Das allgemeine Hetzen von einer Prüfung zur Nächsten lässt kaum noch jemandem Zeit, auch solche Lehrveranstaltungen zu besuchen, die nicht dem unmittelbaren Zweck der Prüfungsvorbereitung dienen. Und selbst wenn dies der Fall ist, schiebt sich bei der Entscheidung für "Ausgefallenes" noch eine Kategorie von Veranstaltungen dazwischen: Jene, von denen man eine Hebung der Qualifikation, für eine Tätigkeit in Wirtschaft und Verwaltung erwartet - die also auch nur aus einem bestimmten Verwertungsinteresse interessant sind (z.B. "Vergleichendes Privatwirtschaftsrecht", "Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit", "Englisch für Juristen", Seminar aus internationalem Wirtschaftsrecht", etc.). Das ist schon recht, man will ja schließlich dereinst einen Beruf ausüben – dass es dermaßen wenige Lehrveranstaltungen gibt, die einem darüber hinaus gehenden Interesse an einem Verständnis von Recht, Staat und Gesellschaft auch nur dem Titel nach entgegenzukommen beanspruchen können, ist 1 Schande. Darum haben wir jene wenigen universitären Veranstaltungen ausgewählt, von denen wir zwar nicht unbedingt meinen, dass man sich mit dem vorgetragenen Inhalt anfreunden muss, die man sich aber einmal anschauen sollte:
Beim Durchblättern des Vorlesungsverzeichnisses fällt sofort ein ganzes Bündel von Veranstaltungen auf, die sich (sicherlich auf höchst unterschiedliche Weise) mit dem sowjetischen (Ermacora: "kommunistischen'') Recht befassen:
308 089: Sowjetische Staats- und Rechtstheorie, nach Übereinkunft, Gastprof. L. Mamut.
308 078: Neuere Entwicklung in der sowjetischen Rechtsphilosophie, nach Übereinkunft, Gastprof. V. Nersesjants (beide Veranstaltungen: Inst. f. Rechtsphilosophie)
318 648: Grundzüge der kommunistischen Staatstheorie einschließlich des Nationalitätenrechts, (für Dissertanten), Blockveranstaltung nach Übereinkunft, Mo 16-17.30, Sem, 41. O. Prof. Ermacora. (persönliche Anmeldung am Institut für Verfassungsrecht).
329 000: Soviet Concept of International Law, Do 17-18.30; Sem. 43, Univ.-Doz. Hafner. (Institut für Völkerrecht).
Zum Themenkomplex "Sozialismus und Recht" empfehlen wir auch, das JURIDIKUM-Thema in Ausgabe 5/89 nachzulesen. Damit die Parität einigermaßen gewahrt bleibt, bietet das Institut für Rechtsphilosophie auch die Nummer
308 067 an: Seminar aus Rechtsphilosophie (auch für das Doktoratsstudium): "Neuere Strömungen in der amerikanischen Rechtstheorie", Blockveranstaltung nach Übereinkunft, Ao. Prof. Luf.
Um aber für Juristen wirklich neue Ausblicke auf ihren Paragraphendschungel zu ermöglichen, scheint eher eine Veranstaltung des Instituts für Kirchenrecht geeignet:
303 003: Rechtshistorisch-Rechtsanthropologisches Seminar: Recht und Stammesvölker: Ozeanien. Blockveranstaltung, Vorbesprechung am 15. März, 18 Uhr am Inst. für Kirchenrecht, OProf. Potz gemeinsam mit Ass. Kuppe.
Andere Kulturen - andere Zeichen. Das gilt auch für die Subkultur der Juristen. Zum Abschluss empfehlen wir daher
308 111 Seminar aus Semiotik des Rechts. Di 16.30-18, Sem. 41, Univ.Doz. Lachmayer.