vollkommen unerwähnter potentieller Bündnispartner, der ÖGB wendet sich erfreulicherweise entschieden gegen die Entdemokratisierungstendenzen: So teilt er die Befürchtung bezüglich der Generalkommission(siehe oben), bei Gastprofessuren meint er, dass die Stiftungsprofessuren, die dem Einfluss der Geldgeber unterliegen, die Unis überlaufen, bezüglich der interuniversitären Zentren meint der ÖGB den Einfluss des Kapitals mittels basisdemokratisch gewählter drittelparitätisch besetzter Kollegien beschränken zu können. Die Bundeskonferenz des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals bemängelt in ihrem ausführlichen Kommentar den Ausschluss der Hochschulangehörigen beim Entstehen des Gesetzes, die kurze Begutachtungsfrist, das Ausklammern grundsätzlicher Fragen, sie stellt die übergewichtige Rolle der Österreichischen Rektorenkonferenz in Frage und lehnt die Generalkommissionen ab. Weiters noch der Wunsch nach Aufwertung der selbständigen Lehrtätigkeit der UniassistentInnen und die Ablehnung von Gastprofessuren nach alleinigem Gutdünken des Ministers. Wir wären also nicht allein auf weiter Flur - doch zurück zu unserer Protestresolution. Das Strickmuster der AG-Politik wird offenbar: zermürbe deinen Gegner durch eine ermüdende Hinhaltetaktik, lass nichts an die Öffentlichkeit kommen, wenn es gar nicht anders geht, übernimm Teile ihrer Forderungen, entstelle sie, reiße sie aus ihrem Zusammenhang, verfälsche die Analyse, nimm ihr Kanten und Ecken, beschränke den Widerstand aufs formelle, den Rest lass den üblichen sozialpanzerschaftlichen Weg gehen - Schwamm drüber Servicepolitik. Als besonders gutes Beispiel sei eine Forderung genannt, die auf Grund der Übermacht der AG aus der Resolution entfernt werden musste: "Keinen vorauseilenden Gehorsam des Gesetzgebers auf dem Gebiet der Hochschulpolitik im Hinblick auf EG-Konformität" (Zur Erklärung: Die meisten Gesetze und Gesetzesnovellen werden auf ihre EG-Konformität überprüft.) Dass die ÖH als Körperschaft öffentlichen Rechts mit ihrem allgemein-politischen Mandat auch zu gesellschaftlichen Entwicklungen Stellung nehmen kann, soll und muss, ist klar. Dass gerade die Intelligenz zu ihrem überwiegenden Teil EG-skeptisch eingestellt ist, auch. Dass eine "MitteGrün" Fraktion (Eigendefinition AG) allein aus ökologischen Erwägungen gegen den EG-Anschluss sein müsste, ebenfalls. Warum dann die noble Zurückhaltung? Die AG ist nicht nur ÖVP-nahe, sie ist auch materiell und personell über VP-Organisationen, Vorfeldorganisationen, VÖI und katholische Vereinigungen dichtest mit den EG-Hardlinern verflochten, von ihnen abhängig. Dass man so keine großen demokratiepolitischen Sprünge machen kann, ist dann auch klar. Der Rest - Service und Stellvertreterpolitik.
Zum Abschluss: Trotz allem kann man/frau Birgit Schwarz nur unterstützen, wenn sie im "Juristl" meint, dass es an uns allen liegt, gemeinsam unsere Anliegen deutlich zu artikulieren, in einer Sprache, die auch der Minister versteht. Ihrem Aufruf, im Ernstfall nicht zu Hause zu bleiben, möchte ich nur hinzufügen, dass die juridische Fakultät auch eine durchaus positive Tradition zu verteidigen hat. Waren es doch die Juristen, die die meisten Kämpfer der Akademischen Legion stellten, die gemeinsam mit Arbeitern und Bürgern 1848 die Habsburger samt Metternich das erste Mal aus Wien verjagten. Also - auf Wiederstehn im Frühling!