An die Umweltverträglichkeitsprüfung als Instrument grundlegende umweltpolitische Ziele, wie Umweltvorsorge oder Verursacherprinzip in die Realität umzusetzen, wird heute große Hoffnung gesetzt. Die bisherige Praxis dazu zeigt aber auch einige damit verbundene Gefahren auf. Rechtliche Grundlagen für eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens sind derzeit in Österreich nicht vorhanden. Diesen Mangel versucht ein vom Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie im Frühjahr 1989 fertiggestellter Entwurf zu einem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz zu beseitigen. Es soll laut Vorhaben des Entwurfes mit 1.1.1990 in Kraft treten. Doch ist dieser Zeitpunkt nicht mehr realistisch. Somit ist Österreich in Sachen UVP ein Entwicklungsland, zumal man bedenkt, dass es in den Vereinigten Staaten ein derartiges Verfahren seit nahezu 20 Jahren gibt, und dass in sonstigen westlichen Industrieländern, wie Frankreich, den Niederlanden, BRD und Schweiz entsprechende Gesetze schon seit längerer Zeit Verbreitung gefunden haben. Die bisherige Praxis in diesen Ländern hat mehrere Schwachpunkte bei Umweltverträglichkeitsprüfungen aufgezeigt. So wurden fast alle Projekte nie grundsätzlich in Frage gestellt und höchstens mit Auflagen versehen. In Frankreich gibt es sogar ein UVP-geprüftes Atomkraftwerk. Hier zeigte sich also beispielsweise die Gefahr, dass die Einflüsse verschiedener Wirtschaftslobbys die UVP zu einem bloßen Durchsetzungsinstrument von Großprojekten umfunktionieren. Der für die Öffentlichkeit sicherlich interessantester Teil des zukünftigen Gesetzes sind die Bestimmungen über die Bürgerbeteiligung im Rahmen des Verfahrens. Diese sollen nun kurz im Folgenden an Hand des Entwurfs erörtert werden. Die Bürgerbeteiligung Den Interessen der Bürger soll in drei Phasen Rechnung getragen werden: Durch Kundmachung des, Vorhabens und Möglichkeit der Stellungnahme Durch einen öffentlichen Erörterungstermin Durch die Rechtsmittelbefugnis Zu 1.) Gemäß § 6 Absatz 2 des Entwurfes sind die Vorhaben, die einer UVP unterzogen werden sollen, also etwa Müllverbrennungsanlagen, Abwasserkläranlagen, die Errichtung oder Verlegung von Bundesstraßen, die Errichtung von größeren Stauwerken, Anlagen zur Papier, Zellstoff und Zelluloseerzeugung "durch Anschlag in den Gemeinden, die von den Auswirkungen des Vorhabens berührt werden können, sowie in örtlich verbreiteten Zeitungen und gegebenenfalls auf andere geeignete Weise bekanntzumachen." G Bild 1 leichzeitig ist anzugeben, wo und wann in Antragsunterlagen und in die Umweltverträglichkeitserklärung Einsicht genommen werden kann. Eine Umweltverträglichkeitserklärung ist eine Stellungnahme des Projektwerbers zu seinem Vorhaben, die er der Behörde vorlegt um das Verfahren einzuleiten, und die bestimmte, gesetzlich normierte Angaben zu enthalten hat. Ab dieser Kundmachung kann jedermann innerhalb von sechs Wochen eine schriftliche Stellungnahme abgeben. Mit dieser Stellungnahme haben sich dann im weiteren Verfahren die Sachverständigen in ihrem Gutachten auseinanderzusetzen. Zu 2.) Das von den Sachverständigen erstellte Umweltverträglichkeitsgutachten ist zu veröffentlichen. Innerhalb von vier Wochen ab der Veröffentlichung hat der Landeshauptmann das Ergebnis der UVP im Rahmen eines öffentlichen Erörterungstermins vorzustellen. Über den Erörterungstermin ist eine Niederschrift aufzunehmen, die in weiteren Verwaltungsverfahren zu berücksichtigen ist Genaueres über den Ablauf der öffentlichen Erörterung regelt der Entwurf nicht. Zu 3.) Durch § 13 des Gesetzesentwurfes sollen gesamtösterreichische Natur- und Umweltschutzorganisationen die Möglichkeit erhalten, Rechtsmittel zu ergreifen und Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Diese Befugnis ist zweifach beschränkt: Erstens besteht sie nur für Natur- und Umweltschutzorganisationen, die seit mindestens zehn Jahren als Vereine angemeldet sind. Zum anderen hat sie sich nur gegen Entscheidungen in den auf die UVP folgenden Verwaltungsverfahren zu richten, die die Ergebnisse der UVP nicht oder unzureichend berücksichtigen. Stellungnahme Positiv ist zu vermerken, dass der Bürgerbeteiligung in dem genannten Entwurf ein höherer Stellenwert eingeräumt wird, als in den meisten anderen Entwürfen zu einem UVP-Gesetz. Doch weist auch dieser einige Schwachstellen auf. So wird zum Beispiel dem Landeshauptmann ein bedenklicherweise weiter Spielraum eingeräumt. Er kann nämlich gewisse Vorhaben von der Durchführung einer UVP ausnehmen. Ob damit nicht die Gefahr eines Rechtsmissbrauches verbunden ist; zumal man bedenkt, dass die oben erörterte Rechtsmittelbefugnis der Umweltvereine hier nicht greift? Es ist weiters auch nicht ganz einsichtig, warum diese Rechtsmittelbefugnis nur Vereinen zustehen soll, die schon seit zehn Jahren bestehen. Spontan gebildete Bürgerinitiativen verlieren dadurch an Bedeutung, obwohl gerade diesen ein großer Beitrag zur Bewusstseinsbildung der Bevölkerung zu verdanken ist. Besonders bei sensiblen Projekten, die im öffentlichen Interesse stehen wie bei Kraftwerken, Müllverbrennungsanlagen oder Autobahnen wäre ein ausführlicher Bedarfsnachweis zu fordern. Im Entwurf wird darauf aber nicht Rücksicht genommen. Einer öffentlich institutionalisierten Diskussion wird nur beschränkt Rechnung getragen. Somit besteht vehement die Gefahr, dass die UVP über eine bloße Bürgerinformation nicht hinausgehen wird. Ein weiterer kritischer Regelungsbereich im Rahmen der UVP ist die Bestellung der Sachverständigen. Hier bieten sich prinzipiell zwei Möglichkeiten an: Es wird eine eigene Einrichtung geschaffen, deren Aufgabe es ist, Umweltverträglichkeitsprüfungen durchzuführen. Oder es werden solche Prüfungen an entsprechend qualifizierte Sachverständige vergeben. Jedenfalls sollte es sich dabei um eine unabhängige Stelle handeln. Der Entwurf des Umweltministeriums geht aber zum Teil andere Wege. Zwar werden auch hier Sachverständige mit der Durchführung der UVP betraut, doch ist deren Unabhängigkeit keineswegs gewährleistet. Es ist nämlich auch möglich, dass Amtssachverständige bestellt werden. Diese sind nur ausgeschlossen, wenn sie voraussichtlich im späteren Verwaltungsverfahren beizuziehen sind, oder wenn sie an der Erstellung der Umweltverträglichkeitserklärung beteiligt waren. Die Auswahl der Sachverständigen obliegt dem Landeshauptmann. Nun hat dieser dadurch gute Möglichkeiten das weitere Verfahren zu beeinflussen. Denn insbesondere die Erfahrungen aus der Gerichtspraxis zeigen: "Die Richter können bei bestimmten Sachverständigen mit hoher Sicherheit ein bestimmtes Ergebnis erwarten. Durch die Auswahl des Gutachters steuern die Richter die Ergebnisse." (Profil Nr. 38/18, September 1989, Seite 82). Diese Gefahr besteht aber bei Amtssachverständigen umso mehr. Ebenso wie die hier kurz erörterten Bestimmungen über die Bürgerbeteiligung und über die Auswahl der Sachverständigen weisen die anderen Teile des Entwurfs eine Reihe von Mängeln und Schwachstellen auf. Es ist zum Beispiel keine UVP für Altanlagen vorgesehen. Auch Pläne, Konzepte und Gesetze unterliegen keiner diesbezüglichen Prüfung. Zuletzt eine Bemerkung zum Thema EG und UVP: Der EG-Ministerrat hat am 27. Juni 1985 eine Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung beschlossen. Diese ist meiner Einschätzung nach so ungenügend, dass mir eine weitere Diskussion darüber überflüssig erscheint. Nun werden in Österreich seit einiger Zeit Gesetzesentwürfe (im Sinne eines vorauseilenden Gehorsams?!) auf ihre EG-Konformität geprüft. Beim Entwurf des Umweltministeriums war es deshalb möglich über die Bestimmungen der EG-Richtlinie hinauszugehen, da letztere vorsieht, dass die Mitgliedstaaten (man beachte MITGLIEDSTAATEN) strengere Regeln über das Verfahren der UVP festlegen können. Schon aufgrund dieser Tatsachen ist es meiner Ansicht nach nicht verfehlt an der Glaubwürdigkeit der derzeitigen österreichischen Neutralitätspolitik zu zweifeln.
Umweltverträglichkeitsprüfung