Das Jahr 1945 hatte für unter dem NS-Regime verfolgte Homo- und Bisexuelle weder rechtliche noch soziale Rehabilitation mit sich gebracht: Sie waren weiterhin der Gefahr ausgesetzt, in die Fänge von Polizei und Justiz zu geraten und Opfer der Strafverfolgung auf Basis des seit 1852 in Kraft befindlichen § 129 I lit b StG („Unzucht wider die Natur“) zu werden. Ein anschauliches Beispiel für das Vorgehen der Nachkriegsjustiz konnte 1956 in Vorarlberg beobachtet werden, wo es der StA Feldkirch infolge akribischer Ermittlungen gelungen war, rund 140 Personen auszuforschen, anzuklagen und in 98 % der Fälle eine Verurteilung durch das LG Feldkirch zu erreichen. Aufbauend auf eine im Vorheft erschienene Abhandlung (juridikum 2022, 317) beleuchtet der vorliegende Beitrag die Hintergründe der als „Vorarlberger Sittlichkeitsskandal“ bezeichneten Causa und rückt dabei auch Schicksale einzelner Betroffener in den Fokus, die noch Jahre später mit den Folgen der Schuldsprüche zu kämpfen hatten.
Die Verfolgung Homo- und Bisexueller durch die österreichische Nachkriegsjustiz am Beispiel des „Vorarlberger Sittlichkeitsskandals 1956“