Moderne Strafvollzugsgesetze - so auch das Österreichische - sehen als Strafzweck die "Besserung des Delinquenten" vor. Die Praxis und wissenschaftliche Untersuchungen zeigen aber, dass dieser Zweck nicht erfüllt werden kann. - Ein Beitrag über die Zynik des Besserungsgedankens und den Widersinn der Liberalisierung des Strafvollzuges. Historische Aspekte der Strafhaft Mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise wurde um das 16./17. Jhdt. die gewinnbringende Nutzung der Arbeitskraft von Gefangenen und in der Folge Arbeits-, Zucht- und Korrektionshäuser gegründet. Dort waren unterschiedslos Arne, Bettler, Kriminelle, Vagabunden und Kranke untergebracht. Erst an der Wende vom 18. zum 19. Jhdt. fand eine Trennung nach den unterschiedlichen Abweichungen und somit eine Unterbringung in unterschiedlichen Anstalten statt. Die Strafgewalt wurde als allgemeine Gesellschaftsfunktion definiert, die an allen Mitgliedern der Gesellschaft gleichermaßen auszuüben war. Haftstrafe und Gefängnis wurden gerechtfertigt durch den "Freiheitsentzug in einer Gesellschaft, in der Freiheit ein Gut ist, das allen gleichermaßen gehört und an dem jeder hängt."(Foucault, 1976). Der durch die Haftstrafe verursachte Verlust sollte also egalitär sein. Die mit der Entstehung des Gefängnisses einsetzenden Verbesserungsvorschläge und darauf basierende Erlässe stellten eher eine ständige Gebrauchsanweisung für die Funktion der Gefängnismaschinerie dar. Die Wirkungslosigkeit der primären Freiheitsstrafen und damit der Institution Gefängnis im Hinblick auf die Reduzierung der Kriminalität sowie die Produktion von RückfallstäterInnen drängt den Verdacht auf, dass der "Misserfolg" eine beabsichtigte Funktion erfüllt. as Strafvollzugsgesetz §20 StVG lautet: (1) Der Vollzug der Freiheitsstrafen soll den Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verhelfen und sie abhalten schädlichen Neigungen nachzugehen. Der Vollzug soll außerdem den Unwert des ... Verhaltens aufzeigen. (2) Zur Erreichung dieser Zwecke und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Anstalten ... sind die Strafgefangenen nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes ... von der Außenwelt abzuschließen, sonstigen Beschränkungen ihrer Lebensführung zu unterwerfen und erzieherisch zu beeinflussen. An dem unter der Überschrift "Zwecke des Strafvollzugs" laufende §20 StVG lässt sich der Paradigmenwechsel als Folge der Aufklärung und der französischen Revolution aufzeigen. Der Umgang mit abweichendem Verhalten stützte sich nunmehr auf eine Ideologie, die ihren Schwerpunkt nicht mehr als Abschreckung, sondern als Hilfe definierte. Der Gedanke der Opfertäterschaft, das heißt die Behandlung des/der Täters/in als Menschen, der Hilfe braucht, fand hier seinen Ausgangspunkt. Neue ExpertInnen (MedizinerInnen, SoziologInnen, SozialarbeiterInnen) traten mit dem Anspruch an, nicht nur humaner, sondern auch im Besitz effizienterer Kontrollmethoden zu sein. Damit wurde aber der Gedanke der Abschreckung nicht aufgegeben, was an der Formulierung des § 20 StVG leicht ersichtlich ist: Der Verurteilte soll in der Haft gebessert werden und es soll überdies abgeschreckt werden. Die Verbüßung einer Haftstrafe - also der Entzug von Freiheit und Lebenszeit - und die dadurch folgende Ausgrenzung, Disziplinierung und Kontrolle schafft eine Situation des Mangels (an Bezugspersonen, Bewegungsfreiheit ... ) und der Bedrohung, wobei die Besserung - zum Beispiel in Form von psychologischer Betreuung - meist darauf reduziert ist, die Haftschäden zu begrenzen. Der Erfolg der "Aufzeigung des Unwerts der Tat" - das heißt die Abschreckung ist nach einem Blick auf die Rückfallsquoten zu vereinen. Die Disziplinierungsmaßnahmen im Gefängnis basieren auf Verteilung und Entzug von positiven Sanktionen und einem System von Übernormierung, in dem der zu Sozialisierende dauernd das Gefühl hat, "gerade noch einmal davongekommen zu sein". Unter diesem Gesichtspunkt ist es klar, dass die Sozialstruktur des Gefängnisses keine Besserung bewirken kann, sondern dass vielmehr eine Verfestigung bestehender Störungen bewirkt wird. Ein Experiment über die Auswirkungen des Gefängnislebens, das an der Universität Stanford durchgeführt wurde, soll deutlich machen, dass dem Besserungsauftrag durch den Strafvollzug nicht nachzukommen ist. Für dieses Experiment wurde im Keller der Universität ein Gefängnis errichtet, und Studenten in Wärter und Gefangene eingeteilt. Binnen kurzer Zeit wurde das System in diesem fast authentischen Gefängnis immer repressiver. Auf Zusammenbrüche von "Häftlingen" und der wachsenden Skrupellosigkeit der "Wärter" reagierte das Untersuchungsteam planlos. Nach sechs Tagen wurde das für vierzehn Tage geplante Experiment abgebrochen. An dieser Stelle möchte ich im Zusammenhang mit der Hinzuziehung insbesondere von Psychiatern auf den Begriff "Delinquent" verweisen. Dieser unterschied sich vom Rechtsbrecher dadurch, dass er nicht mehr für eine aus freiem Willen handelnde Person gehalten wurde, sondern für eine Person, "die ihrer Tat innerlich verwandt ist" (Foucault, 1976), was den Straf- und Besserungsapparat zur Totalisierung der Existenz und zur Neuinszenierung des Lebens des Delinquenten veranlasste. Durch biographische Beurteilung schien eine Einschätzung des Verbrechens möglich geworden zu sein. So war es möglich, über Häftlinge aufgrund ihrer Biographie Prognosen zu erstellen und sie auch nach ihrer Entlassung weiter zu überwachen (Heute: Fürsorge, Bewährungshilfe). All diese Tatsachen erwecken den Eindruck, "dass Gefängnisse ... nicht dazu bestimmt sind, Straftaten zu unterdrücken, sondern sie zu differenzieren, zu ordnen und nutzbar zu machen"(Foucault, 1977). Der Zynismus, der sich aus der Normierung des Besserungsgebotes ergibt, ist evident. Die Liberalisierung des Strafvollzugs Sicherlich ist jede Verbesserung der herrschen-den Strukturen im Gefängnis wünschenswert, und sofern man sich von bloß eingeschränkten Zielsetzungen leiten lässt, kann man sich mit der Zweckmäßigkeit des Gefängnisses jeglicher weiterer Diskussion entziehen: Der/die TäterIn wird weggesperrt und damit ist die Gesellschaft vor weiteren Abweichenden Verhalten vorerst geschützt. Eine weitergehende Forderung nach Liberalisierung scheitert schon an der Idee des Gefängnisses: Es wäre doch widersinnig, in einem Gefängnis Freiheit spielen zu wollen. Überdies sind Anpassungen an das "Draußen" mit größter Vorsicht auf politische Gegebenheiten vorzunehmen. Dies lässt sich an Hand des StRÄG 1987 durch das auch einige Bestimmungen des StVG geändert wurden, dokumentieren. Beispielsweise sei angeführt: Zustellung der Ausfertigung des Urteils an die zum Vollzug bestimmte Anstalt, Antrag auf Strafaufschub auch durch Angehörige des Verurteilten, Entscheidungsbefugnis des Anstaltsleiters darüber, ob der Verurteilte in den Entlassungsvollzug überstellt wird, teilweise Pfändungsverbot für gutgeschriebenes Eigengeld, Möglichkeit für weibliche Strafgefangene, ihr Kind länger bei sich zu behalten als bisher. Die Bedachtnahme auf WählerInnenstimmen dokumentiert sich insbesondere an der Höhe der Arbeitsvergütung, die ebenfalls 1987 durch Verordnung des BMfJ mit höchstens 5, - öS pro Arbeitsstunde neu festgesetzt wurde, und die niemals auch nur annähernd jene Entgelthöhe erreichen wird, die "draußen" für gleichwertige Arbeit bezahlt wird. Bei aller Kritik soll jedoch nicht übersehen werden, dass im StRÄG und in der Novelle zum JGG (Konfliktregelungsmodell) Tendenzen zur Zurückdrängung primärer Freiheitsstrafen ihren Niederschlag gefunden haben. So notwendig die Reduktion der primären Haftstrafe gerade in Österreich ist, so wenig darf man/frau vergessen, dass die "Disziplinarnetze auf Kosten der Justiz anwachsen. Medizin, Psychologie, Fürsorge und Sozialarbeit übernehmen immer mehr Kontroll- und Sanktionsgewalt und in eben diesem Maße verliert jenes Scharnier an Nützlichkeit, welches das Gefängnis darstellte ... "(Foucault, 1977).
Der Zynismus des Besserungsgedankens
Weitere Details zum Artikel:
Literatur:
Michel Foucault: Überwachen und Strafen. Frankfurt 1977.
Wolfgang Stangl: Wege in eine gefängnislose Gesellschaft. Wien 1988.
Schriftenreihe Band3 der GkPP: "Brennpunkt Strafvollzug".