"Helfen statt strafen!" ist seit der Gründung der Leitsatz der Bewährungshilfe. Mittlerweile leistet diese Organisation wichtige Arbeit bei der Entwicklung neuer Methoden im Umgang mit Straftätern. Um diese Aufgabe bewältigen zu können, braucht sie allerdings die Unterstützung der zuständigen staatlichen Stellen und der Öffentlichkeit.
"Helfen statt strafen!" - seit Anfang der Organisation Bewährungshilfe das Motto! Auch heute stellt sich dieser "Slogan" als mehr dar als eine bloße Verkürzung des Vereinszieles. Seit 1957 hat diese Organisation wesentlich an Größe zugenommen. Zu Beginn arbeiteten fünf bis sechs Mitarbeiter für die Ziele dieser Organisation nunmehr, im Jahre 1989 sind es rund 1.200. Das Wachsen einer Organisation birgt sehr oft die Gefahr in sich, dass Zielvorstellungen und Ideale in Vergessenheit geraten, weil die Alltagsadministration kaum mehr Zeit zum Nachdenken beziehungsweise zur Perspektivenentwicklung lässt.
"Helfen statt strafen!" - beinhaltet auch eine gesellschaftspolitische Zielvorstellung. Nur in einer humanen, demokratischen und vor allem solidarischen Gesellschaft ist es möglich, diese Zielvorstellungen zu realisieren. Damit ist eine Gesellschaft gemeint, die ihre immanenten Konflikte regelt ohne auf staatliche Zwangsmaßnahmen zurückgreifen zu müssen. Mit immanenten Konflikten ist das breite Spektrum von sozialschädlichem Verhalten in einer Gesellschaft gemeint, wobei Kriminalität sicher nur eines der Konfliktfelder darstellt. Kriminalität als Ausdruck sozialer Spannungen kann nicht auf die Existenz einzelner Tätergruppen beschränkt werden, sondern muss in ihrer gesellschaftlichen Bedingtheit gesehen werden. Gerade die jüngste Medienberichterstattung hat wieder deutlich gemacht, dass es offenbar viel einfacher ist, gesellschaftliche Probleme, wie es sie im Gesundheitswesen gibt, auf einzelne Personen zu reduzieren.
Die letzten Jahre waren durch eine Reform des Strafrechts gekennzeichnet. Die Bewährungshilfe hat überall dort mitgewirkt, wo es um Entkriminalisierung ging. Der außergerichtliche Tatausgleich, auch Konfliktregelung genannt, ist wohl eine der bedeutendsten Initiativen der jüngsten Zeit. Haftverkürzung und Haftvermeidung sind nach wie vor zentrale Anliegen unserer Organisation. Neben der Reform von Strafrecht und Strafvollzug ist es auch ein Ziel, das Instrumentarium staatlicher Sanktionsmaßnahmen möglichst gering zur Anwendung zu bringen. Grund dafür ist die Erfahrung, die der Verein für Bewährungshilfe und Soziale Arbeit im Rahmen seiner dreißigjährigen Tätigkeit gemacht hat. Das Prinzip der Freiwilligkeit ermöglicht sozialarbeiterische und effiziente methodische Vorgangsweisen. Auf jeden Fall entspricht auch dieses Bild den Wesensmerkmalen einer demokratischen Gesellschaft. In diesem Zusammenhang ist staatliche Straffälligenhilfe als ultima ratio anzusehen. Privat organisierte Straffälligenhilfe hat sich als effizient und vor allem flexibel erwiesen. Dabei darf natürlich nicht übersehen werden, dass der Verein für Bewährungshilfe und Soziale Arbeit als "private" Organisation zwar mit der Durchführung der Bewährungshilfe betraut ist, über weite Strecken aber von den Subventionen des Bundesministeriums für Justiz und anderer Ministerien abhängig ist.
Dialog im Auftrag der Öffentlichkeit
Der eigenständige Wert der Hilfsangebote des Vereins, für Bewährungshilfe und Soziale Arbeit liegt in ihrer sozialintegrativen Kompetenz. Nicht Strafe, Ausschließung und Isolation sind der geeignete Umgang mit Kriminalität - soziale Integration, Beziehungsarbeit und Hilfe zur Selbsthilfe sind die geeigneten Instrumente für Prävention und insbesondere Resozialisierung. Die jahrzehntelange Erfahrung bestätigt diese andere, humanere, konstruktivere und auch effizientere Reaktion auf Kriminalität. Bewährungshilfe hat sich also als Alternative zum Strafvollzug bewährt. Sie führt im Auftrag der Öffentlichkeit den Dialog mit dem Rechtsbrecher. Dieser Dialog soll einerseits den Rückfall vermeiden, andererseits aber auf die Kriminalität erzeugenden Bedingungen einer Gesellschaft verändernd einwirken. Die Gesellschaft muss also über die Schwierigkeiten, die bei der Durchführung dieses vom Staat formulierten Auftrages entstehen, informiert werden. Ein Mittel, die Vereinsziele zu erreichen, ist aus diesem Grund die Öffentlichkeitsarbeit, vor allem die Medienarbeit ist in diesem Zusammenhang kontinuierlich zu betreiben. Die Begründung dafür liegt nahe. Print- und elektronische Medien stellen das Phänomen Kriminalität, wie oben beschrieben, immer nur in verkürzter Art und Weise dar. Mit dieser Darstellung wird letztlich nur eine Radikalisierung und Maskierung der eigentlichen Probleme erreicht. Eine Art Gegenöffentlichkeit ist aus diesem Grund zu etablieren.
Wie oben erwähnt, stellt die Konfliktregelung eine Alternative zur bestehenden Strafverfolgung dar. Auch hier wird im Auftrag der Öffentlichkeit der Dialog mit dem Tatverdächtigen geführt, als neues Element kommt aber auch der Dialog mit dem durch die Straftat Geschädigten hinzu. Letztlich soll durch die Konfliktregelung den am sozialen Konflikt Beteiligten ermöglicht werden, miteinander einen konstruktiven Dialog zu führen. Staatliche Sanktionspolitik muss in diesem Fall nicht mehr zur Anwendung kommen.
Bewährungshilfearbeit, Konfliktregelung und Haftentlassenenhilfe sind neben verschiedenen Projekten die zentralen derzeitigen Arbeitsgebiete der Institution. Für die Zukunft müssen Hilfsansätze angestrebt werden, die jedenfalls nicht stigmatisierend sind!
Die Entwicklung von Modellen und Projekten ist in der Geschichte des Vereins für Bewährungshilfe und Soziale Arbeit seit jeher ein fixer Bestandteil. Dieses "kriminalpolitische Labor" soll die Machbarkeit neuer Ideen demonstrieren (Konfliktregelung). In der Folge sollen staatliche Stellen dafür gewonnen werden, diese Ideen und diese Projekte zu unterstützen.
Kriminalpolitik durch Sozialpolitik
Eine wirksame Kriminalpolitik ist nur durch entsprechende sozialpolitische Maßnahmen realisierbar. Auch hier geht es nicht nur darum, die Verbesserung von Mangelsituationen von Randgruppen zu fordern. Darüber hinaus ist es immer wieder Aufgabe, die Realisierbarkeit dieser Forderungen anhand konkreter Projekte zu demonstrieren. Arbeitslosigkeit und die Verschuldung großer Bevölkerungskreise sind Themen, die nicht nur unsere direkte Klientel betreffen. Durch die Gründung von Arbeitsprojekten und Schuldenregulierungsvereinen versucht die Bewährungshilfe, auch in diesen Bereich innovativ tätig zu werden. Wie bereits erwähnt, ist es für die Organisation immer wieder wichtig, sich den Mut zur Formulierung von Utopien und Visionen zu erhalten. Vorstellbare und möglicherweise auch realisierbare Inhalte dieser Zukunftsvorstellungen sind jedenfalls im Bereich der Entkriminalisierung zu suchen. Weiters sollte die Idee der Konfliktregelung fortgeführt werden. Im Vorfeld der Kriminalisierung, also auch der Entstehung von Kriminalität, sollten sozialarbeiterische Methoden entwickelt werden, die jedenfalls die Sanktion durch Polizei bzw. Gerichte ersetzen können. Das Eingreifen von Polizei und Gerichten hat erfahrungsgemäß immer wieder eher eskalierende Wirkung, als eine letztlich konstruktive Lösung der Probleme. Für die Bewährungshilfe würde das bedeuten, dass bisher nicht angewendete methodische Vorgangsweisen, wie zum Beispiel die Gemeinwesenarbeit, neu etabliert werden. Darüber hinaus sind aber sicher Ausstiegsmöglichkeiten aus dem Kriminalisierungsprozess, wenn die Kriminalisierung durch Gerichte und Staatsanwaltschaften schon begonnen hat, zu entwickeln.
Aus der historischen Entwicklung der Bewährungshilfe ist klar geworden, dass die Realisierung von Utopien nicht nur durch das Engagement von SozialarbeiterInnen möglich ist. Sowie alle anderen Organisationen ist natürlich auch die Bewährungshilfe von gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen abhängig. Eine Mitgestaltung in ihrem Tätigkeitsfeld kommt der Bewährungshilfe aber jedenfalls zu.
Die Beschreibung der verschiedenen Tätigkeitsfelder und vor allem die Zukunftsperspektiven der Bewährungshilfe machen deutlich, dass es noch sehr viel Arbeit zu tun gibt. Die Erwartungen einer Gesellschaft an die Bewährungshilfe müssen aber auch mit Zurverfügungstellung von ausreichenden Mitteln einhergehen. Würde sich der Staat nur auf das Engagement der MitarbeiterInnen der Bewährungshilfe verlassen und nicht die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung stellen, dann wäre dies eine fatale Entwicklung. Die Bewährungshilfe hat Zukunft - Erfolge wird sie mit Unterstützung der Gesellschaft haben!
Perspektiven der Bewährungshilfe
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Andreas Zembaty ist Mitarbeiter der Bewährungshilfe.