15 Jahre nach der "Nelkenrevolution"

Am 15.02.89 hat der portugiesische Verfassungsgerichtshof das Urteil gegen Oberstleutnant Otelo de Cavalho, lautend auf 17 Jahre Gefängnis wegen "Gründung und Leitung einer terroristischen Vereinigung" nach Artikel 288 Codigo Penal (portugiesisches StGB), aufgehoben und zum Appellationsgericht zurückgewiesen. Otelo de Cavalho war einer der führenden Köpfe der Nelkenrevolution von 1974, in der demokratische Militärs in einem unblutigen Coup Portugal von der 48 Jahre dauernden faschistischen Diktatur befreit haben und den Grundstein für die Unabhängigkeit der portugiesischen Kolonien im südlichen Afrika gelegt haben. 1984 wurde Otelo de Cavalho und zahlreiche Parteigenossen der FUP (Kraft der Volkseinheit), die 1977 nach zwei gescheiterten Putschversuchen des faschistischen Generals Spinola gegründet wurde, um im Falle einer Bedrohung der jungen Demokratie die Bürger zu deren Verteidigung zu mobilisieren, verhaftet. Nach fast dreijähriger Untersuchungshaft und siebzehnmonatigem Prozess nach Stammheimer Vorbild wurde Otelo de Cavalho ohne Beweis jeglicher materiellen Straftat verurteilt. Otelo und seine Genossen wurden beschuldigt, leitende Mitglieder der FP-25 (Volkskräfte des 25. April), die sich Anfang der 80er Jahre zu einer Reihe blutiger Anschläge bekannt hatte, zu sein. Die Anklage stützte sich auf eine abstruse Konstruktion der politischen Polizei, von deren Agenten viele schon in der Geheimpolizei des Faschisten Salazars tätig waren. Danach soll die zum Schutze der Demokratie gegründete FUP nur eine Unterorganisation der FP-25 gewesen sein, obwohl die FUP die Attentate der FP-25 öffentlich als "Aktionen, die nichts mit der Linken zu tun haben" und als "marginale Gewaltakte" bezeichneten. Ihrer Meinung nach ist sie eine Schöpfung der Polizei, um das Antiterrorgesetz zu rechtfertigen und die Schaffung einer Anti-Terrorbrigade durchzusetzen. Die einzigen "Beweise" im Gerichtsverfahren waren zwei "reuige Kronzeugen" nach italienischem Vorbild. Nur diesen "Kronzeugen" konnten materielle Straftaten nachgewiesen werden, und dennoch gingen sie dank der Kronzeugenregelung straffrei aus. Den "Zusammenhang" zwischen der FUP und der FP-25 empfand einer der Richter des Dreiergerichts derart widersinnig, dass er seine abweichende Meinung in der Öffentlichkeit bekannt machte. Otelo und seine Freunde wurden verurteilt, obwohl ihnen überhaupt nichts nachgewiesen werden konnte. Es ging dabei aber gar nicht darum, etwas zu beweisen, sondern schlicht und einfach darum, die politische Symbolfigur Otelo de Cavalho und damit die Ideen der Nelkenrevolution zu kriminalisieren. Ideen und Menschen, die Basisdemokratie, Land- und Fabriksbesetzungen, einen ehrlichen Nord-Süd-Dialog, Austritt aus der NATO fordern, haben im europäisierten Portugal des Rechtssozialisten Soares keinen Platz mehr ... Sie gehören offensichtlich ausradiert, auch wenn der Rechtsstaat dabei auf der Strecke bleibt. Die Verurteilung Otelos und seiner Freunde wegen ihrer Gesinnung hat weltweit Proteste hervorgerufen. Der Vizepräsident der französischen Liga für Menschenrechte, Rechtsanwalt Henri Leclerc, hat Beschwerde bei der europäischen Kommission für Menschenrechte erhoben. Persönlichkeiten, wie der Friedensnobelpreisträger Perez-Esquivel, der Komponist Mikis Theodorakis, der ehemalige US-Justizminister Ramsey Clarc und der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff haben in einem Appell Freiheit und Gerechtigkeit für Otelo gefordert. Selbst Francois Mitterand soll anlässlich eines Besuches in Portugal seinen Amtskollegen Soares gefragt haben: "Wie geht es Eurem Sacharow?" Mit seiner Entscheidung, das Urteil gegen Otelo aufzuheben, folgte der Verfassungsgerichtshof teilweise der Ansicht des Verteidigers Otelos, wonach der Prozess verfassungs- und menschenrechtswidrige Verfahrensmängel aufgewiesen habe. Weitere Informationen bei CEDRI, Strindberggasse 2/2/1, A - 1010 Wien; Tel.0222/743477