Für einen Mammutprozess gegen Mitglieder der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) wird in Düsseldorf gerade ein Hochsicherheitsgerichtsaal um sieben Millionen DM errichtet. Erstmals wird ein Verfahren nach §129a dStGB gegen eine ausländische Organisation eröffnet. Von Rechtsstaat ist dabei keine Rede mehr. Im November 1988 wurde der kurdische Publizist Ali Sapan aufgrund eines Auslieferungsbegehrens nach dem deutschen Antiterrorparagraphen 129a StGB von Österreich an die BRD ausgeliefert. Nun hat die Generalbundesanwaltschaft gegen ihn und weitere sechzehn Kurden und Kurdinnen Anklage erhoben. Fünfzehn werden der Mitgliedschaft, zwei der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und - neben diesem Hauptanklagepunkt - noch einige "normaler" Straftaten (von simpler Urkundenfälschung bis zu drei angeblichen Morden) beschuldigt. So wird z.B. Ali Sapan die Beteiligung an einer Freiheitsberaubung vorgeworfen. Der einzige "Beweis" gegen ihn ist eine Liste, die im Sommer 1987 im Rahmen einer bundesweiten Polizeiaktion (Durchsuchungen, Beschlagnahmen und Festnahmen) gegen kurdische Organisationen sichergestellt wurde. Die deutschen Behörden sehen darin einen Bewachungsplan. Dieses kurdische Wort (Mutfak temizleme plani) bedeutet aber auch Küchendienstplan, wie es der erste Dolmetscher des Bundeskriminalamtes auch übersetzt hat. Der zweiten - tendenziösen - Übersetzung schenkte die Behörde mehr Glauben. Kriminalisierung der PKK Nach diversen erfolglosen Versuchen, die PKK auch in anderen europäischen Staaten (vgl. die Palme-Mord-Behauptung in Schweden) zu kriminalisieren, erhofft sich Generalbundesanwalt Rebmann in der BRD mehr Erfolg. Durch das in Europa einzigartige Instrument der Gesinnungsjustiz nach §129a StGB mit Spezialzuständigkeit bestimmter OLG-Sondersenate Sonderrechtssprechung, Sonderhaftbedingungen und Einschränkungen der Verteidigungsrechte stehen die Chancen dazu nicht schlecht. Auch darf das besondere Interesse der BRD an einer "ruhigen" Türkei nicht übersehen werden. Erstens ist die BRD der größte Investor in der Türkei und zweitens ist die Türkei als östlicher Standpfeiler der NATO strategisch extrem wichtig. Außerdem werden über den Umweg der Terrorismusbekämpfung Asyl- und Ausländerfeindlichkeit geschürt. Mit der 249-seitigen Anklageschrift versucht die Bundesanwaltschaft den bisherigen Anwendungsbereich des §129a StGB auszuweiten. Erstmals wird er gegen "Mitglieder" und "Unterstützer" einer ausländischen Vereinigung angewandt. Da nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs mit dem §129a nicht gegen Auslandsvereinigungen vorgegangen werden kann, musste die Anklage auf eine, laut Presseerklärung der 20 VerteidigerInnen, juristisch konfuse, haltlose und rechtspolitisch gefährliche Konstruktion" zurückgreifen. Bei der "terroristischen Vereinigung" handelt es sich nicht um die PKK, mit Hauptsitz in Damaskus, sondern um ein nicht näher beschriebenes Parteikomitee zuständig für "Parteisicherheit, Kontrolle und Nachrichtendienst". Trotz mehrjähriger Untersuchung durch das Bundeskriminalamt bleiben die Strukturen und die Bezeichnung der angeblich selbstständigen Organisation in der Anklageschrift völlig offen. Einziges Indiz für die Eigenständigkeit ist die Mitgliedschaft aller Angeklagten. Neben dieser juristischen Konstruktion ist das Verfahren vor allem aus rechtspolitischen Erwägungen höchst bedenklich: der Antiterrorparagraph würde erstmals gegen eine Arbeitermassenorganisation angewendet, wie sein Vorgänger § 129 StGB (kriminelle Vereinigung) gegen KPD und FDJ. die erstmalige Anklage einer nationalen Befreiungsbewegung nach § 129a, obwohl die Resolution der UNO-Vollversammlung 1987 ausdrücklich nationale Befreiungsbewegungen aus dem Begriff des "internationalen Terrorismus" ausklammert. die Anklage nach §129a ohne Nachweis einer materiellen Straftat wäre ein weiterer Ausbau der willkürlichen Gesinnungsjustiz in der BRD. Isolationsfolter Bei Anklage nach § 129a ist Untersuchungshaft vorgeschrieben und es kann Isolationshaft verhängt werden. Aufgrund eines Erlasses des OLG Düsseldorf wurde über die KurdInnen besonders verschärfte Isolationshaft verhängt. Zusätzliches Türschloss oder Kette, Durchsuchung der Verteidigerakten, kein Kontakt mit anderen Gefangenen und unauffällige Beobachtung der Gefangenen, bei Tag und Nacht. Daneben wird die Verteidigung durch die Weigerung, wesentliche Teile der Ermittlungsakten in die türkische oder kurdische Sprache zu übersetzen und den Beschuldigten aufgrund des Umfanges des Belastungsmaterials (30.000 Blatt) einen zweiten Pflichtverteidiger beizuordnen behindert. Weiters wird Verteidigerpost zurückbehalten, mit der Begründung, dass die Post in einer Sprache verfasst ist, die der zuständige Kontrollrichter nicht beherrscht und die Zuziehung eines Dolmetschers wegen der Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit nicht möglich ist - eine Maßnahme, die besonders jene Gefangenen trifft, die nicht deutsch sprechen. Nach der Vorverurteilung durch die deutschen Medien aufgrund einer Kampagne des Generalbundesanwaltes Rebmann ist nicht mehr mit einem fairen Prozess zu rechnen. Im Zusammenhang mit angekündigten Protestkundgebungen und angeblicher Drohungen gegen Richter und Staatsanwälte, für die trotz Aufforderung kein einziger Beweis erbracht wurde, heißt es in einer Presseerklärung des Generalbundesanwaltes: "Eine solche massive Einflussnahme auf Ermittlungsverfahren hat es seit dem Jahr 1977 nicht mehr gegeben und durch Ausländer noch nie gegeben". Sein politisches Ziel, das Asylrecht massiv einzuschränken, tritt in derselben Erklärung ganz offen zu Tage:" ... (die PKK hat) durch solche Aktionen und Drohungen selbst die Basis für eine gewisse Ausländerfeindlichkeit in der BRD geschaffen. In diesem Zusammenhang muss auch bedacht werden, dass eine zu großzügige und an unseren Sicherheitsbedürfnissen nicht orientierte Asyl- und Ausländerpolitik auf weite Sicht zu einem Faktor der Instabilität in unserem Staate führen kann“.
Wo aus nationaler Befreiung Terrorismus wird